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Imago: Zeitschrift für Anwendung der Psychoanalyse auf die Geisteswissenschaften — 3.1914

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III.2
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Eisler, Robert: Der Fisch als Sexualsymbol
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https://doi.org/10.11588/diglit.42096#0176

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Robert Eisler

menschlichen Haut durchschimmernden Adern im Gesicht älterer,
apoplektisch aussehender Personen zu verdeutlichen,- ist sich auch
jetzt noch eines starken Widerwillens gegen solche Gesichter, blau-
rote Nasen, aderige Hände u. dgl. bewußt, fixiert gegen seinen
Willen oft gesprungene Blutgefäße in solchen Gesichtern, obwohl
er das als ungehörig empfindet und aufsteigenden Ekel zu beherrschen
hat,- brachte nach Durchführung dieses Vergleichs ohne Nachhilfe und
beiläufig die Bemerkung an, daß ja in der Tat die Köpfchen der
Spargelstangen eine leichte Verfärbung in dieses sogenannte »Violett«
aufweisen. Mit dem Ausdruck »Spargel schmecken violett« drückt
er offenbar nur die Verschiebung des Gefühlstons von der im
Unbewußten verabscheuten Farbnuance auf das bewußte Objekt
des Widerwillens, d. h. eben den Spargelgeschmack aus. Auch die
anderen antipathischen Gemüse schmecken, soweit ein bestimmtes im
Spargel besonders stark hervortretendes Aroma sich geltend mache,
»violettlich«, in den anderen, oben genannten Gemüsen sei es un-
merklich,- starkes Salzen, Zusatz von Zitrone verdecke dieses Aroma.
Gegenwärtig werden Spargel anstandslos gegessen, aber in der ersten
Übergangszeit nach dem oben datierten Erlöschen der Idiosynkrasie
war, trotz ironischer Angriffe der Umgebung und trotz der sonst
stark hervortretenden Affektation korrektester äußerer Formen die
Neigung, beim Spargelessen nicht die Finger, sondern Besteck zu
gebrauchen, auffallend und nicht leicht zu überwinden. Die Idio^
synkrasie gegen Fische ist fast in eine Vorliebe für diese Speise
umgeschlagen, aber noch immer wird der charakteristische Fischgeruch
roher, besonders Seefische, in übertriebenem Maß verabscheut: der
häufig angewendete Klebstoff Syndetikon — ein Fischleim mit Fisch-
geruch — wird nicht auf dem Schreibtisch geduldet und behauptet,
daß selbst eine verschlossene, zufällig dorthin gelegte, von anderen
gar nicht bemerkte Tube das ganze Zimmer verpeste. Es ergab
sich durch kurze, auf sehr geringe Widerstände stoßende Analyse,
daß die Idiosynkrasie gegen Fische und Spargel veranlaßt war durch
eine intensive, durch Erziehungsmaßnahmen verstärkte Scheu vor Be-
rührung der glans pennis <Spargelköpfe! durchscheinende Blutgefäße!
Gebrauch des Bestecks). Der nach Pollutionen aufgetretene Ekelaffekt
war vom Sperma auf die schleimige Haut und den Geruch der Fische
übertragen worden. Die Idiosynkrasie verschwand mit dem Auf*
hören der fast vollständigen geschlechtlichen Abstinenz,
die dem Exploranden, teils durch häusliche Überwachung (Spazier-
gänge fast nur in Begleitung des Hofmeisters) teils durch väterliche
Belehrung über die Ansteckungsgefahren beim Umgang mit Straßen-
dirnen auferlegt war, auf der eingangs erwähnten Reise.
Zu allgemeineren Folgerungen aus diesem Befund scheinen die
Tatsachen zu ermutigen, daß fast alle kulinarischen Kunstgriffe der
Fischküche dahin zielen, jenen charakteristischen ekelerregenden Geruch
zu beseitigen, der im wesentlichen an dem Schleimsekret der Fisch-
haut haftet oder doch zu haften scheint, während anderseits der
 
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