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Imago: Zeitschrift für Anwendung der Psychoanalyse auf die Geisteswissenschaften — 3.1914

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III.4
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Maccurdy, John T.: Die Allmacht der Gedanken und die Mutterleibsphantasie in den Mythen von Hephästos und einem Roman von Bulwer Lytton
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https://doi.org/10.11588/diglit.42096#0412

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John T. Mac Curdy

Ruhe findet« oder wenn sich Lytton von dem Gedränge der großen
Welt abwendet, um in dieser Phantasie von einem neuem Leben
zu schwelgen, dann entsteht der Wunsch zu jenem Zustand ruhiger
Allmacht zurückzukehren, den sie einst im Leibe oder in den Armen
der schützenden Mutter genossen, den Himmel wiederzufinden, den
sie einst kannten.
Diese kurze Skizze zeigt, was die Psychoanalyse für unser
Verständnis mancher bisher ungelöster Probleme leisten kann. Wir
lernen zuerst den Sinn gewisser Symbole kennen und wenn wir
unsere Kenntnis auf die Mythen anwenden, vermögen wir ein-
sehen, warum ihre Helden gewisse Eigenschaften haben, deren
Existenz und Zuteilung sonst nur auf den Zufall zuruckgeführt
werden könnte. Wir lernen auch verstehen, wieso die Verfassung
einer phantasierten Erzählung das Innenleben des Dichters auszu--
drücken und seinen unbewußten Begierden einen Ausweg zu schaffen
vermag. Schließlich gewinnen wir Einblick in eines der Geheimnisse
der Kunst. Wir lernen, woher es kommt, daß Mythen Jahrhunderte
hindurch von Alt und Jung noch immer eifrig gelesen wurden, als
schon Jahrhunderte seit ihrer ersten Niederschrift vergangen waren,-
und wir können einige Einsicht in die Anziehungskraft gewinnen,
die gewisse Werke auf uns alle üben — eine Anziehungskraft, die
der gewöhnlichen intellektuellen Kritik spottet. Solche künstlerische
Leistungen wirken auf uns, weil sie den Ausdruck von Wünschen
darstellen, die im eigenen Unbewußten heimlich fortglimmen. Auch
diese Arbeit hier ist so entstanden, daß der Verfasser sich veranlaßt
sah, »Das Volk der Zukunft« zu lesen, um es zu erklären, warum
ein sonst literarisch recht interesseloser Zwangsneurotiker davon einen
so tiefen Eindrude erhalten hatte. Er konnte die Lächerlichkeit des
Lebens und der Situation der »Ana« einsehen und doch konnte er
sich nicht davon zurückhalten, mir fortwährend von dem Buch zu
erzählen,- die Erinnerung daran verschaffte ihm offenbar eine große
Befriedigung, wie ihr häufiges Auftauchen im Verlauf freier Asso-
ziationen erkennen ließ. Er konnte aus dem Frieden und der Macht,
die jenes Volk besaß, Lust gewinnen, weil er sich selbst in die Rolle
der handelnden Personen einer Geschichte versetzte, die bloß aus der
Phantasie entsprungen war.
 
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