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Imago: Zeitschrift für Anwendung der Psychoanalyse auf die Geisteswissenschaften — 3.1914

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III.6
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Blüher, Hans: Über Gattenwahl und Ehe
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https://doi.org/10.11588/diglit.42096#0489

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AG O
ZEITSCHRIFT FÜR ANWENDUNG DER PSyCHO-
ANALYSE AUF DIE GEISTESWISSENSCHAFTEN
HERAUSGEGEBEN VON PROF. DR. SIGM. FREUD
SCHRIFTLEITUNG:
III. 6. DR. OTTO RANK / DR. HANNS SACHS 1914


Über Gatten wähl und Ehe.
Von HANS BLÜHER.
Der Staat, die Sprache und die Ehe, diese drei Dinge haben
im Denken des theoretischen Menschen das gemeinsame
Schicksal gehabt, daß man sich gern darum stritt, ob sie
von Natur <q)voei> oder durch Satzung (fteoei) da seien. Dieser
Problemstellung liegt offenbar bei allen dreien die innere Frage zu*
gründe, ob man ihnen auch entfliehen kann, und dieser Frage der
Wunsch es zu können. Denn es ist einleuchtend: wenn man beweisen
kann, daß Staat, Sprache und Ehe nur durch Satzung da seien, so
wäre es möglich, diese Satzung rückgängig zu machen und dann zu
einem freieren Fluge auszuholen, denn alle drei Dinge werden als
P'esseln empfunden. Bei der Sprache wird dies nicht so schnell klar
werden, weil die Befreiung von ihr nur die sublimsten Denker an-
geht, für die das reine Denken Schidcsal geworden ist/ also ein
seltener Fall. Für Staat und Ehe befinden wir uns dagegen in der
Mittelschicht des Menschlichen und können bei ihnen feststellen, daß
sich sehr deutlich die Gegentendenzen spürbar machen: der indi-
vidualistische Anarchismus und die freie Liebe. Aber auch der
Staat ist noch so außerordentlich fest gefügt, daß die Erwägung,
ob er von Natur oder durch Satzung da sei, für jene heimliche
Unterabsicht nicht mehr recht in Frage kommt, Kein Mensch hat
im Ernst die Absicht, sich vom Staate selber auszuschließen, er
will audi im Falle des Anarchisten immer nur einigen drückenden
Eigenschaften eines besonderen Staates in einem besonderen Zeit-
alter entgehen. Die Ehe dagegen ist erheblich lodcerer gefügt. Es
gibt eine sehr große Anzahl Menschen beiderlei Geschlechtes, die
sie für sich privatim ablehnen und es gibt bedeutende Theoretiker,
die sie objektiv ablehnen. Und hiebei ist noch dazu die Voraus*
setzung gemacht, daß es sidi um Menschen handelt, für die allein
das andere Geschlecht als Objekt der Liebe in Betracht kommt. Nur
 
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