Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Imago: Zeitschrift für Anwendung der Psychoanalyse auf die Geisteswissenschaften — 5.1917-1919(1919)

DOI article:
Reik, Theodor: Psychoanalytische Studien zur Bibelexegese, [1]
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.25679#0335

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Psydioanalytische Studien zur Bibeiexegese. I.

325

Psychoanalytische Studien zur Bibelexegese. I.

Von Dr. THEODOR REIK \

1. Jaakobs Kampf.

Gabriel:

»Nocb einmal — mein Jaäkob — sinke
Zurüdt auf deinen Stein — zu kurzer Ruh!
Wenn dumitdir— mitFremdemringst — gedenke
Mit Gott dem Herren rangest heute du!

In deinem Samen stbau're immer wieder
Erinnern dieser Nadit — so Sein Befehi!

Sdion rötet sich Sein Morgen! Auf die Lider
Und:

Wandle — sdiaue — höre Jisro»El!«

Richard Beer«Hofmann, »Jaäkobs Traum«.

In der scWierigen Darstellungsweise psychoanalytisdier Brkennt-
nisse ist jener Weg nidit der sdilediteste, weldier zeigt, wie
der Psydioanalytiker ansdheinend zufällig auf ein Problem stoßt,
und sdirittweise unter Überwindung äußerer Hindernisse und seiner
eigenen Einwendungen seiner Lösung näherzukommen sudit. Diesen
Weg will die folgende Arbeit einsdilagen.

Wenn man sidt, müde der neudeutsdien Stilkunst, die vor»
läufig im Dadaismus in einer verblüffend naturgetreuen Wiedergabe
von Tierlauten gipfelt, wieder der Bibellektiire zuwendet, empfindet
man erst redit die verjüngende Wirkung alttestamentarischer, elemen^
tarer Spradigewalt. Man liest etwa die Gesdiidite Jaäkobs, seiner
Geburt, der listigen Übervorteilung des Bruders, seines Werbens
um Rahel, seiner Dienstzeit bei Laban, seiner Fludit und kommt
nun zu jener Stelle, die, rätselhaft genug, Jaäkobs Ringkampf mit
Gott schildert. Wir stehen vor einem Problem.

Wie ein von Kyklopen herangewälzter Felsblodc ragt diese
Erzählung von zehn Verszeilen in die sanftere Hirtenlandsdhaft der
Jaäkobsgesdhichfe. Es ist in der Nacht, bevor Jaäkob auf den
gefürchteten Bruder stoßen soll 2: Noch in jener Nadit stand er
auf, nahm seine beiden Frauen, seine Mägde und seine elf Kinder
und er übersdiritt die Furt des Jabbok: so nahm er sie und brachte
vieles, was ihm gehörte, hinüber. Jaäkob selbst blieb zurüdc. Da
rang jemand mit ihm, bis die Morgenröte heraufzog. Und als er

1 Nadi einem am 13. Februar 1918 in der Wiener psychoanaiytisdien Ver«
einigung gehaltenen Vortrag.

* Gen. 32, 23-33.
 
Annotationen