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Sigm. Freud
einem sdiönen NaAmittag, da alles ruhig im Hause war, trieb idi
im Geräms <der erwähnten gegen die Straße gerichteten Ört(idikeit)
mit meinen Sdiüsseln und Töpfen mein Wesen und da weiter nichts
dabei herauskommen wollte, warf idi ein Geschirr auf die Straße
und freute midi, daß es so lustig zerbradi. Die von Odisenstein,
weldie sahen, wie idi midi daran ergötzte, daß idi so gar fröhlich
in die Händdten patsdite, riefen: Noch mehr! Ich säumte nidit, so-
gleich einen Topf und auf immer fortwährendes Rufen: Noch mehr!
nadi und nach sämtiiche Schüsseldhen, Tiegelchen, Kännchen gegen
das Pflaster zu schteudern. Meine Nachbarn fuhren fort, ihren Bei-
fall zu bezeigen und ich war höchlich froh ihnen Vergnügen zu
machen. Mein Vorrat aber war aufgezehrt, und sie riefen immer:
Noch mehr! Ich eilte daher stradcs in die Küche und holte die
irdenen Teller, welche nun freilidi im Zerbrechen ein noch lustigeres
Schauspiel gaben,- und so lief ich hin und wieder, brachte einen
Teller nach dem anderen, wie ich sie auf dem Topfbrett der Reihe
nach erreichen konnte, und weil sich jene gar nicht zufrieden gaben,
so stürzte ich alles, was idh von Geschirr erschleppen konnte, in
gleiches Verderben. Nur später erschien jemand zu hindern und zu
wehren. Das Unglüdt war geschehen, und man hatte für so viel zer-
brochene Töpferware wenigstens eine lustige Geschichte, an der sich
besonders die schalkischen Urheber bis an ihr Lebensende ergötzten.«
Dies konnte man in voranalytischen Zeiten ohne Anlaß zum
Verweilen und ohne Anstoß lesen,- aber später wurde das analy-
tisdhe Gewissen rege. Man hatte sich ja über Erinnerungen aus
der frühesten Kindheit bestimmte Meinungen und Erwartungen
gebildet, für die man gerne allgemeine Gültigkeit in Anspruch nahm.
Es sollte nicht gleichgültig oder bedeutungslos sein, welche Einzel-
heit des Kindheitslebens sich dem allgemeinen Vergessen der Kind-
heit entzogen hatte. Vielmehr durfte man vermuten, daß dies im
Gedächtnis Erl altene auch das Bedeutsamste des ganzen Lebens-
abschnittes sei, und zwar entweder so, daß es solche Wichrigkeit
schon zu seiner Zeit besessen oder anders, daß es sie durch den
Einfluß späterer Erlebnisse nachträglich erworben habe.
Allerdings war die hohe Wertigkeit solcher Kindheitserinne-
rungen nur in seltenen Fällen offensichtlidh. Meist erschienen sie
gleichgültig, ja nichtig, und es blieb zunächst unverstanden, daß es
gerade ihnen gelungen war, der Amnesie zu trotzen,- auch wußte
derjenige, der sie als sein eigenes Erinnerungsgut seit langen jahren
bewahrt hatte, sie so wenig zu würdigen wie der Fremde, dem er
sie erzählte. Um sie in ihrer Bedeutsamkeit zu erkennen, bedurfte
es einer gewissen Deutungsarbeit, die entweder nachwies, wie ihr
Inhalt durch einen anderen zu ersetzen sei, oder ihre Beziehung zu
anderen, unverkennbar wichtigen Erlebnissen aufzeigte, für welche
sie als sogenannte Deckerinnerungen eingetreten waren.
In jeder psydioanalytischen Bearbeitung einer Lebensgeschichte
gelingt es, die Bedeutung der frühesten Kindheitserinnerungen in
Sigm. Freud
einem sdiönen NaAmittag, da alles ruhig im Hause war, trieb idi
im Geräms <der erwähnten gegen die Straße gerichteten Ört(idikeit)
mit meinen Sdiüsseln und Töpfen mein Wesen und da weiter nichts
dabei herauskommen wollte, warf idi ein Geschirr auf die Straße
und freute midi, daß es so lustig zerbradi. Die von Odisenstein,
weldie sahen, wie idi midi daran ergötzte, daß idi so gar fröhlich
in die Händdten patsdite, riefen: Noch mehr! Ich säumte nidit, so-
gleich einen Topf und auf immer fortwährendes Rufen: Noch mehr!
nadi und nach sämtiiche Schüsseldhen, Tiegelchen, Kännchen gegen
das Pflaster zu schteudern. Meine Nachbarn fuhren fort, ihren Bei-
fall zu bezeigen und ich war höchlich froh ihnen Vergnügen zu
machen. Mein Vorrat aber war aufgezehrt, und sie riefen immer:
Noch mehr! Ich eilte daher stradcs in die Küche und holte die
irdenen Teller, welche nun freilidi im Zerbrechen ein noch lustigeres
Schauspiel gaben,- und so lief ich hin und wieder, brachte einen
Teller nach dem anderen, wie ich sie auf dem Topfbrett der Reihe
nach erreichen konnte, und weil sich jene gar nicht zufrieden gaben,
so stürzte ich alles, was idh von Geschirr erschleppen konnte, in
gleiches Verderben. Nur später erschien jemand zu hindern und zu
wehren. Das Unglüdt war geschehen, und man hatte für so viel zer-
brochene Töpferware wenigstens eine lustige Geschichte, an der sich
besonders die schalkischen Urheber bis an ihr Lebensende ergötzten.«
Dies konnte man in voranalytischen Zeiten ohne Anlaß zum
Verweilen und ohne Anstoß lesen,- aber später wurde das analy-
tisdhe Gewissen rege. Man hatte sich ja über Erinnerungen aus
der frühesten Kindheit bestimmte Meinungen und Erwartungen
gebildet, für die man gerne allgemeine Gültigkeit in Anspruch nahm.
Es sollte nicht gleichgültig oder bedeutungslos sein, welche Einzel-
heit des Kindheitslebens sich dem allgemeinen Vergessen der Kind-
heit entzogen hatte. Vielmehr durfte man vermuten, daß dies im
Gedächtnis Erl altene auch das Bedeutsamste des ganzen Lebens-
abschnittes sei, und zwar entweder so, daß es solche Wichrigkeit
schon zu seiner Zeit besessen oder anders, daß es sie durch den
Einfluß späterer Erlebnisse nachträglich erworben habe.
Allerdings war die hohe Wertigkeit solcher Kindheitserinne-
rungen nur in seltenen Fällen offensichtlidh. Meist erschienen sie
gleichgültig, ja nichtig, und es blieb zunächst unverstanden, daß es
gerade ihnen gelungen war, der Amnesie zu trotzen,- auch wußte
derjenige, der sie als sein eigenes Erinnerungsgut seit langen jahren
bewahrt hatte, sie so wenig zu würdigen wie der Fremde, dem er
sie erzählte. Um sie in ihrer Bedeutsamkeit zu erkennen, bedurfte
es einer gewissen Deutungsarbeit, die entweder nachwies, wie ihr
Inhalt durch einen anderen zu ersetzen sei, oder ihre Beziehung zu
anderen, unverkennbar wichtigen Erlebnissen aufzeigte, für welche
sie als sogenannte Deckerinnerungen eingetreten waren.
In jeder psydioanalytischen Bearbeitung einer Lebensgeschichte
gelingt es, die Bedeutung der frühesten Kindheitserinnerungen in