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Imago: Zeitschrift für Anwendung der Psychoanalyse auf die Geisteswissenschaften — 3.1914

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III.1
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Andreas-Salomé, Lou: Zum Typus Weib
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https://doi.org/10.11588/diglit.42096#0009

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ZEITSCHRIFT FÜR ANWENDUNG DER PSVCHO«
ANALYSE AUF DIE GEISTESWISSENSCHAFTEN
HERAUSGEGEBEN VON PROF. DR. SIGM. FREUD
SCHRIFTLEITUNG:
III. 1. DR. OTTO RANK / DR. HANNS SACHS 1914

Zum Typus Weib.
Von LOU ANDREAS-SALOME,
I.
Was ich hier vorhabe, ist nur ein Stück Gedankenspaziergang:
anfangs entlang an persönlich eng umgrenztem Weg, dann
hinstrebend in weitern Gesichtskreis, um endlich, wenn auch
nur ein paar Schritte höher, zu sachlichem Überblick darüber hinaus
zu gelangen,
Recht persönlich muß ich damit beginnen zu sagen, daß sich
meine allerfrüheste Erinnerung auf Knöpfe bezieht, Auf geblümtem
Teppich darauf ich saß, stand vor mir geöffnet ein brauner Kasten, in
dessen Inhalt, unter gläsernen, beinernen, bunten, phantastisch geformten
Knöpfen, ich kramen durfte, wenn ich entweder sehr artig gewesen
war, oder wenn meiner alten Wärterin keine Zeit für mich übrig
blieb. Der Knopfkasten hieß — anfänglich naiv, später ironisch ver-
standen — der Wunderkasten, und anfangs repräsentierte er für
mich wohl auch Wunder schlechthin,- dann — vielleicht weil man
mich die entsprechenden Wörter daran kennen lehrte, bewunderte
ich in den Knöpfen ebensoviele Saphire, Rubine, Smaragden,
Diamanten und anderes Edelgestein, wodurch noch heute das
russische Wort für »Juwel«1 mir einen seltsam erinnerungsreichen
Klang behalten hat. Die Knopfjuwelen blieben auf lange hinaus der
Inbegriff dessen, was als wertvoll betont, und deshalb gesammelt
nicht fortgegeben wird <wie in der Tat die damals verhältnismäßig
kostspieligeren Modeknöpfe nach Verbrauch der Kleidungsstücke auf-
bewahrt wurden). Und mir ist, als ob diese Vorstellung der Knöpfe
als kostbarster Stücke sich in mir bereits unmittelbar zurückgegründet
haben müsse auf eine noch ursprünglichere, wonach sie unver-
äußerliche Teile darstellten gewissermaßen Teilstückchen meiner
1 »jemtsduig«.

Imago III,T
 
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