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Imago: Zeitschrift für Anwendung der Psychoanalyse auf die Geisteswissenschaften — 5.1917-1919(1919)

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Protze, H.: Der Baum als totemistisches Symbol in der Dichtung
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https://doi.org/10.11588/diglit.25679#0072

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Dr. H. Protze

Zudem wird klar, daß unsere Diditung, gleiah den Phantasien
jenes Neuroti§dien, auch deshalb als totemistisches Gebilde be-
zeichnet werden kann, weil sie eben nidit bloße Phantasie ist,
sondern in wesentlichem und bis in Einzelheiten determiniertem
Zusammenhang steht mit einem das Leben ihres Urhebers be*
herrschenden psychisdien Zwang.

Schließlidt mödite idt nodt auf eine, v/ie mir sdieint bedeutsame,
Besonderheit im Aufbau der Diditung hinweisen. Der Vater-
mörder, der dann von dem Vater-Richter an dem Vater^Baum ge-
opfert wird, ersdieint im ersten Teil der Erzählung als der Retter
des anderen, gleichfalls in Ungehorsam <= Auflehnung) gegen den
Vater befmdlichen Jünglings, und als dessen Erlöser aus dem Banne
des »Patriardien«,- er ersdieint ferner, im Verein mit dem Vater^
Riditer als Held im Befreiungskampfe. In diesen Zügen erinnert
die Dichtung, mutatis mutandis, an jene völkerpsychologisdi so wichtige
Abwandlungsform des primitiven Totemismus, an den Mythus
von der Opferung des Erlösers. Die Ähnlichkeit mit der uns ge*
läufigsten Variation dieses Mythus geht sogar überraschend weit,
denn wir finden, um nur einige Ziige hervorzuheben, auch in
unserer Dichtung die Auferweckung vom Tode durch einen
wohlwollenden Vater=Vertreter <der vorher den freiwilligen Opfer*
tod ausdriicklich gebilligt hat>, ferner das Zusammenwirken mit
diesem an einem großen Erlösungswerk und die schließliche Ver-
klärung.
 
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