364
Wiüy Bardas
Zur Problematik der Musik.
Von WILLy BARDAS <Berlin>.
Unter allen Künsten ist die Musik die populärste, diejenige,
die den meisten Mensdien, oder genauer ausgedrückt, mehr
Mensdien Genuß bereitet, als jede andere. Man müßte
danadh annehmen, daß zu ihrem Verständnis keine besondere TeiL
begabung erforderlidi ist, Anderseits aber ist das musikalische Ohr
eine Veranlagung, die zwar bei weitem nidit so verbreitet wie die
Freude an Musik, aber dennodi für die Erfassung ihres ästheti-
sdien, also künstlerisdien Wertes, Voraussetzung ist. Die Ursadte
der überragenden Popularität gerade der Musik, zu deren tieferem
Verständnis also eine nidit allgemein vorhandene, besondere Be-
fähigung gehört, muß somit auf anderem Gebiete liegen. Die Freude
an ihr muß in Lustgefühlen wurzeln, die nidit aus verfeinerter
ästhetischer, sondern nur aus ganz primitiver, und daher allen
Mensdien gemeinsamer, triebhafter Instinktbefriedigung entstehen
können.
Wir werden der Beantwortung dieser Frage am nächsten
kommen, wenn wir von der Tatsache ausgehen, daß im Brennpunkt
unseres Handelns das Triebleben steht. Dieses wirkt stets in der
Richtung, die unseren Interessen voraussidhtlidh kontinuierlich nützt.
»Voraussiditlich« deshalb, weil wir dort, wo unsere Handlungs-
weise in Konflikt mit der eines anderen oder einer Gruppe anderer
gerät, letztere in unser Kalkül mit einbeziehen und unser Verhalten
danach einriditen,- und zwar kann dieses Voraussehen bewußt
intellektuell oder instinktmäßig und unbewußt erfolgen. »Kontinuier-
lich« aber deshalb, weil unser Intellekt das letzte Ziel — unseren
endlichen Nutzen — stets im Auge behält, das wellenartige Auf
und Ab auf dem Wege zum Erfolge mit in Kauf nimmt, um das
Ziel zu erreichen, und somit Einzelinteressen zugunsten des End-
zwedces zu opfern bereit ist. So wird der Selbsterhaltungstrieb im
Faile eines Konflikts unter Llmständen den Kampf meiden und die
Flucht als Auskunftsmittel wählen. Oder beide Parteien würden, bei
gleicher Stärke und voraussichtlidher Sieglosigkeit, einzelne Wünsche
aufgeben und ein Kompromiß der entgegengesetzten Ziele einem
dauernden, aufreibenden, und daher die Selbsterhaltung als letztes
Ziel in Frage stellenden Unfrieden vorziehen. Der Madhttrieb wird
sich selbst die Grenzen abstedcen, um nicht im Streben nadh Steigerung
die Selbsterhaltung aufs Spiel zu setzen. Oder er wird sogar gelegent-
lidi die Selbstvernichtung riskieren, wenn er seine Interessen als
identisdr mit denen anderer erkennt, durch Anschluß an diese eine
Mehrheit oder Qbermadit gewinnt, und so wiederum letzten Endes
Wiüy Bardas
Zur Problematik der Musik.
Von WILLy BARDAS <Berlin>.
Unter allen Künsten ist die Musik die populärste, diejenige,
die den meisten Mensdien, oder genauer ausgedrückt, mehr
Mensdien Genuß bereitet, als jede andere. Man müßte
danadh annehmen, daß zu ihrem Verständnis keine besondere TeiL
begabung erforderlidi ist, Anderseits aber ist das musikalische Ohr
eine Veranlagung, die zwar bei weitem nidit so verbreitet wie die
Freude an Musik, aber dennodi für die Erfassung ihres ästheti-
sdien, also künstlerisdien Wertes, Voraussetzung ist. Die Ursadte
der überragenden Popularität gerade der Musik, zu deren tieferem
Verständnis also eine nidit allgemein vorhandene, besondere Be-
fähigung gehört, muß somit auf anderem Gebiete liegen. Die Freude
an ihr muß in Lustgefühlen wurzeln, die nidit aus verfeinerter
ästhetischer, sondern nur aus ganz primitiver, und daher allen
Mensdien gemeinsamer, triebhafter Instinktbefriedigung entstehen
können.
Wir werden der Beantwortung dieser Frage am nächsten
kommen, wenn wir von der Tatsache ausgehen, daß im Brennpunkt
unseres Handelns das Triebleben steht. Dieses wirkt stets in der
Richtung, die unseren Interessen voraussidhtlidh kontinuierlich nützt.
»Voraussiditlich« deshalb, weil wir dort, wo unsere Handlungs-
weise in Konflikt mit der eines anderen oder einer Gruppe anderer
gerät, letztere in unser Kalkül mit einbeziehen und unser Verhalten
danach einriditen,- und zwar kann dieses Voraussehen bewußt
intellektuell oder instinktmäßig und unbewußt erfolgen. »Kontinuier-
lich« aber deshalb, weil unser Intellekt das letzte Ziel — unseren
endlichen Nutzen — stets im Auge behält, das wellenartige Auf
und Ab auf dem Wege zum Erfolge mit in Kauf nimmt, um das
Ziel zu erreichen, und somit Einzelinteressen zugunsten des End-
zwedces zu opfern bereit ist. So wird der Selbsterhaltungstrieb im
Faile eines Konflikts unter Llmständen den Kampf meiden und die
Flucht als Auskunftsmittel wählen. Oder beide Parteien würden, bei
gleicher Stärke und voraussichtlidher Sieglosigkeit, einzelne Wünsche
aufgeben und ein Kompromiß der entgegengesetzten Ziele einem
dauernden, aufreibenden, und daher die Selbsterhaltung als letztes
Ziel in Frage stellenden Unfrieden vorziehen. Der Madhttrieb wird
sich selbst die Grenzen abstedcen, um nicht im Streben nadh Steigerung
die Selbsterhaltung aufs Spiel zu setzen. Oder er wird sogar gelegent-
lidi die Selbstvernichtung riskieren, wenn er seine Interessen als
identisdr mit denen anderer erkennt, durch Anschluß an diese eine
Mehrheit oder Qbermadit gewinnt, und so wiederum letzten Endes