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Imago: Zeitschrift für Anwendung der Psychoanalyse auf die Geisteswissenschaften — 3.1914

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Giese, Fritz: Sexualvorbilder bei einfachen Erfindungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.42096#0536

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524

Dr. Fritz Giese

Sexualvorbilder bei einfachen Erfindungen.
Von Dr. phil, FRITZ GIESE (Berlin).
Zu den wenigen Gebieten, auf die eine Anwendung psycho*
analytischer Forschung bisher nicht recht erfolgte, gehört
wohl die Geschichte der Technik und der Erfindung im
allgemeinen. Es liegt dies vermutlich an der Tatsache, daß rein
theoretische Erwägungen höchst unfruchtbar wären, und daß empi*
risch bewiesene Feststellungen aus der Entwiddung technischer Er*
Endungen wenig oder so gut wie kaum vorliegen. Wir verdanken
den Anfang zu einer historisch, exakt verfahrenden Geschichte der
Technik erst den Forschungen Feldhaus', Mit andern Spekulationen
früher sich abzugeben, verlohnt sich kaum.
Will man technische Erfindungen mit dem Sexualmotiv in
Beziehung setzen, so muß man selbstverständlich außerordentliche
Vorsicht üben. Auch die nachfolgenden Zeilen wollen eher hypo*
thetisch verstanden sein. Zum Darauflosdeuten hat man bei einer
Wissenschaft, die rein auf Empirie fußt, besonders wenig Recht,
und in der modernen »Technik« unserer Zeit dürfte Psychoanalyse
überhaupt deplaciert erscheinen.
Furchtbarer wird der Versuch, wenn man primitive, allge*
meiner gesagt einfache Erfindungen darauf hin prüft, wie weit sie
ihr Entstehen Sexualvorbildern verdanken,
Daß der menschliche Körper, wie die Natur überhaupt, zu*
nädist zum Vorbild genommen wird, ist bekannt. Die Entstehung
der Brüche aus einem umgefallenen Baum, einer Liane, das Erfinden
des Winkelhebels etwa aus der Arm* oder Beinbauart, scheint
durchaus plausibel. Ebenso nimmt man ganz bewußt in neuerer
Zeit Vorbilder für Erfindungen vom Menschenkörper, etwa die
Camera obscura gemäß der Bauart des Auges, den Schalltrichter
anpassend der Ohrmuschel usf.
Wenn man Sexualvorbilder sucht, so darf man sie nur dann
aus einfachen Erfindungen ableiten, wenn diese eindeutig, spezifisch
den körperlichen Organen konform zu gehen scheinen. Das Sexual*
Vorbild muß gleichsam derb, plastisch vorliegen. Die sexuelle Idee
darf sich nicht zu weit vom Objektiven entfernen, sondern möglichst
in reeller Wiedergabe angewendet sein auf den Zweck der Erfindung.
So seltsam es zunächst klingt, um so plausibler erscheint die
Möglichkeit, daß Erfindungen aus sexuellen Vorbildern beim Men*
sehen herauserstehen, wenn man bedenkt, wie in der Religion, der
Literatur, dem Mythos, der Sage: kurz im ideellen Bewußtseinsinhalt
einfacher Menschen (z. B. der Naturvölker) die Erotik Basis aller
Einzelheiten ist, eine Eigentümlichkeit, die neuere Forschungen, mag
man selbst hier und dort nicht einverstanden sein, im Prinzip ent*
schieden nahegeleget haben. So wird es nicht wundernehmen, daß
es auch Erfindungen gibt, gleichsam materiellere Bewußtseinsinhalte,
 
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