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Dr. S. Ferenczi
Zur Psychogenese der Mechanik.
<Kritisdie Bemerkungen über eine Studie von Ernst Mach.)
Von Dr. S. FERENCZI <Budapest>,
Der Psydioanalytiker, weldier der fast einmütigen Ablehnung
seiner Erkenntnisse durch die in ihrer Seelenruhe gestörten
Menschheit einen gewissen Fataiismus entgegenzusetzen geiernt
hat, wird in großen Zeitabständen von gewissen Erfahrungen vorüber-
gehend aus dieser Stimmung aufgerüttelt, Während die tonangebenden
Gelehrten unausgesetzt damit besdiäftigt sind, unsere Wissensdiaft
zum soundsovielten Male zu vernidhten und zu begraben, meldet sidi
bald aus dem fernsten Indien, bald aus Mexiko, Peru oder Australien
ein einsamer Denker, Arzt oder Menschenbeobadhter, und erklärt
sich ais Anhänger Freuds. Noch überraschender ist es, wenn es sich
heraussteilt, daß in unserer nächsten Nähe im stillen ein Psychoana»
lytiker gearbeitet hat und mit dem jahrelang gesammeiten psycho»
analytisdhen Wissen plötzlidi vor die Öffentlichkeit tritt. Am aller*
seltensten kommt man aber in die Lage, in den Werken der aner-
kannten Größen der heutigen Wissenschaft Spuren des psychoana-
lytisdhen Einfllusses oder einen Paralleiismus ihrer Denkrichtung mit
jener der Psychoanalytiker zu entdedcen.
Bei diesem Stande der Dinge wird es wohl jeder verzeihlich
und verständlich finden, daß ich bei der Lektüre des Vorwortes
von Ernst Machs Arbeit: »Kuitur und Mechanik« 1 die, natür-
iidi immer nur notgedrungene, und sdiwer zu ertragende fatalistische
Einstellung für einen Moment wieder falien ließ und midh der optimistL
sdien Idee hingab, in einem der bedeutendsten der jetzt iebenden
Denker und Gelehrten 2 einen Gleichgesinnten begrüßen und verehren
zu können.
Meine — wie sich bald herausstelite — irrige Erwartung wird
mir jeder Psydioanaiytiker nachempfmden, der dieses Vorwort —
dessen Inhait idi hier zum Teiie wiedergebe — liest.
»In der Einieitung der 1883 ersdhienenen ,Mechanik y des Ver-
fassers ist die Anschauung vertreten« — heißt es am Anfange des
Vorwortes—»daß sich die Lehrender Mechanik aus den Erfahrungs-
schätzen desHandwerks durch inteiiektuelie Läuterung ergeben haben.«
»Es bot sich nun die Möglichkeit, noch einen Schritt weiter zu
gehen, indem es meinem in frühester Kindheit mechanisch
sehr veranlagten Sohne Ludwig auf meine Veranlassung ge*
iang, durch immer neu einsetzende Erinnerungsversuche
seine damaiige Entwicklung mit vieien Einzelheiten im
wesentiichen zu reproduzieren, wobei es sich zeigte, daß die
1 Stuttgart, Verlag von W. Spemann, 1915.
2 Seit der Niederschrift dieser Zeilen ist Ernst Mach gestorben.
Dr. S. Ferenczi
Zur Psychogenese der Mechanik.
<Kritisdie Bemerkungen über eine Studie von Ernst Mach.)
Von Dr. S. FERENCZI <Budapest>,
Der Psydioanalytiker, weldier der fast einmütigen Ablehnung
seiner Erkenntnisse durch die in ihrer Seelenruhe gestörten
Menschheit einen gewissen Fataiismus entgegenzusetzen geiernt
hat, wird in großen Zeitabständen von gewissen Erfahrungen vorüber-
gehend aus dieser Stimmung aufgerüttelt, Während die tonangebenden
Gelehrten unausgesetzt damit besdiäftigt sind, unsere Wissensdiaft
zum soundsovielten Male zu vernidhten und zu begraben, meldet sidi
bald aus dem fernsten Indien, bald aus Mexiko, Peru oder Australien
ein einsamer Denker, Arzt oder Menschenbeobadhter, und erklärt
sich ais Anhänger Freuds. Noch überraschender ist es, wenn es sich
heraussteilt, daß in unserer nächsten Nähe im stillen ein Psychoana»
lytiker gearbeitet hat und mit dem jahrelang gesammeiten psycho»
analytisdhen Wissen plötzlidi vor die Öffentlichkeit tritt. Am aller*
seltensten kommt man aber in die Lage, in den Werken der aner-
kannten Größen der heutigen Wissenschaft Spuren des psychoana-
lytisdhen Einfllusses oder einen Paralleiismus ihrer Denkrichtung mit
jener der Psychoanalytiker zu entdedcen.
Bei diesem Stande der Dinge wird es wohl jeder verzeihlich
und verständlich finden, daß ich bei der Lektüre des Vorwortes
von Ernst Machs Arbeit: »Kuitur und Mechanik« 1 die, natür-
iidi immer nur notgedrungene, und sdiwer zu ertragende fatalistische
Einstellung für einen Moment wieder falien ließ und midh der optimistL
sdien Idee hingab, in einem der bedeutendsten der jetzt iebenden
Denker und Gelehrten 2 einen Gleichgesinnten begrüßen und verehren
zu können.
Meine — wie sich bald herausstelite — irrige Erwartung wird
mir jeder Psydioanaiytiker nachempfmden, der dieses Vorwort —
dessen Inhait idi hier zum Teiie wiedergebe — liest.
»In der Einieitung der 1883 ersdhienenen ,Mechanik y des Ver-
fassers ist die Anschauung vertreten« — heißt es am Anfange des
Vorwortes—»daß sich die Lehrender Mechanik aus den Erfahrungs-
schätzen desHandwerks durch inteiiektuelie Läuterung ergeben haben.«
»Es bot sich nun die Möglichkeit, noch einen Schritt weiter zu
gehen, indem es meinem in frühester Kindheit mechanisch
sehr veranlagten Sohne Ludwig auf meine Veranlassung ge*
iang, durch immer neu einsetzende Erinnerungsversuche
seine damaiige Entwicklung mit vieien Einzelheiten im
wesentiichen zu reproduzieren, wobei es sich zeigte, daß die
1 Stuttgart, Verlag von W. Spemann, 1915.
2 Seit der Niederschrift dieser Zeilen ist Ernst Mach gestorben.