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Imago: Zeitschrift für Anwendung der Psychoanalyse auf die Geisteswissenschaften — 5.1917-1919(1919)

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Levy, Ludwig: Sexualsymbolik in der biblischen Paradiesgeschichte
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https://doi.org/10.11588/diglit.25679#0032

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Dr. Ludwig Levy

— quidem) = und zwar (sogenanntes Waw explicativum)«, siehe dort
die Beispiele. So ist auch an unserer Stelle zu übersetzen: »Dann ließ
Gott aus dem Acker allerlei Bäume wadisen, und den Baum des
Lebens mitten im Garten, und zwar ist es der Baum der Erkenntnis
von Gut und Böse.« Eine jüdisdie Tradition meint audi, Gott habe
den Baum nidit Baum der Erkenntnis genannt, sondern Mose, der
die Thora niedersdhrieb, habe ihn so genannt. Audi Adam wußte
den Namen nidit, und Eva habe nur von dem Baum mitten im
Garten gesprodien <Midr. Aggada ed. Buber zu Gen. 2, 17). Waren
die beiden Bäume nidit identisdi, so hätten ja Adam und Eva vom
Baume des Lebens essen können. Kein Verbot hinderte sie von ihm
zu pfliicken und unsterblidi zu werden. Verboten war ja nur der
Baum der Erkenntnis. Dann aber hätte die Drohung Gottes, sie
würden nacb dem Genuß der Frudit vom Baume der Erkenntnis
sterben, keinen Sinn gehabt. Der Mensdi konnte diese Drohung
durch gleidizeitigen Genuß vom Baume des Lebens paralysieren.
Darum sdieint mir Vers 3, 22, wo Gott nachträglich diese Befiirchtung
ausspricht, ein späterer Zusatz eines Redaktors zu sein, der schon
die otelle 2, 9 falsch als Beridit von zwei Bäumen auffaßte und dem
dann auffiel, daß der Baum des Lebens nicht weiter vorkam. Die
Kritik hat bisher sdion diesen Vers 3, 22 als aus einer anderen
Quelle herrührend angesehen. Es ist auch sehr begreiflich, daß der
Baum der Erkenntnis, der Baum der Zeugung, auch Baum des
Lebens heißt. Denn die Zeugung schafft neues Leben, und über-
windet den Tod immer wieder. Seltsamer ist, daß Gott den Menschen
droht, sie würden sterben, sobald sie von dem Baum in der Mitte
äßen. Der Mythus will hier die Frage beantworten: Wie kam der
Tod in die Welt? Und er gibt die Antwort: Der Tod ist eine Folge
des Geschlechtsakts,- sobald die Menschen Kinder zeugten, haben sie
sich selbst dem Tod geweiht. Eine interessante Vorstellung, wohl
das Resultat der Beobachtung, daß die Pflanzen hinwelken, sobald
sie Frucht getragen haben und daß auch bei den Menschen die alte
Generation der neuen, nachrückenden Platz zu machen gezwungen
ist. Vielleidit hat auch zu dieser Vorstellung das häufige Vorkommen
des Sterbens der Mütter bei der Geburt in früheren Zeiten bei^
getragen, auch wohl die Beobachtung der physischen Schwächung
durch den Geschlechtsakt. W. Stekel, Die Sprache des Traumes, p. 94
verweist zur Verknüpfung von Geschlechtsakt und Tod auf Hermann
Swoboda »Die Periode im mensdilichen Organismus«, 1904: Es
besteht eine Äquivalenz zwischen Leben und Tod, der zufolge die
Aufgabe von Geschlechtszellen — denn es braucht ja nicht jeder
Zeugungsakt zur Neusdiöpfung von Leben zu fiihren — eine voriiber^
gehende Lebensverminderung, Tod in irgend einer Form und in
irgend einem Ausmaße zur Folge hat. Schon Celsus sagt: »Seminis
emissio est partis animae jactura.« So wird uns der Umstand be*
greiflich, daß der Coitus im Traume so häufig durdi ein Sterben
dargestellt wird. Schon die alten Inder haben die Liebe oder doch die
 
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