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Illustrierte Welt : vereinigt mit Buch für alle: ill. Familienzeitung — 23.1875

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Heft 10
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HrnnnllLVnnÄtgsUr Jahrgang.

10. Keft.

Stuttgart. KripLig nnil HUen.

Keköste Wände.
Novelle
von
F. L. Ueimar.
Am Strande von Bor-
kum , der schönen Nordsee-
insel, herrschte reges Leben.
Nach einer Reihe von trüben,
regnerischen Tagen war die
Sonne wieder prächtig über
der Welt aufgegangen, und
wie sie hell auf Meer und
Land schien, so hatte sie auch
die Schaar der Badegäste,
welche zuvor meist auf ihre
engen Wohnungen beschränkt
gewesen waren, hinausgelockt
nach dem großen Corso am
Fuß der Dünen, wo sich jetzt
eine bunte und fröhliche Ge-
sellschaft tummelte. Die Auf-
merksamkeit derselben wandte
sich jedoch nur halb dem
herrlichen Anblick der See
zu, die sich hier schrankenlos
ausbreitete: von mindestens
eben so großem Interesse
war es, Bekannte zu suchen
und zu finden, Neuigkeiten
auszutauschen, sich nach etwa
frisch hinzugekommenen Gä-
sten umzusehen, kurz, alles
Das zu thun, was bei einem
Badeaufenthalt die Muße der
Tage uud Stuuden auszu-
füllen pflegt. Gruppen von
Spaziergängern thaten sich
zusammen und tauschten ihre
Beobachtungen aus, die sich
bald an diese, bald an jene
auftauchende Erscheinung
knüpften und hier auf Bei-
fall und Anerkennung, dort
auf Spott und Satyre hin-
ausliefen.
Ueber wie viele die Kritik
aber auch bereits geübt sein
mochte, so hatte doch keine
der anwesenden Personen die
allgemeine Aufmerksamkeit so
zu fesseln vermocht, als es
durch eine kleine Gesellschaft
geschah, die in diesem Au-
genblick auf der von der Höhe
der Dünen hinabführenden
Treppe an den Strand her-
untergestiegen war und der
die geübten Blicke Aller, welche
schon länger ans der Insel
geweilt hatten, sofort an-
Jllustr. L'clX XXIN. m.


Die verunglückte Schlittenfahrt. Nach einem Gemälde von W. Zimmer. (S. 271.)

sahen, daß sie aus Neuange-
kommenen bestand. Verrieth
dieß doch schon die Art und
Weise, mit der Jeder sich
zunächst in den Anblick des
Meeres versenkte, ohne den
hier so zahlreich versammel-
ten Menschen im ersten Mo-
ment eine besondere Beach-
tung zu schenken! — Desto
neugieriger hafteten dagegen
die Augen der Letzteren an
dem schönen, schlanken, noch
jugendlichen Manne, welcher
den Meisten als die hervor-
ragendste unter den'drei Per-
sonen erscheinen wollte. Es
lag etwas unleugbar Vor-
nehmes in seiner ganzen Hal-
tung, deren Straffheit über-
dieß den Militär kennzeich-
nete, wenn er auch in die-
sem Augenblick einen einfa-
chen, aber eleganten Civil-
anzug trug. Mit feinem An-
stand führte er eine Dame
am Arm, deren Erscheinung
ebenfalls distinguirt, aber-
weniger schön und jung als
die seinige war, während
eine andere, offenbar der er-
steren an Rang nicht gleich-
stehende, dem Paar zur
Seite ging.
Ueber die Letztgenannte
glitt die Beobachtung leicht
hinweg; man entschied sich,
daß sie einen untergeordneten
Posten, etiva den einer Ge-
sellschafterin, einnehmen
müsse und theilte sich dafür
um so eifriger seine Ver-
muthungen über jenes Paar-
selbst mit.
„Ich bin überzeugt, hinter
den Fremden steckt etwas Be-
sonderes !" erklärte eine wohl-
wollend aussehende ältere
Dame wichtig und folgte den
Dahinschreitenden mit for-
schenden Blicken, während
eine Schaar von jungen
Mädchen mit großer Leben-
digkeit ihre Ansichten über
die Allen weitaus interessan-
teste Persönlichkeit, die des
Herrn, entwickelte.
„Nun, meine Damen,"
wandte sich nach einigen
Augenblicken ein hinzugetre-
tener Herr lachend an die
erwähnte Gruppe, „lassen
Sie hören, was Sie über
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