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Imago: Zeitschrift für Anwendung der Psychoanalyse auf die Geisteswissenschaften — 5.1917-1919(1919)

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Róheim, Géza: Spiegelzauber
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https://doi.org/10.11588/diglit.25679#0074

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Dr. Geza Roheim

Die Kindheit als
narzißtisches
Lebensalter.

B4

Libido das gesudite Objekt in der Außenweft, im anderen Gesdhlecbte
findet 1 2. Sdion der der Narkissosmythe entnommene Terminus läßt
ahnen, daß die in der zweiten Bntwicklungsstufe herrsdiende psychische
Einstellung audt für den Spiegelzauber ihre Geltung hat. Vor allem
bleibt es Tatsache, daß die autoerotisdie Personifikation im EinzeL
leben durch die der Objektwahl vorausgehende Periode, das Kindes-
alter am vollkommensten vertreten wird ä. Dem entspricht auch
die hervorragende RoIIe, welche das Kind im Spiegelzauber und
Spiegeltabu spielt. Da aber das Tabu die Kehrseite des Magischen
ist 3, so bekommen wir, wenn wir statt des Magischen den Wunsch
einsetzen 4, eine durch die Hemmung des Wunsches entstandene
Phobie 5 6. Mit anderen Worten: verboten werden muß nur das,
worauf sidi unsere Wünsche richten. Dem Verbot des SpiegeL
schauens entspricht der kindlidie Wunsch nach seinem Ebenbilde. Bei
den Hienzen darf man das noch nicht einjährige Kind nicht in den
Spiegel schauen oder es abbilden lassen 1’. In England finden sich
auch in den Kreisen der Gebildeten viele, die es nicht gerne sehen,
wenn der Säugling sich im Spiegel betrachtet 7. In Lincolnshire hatte
eine junge Frau starke Angst, ihr kleines Kind könnte sich zufällig

1 Vgl. S. Freud: Drei Abhandlungen zu Sexualtheorie 1915. Übet' die
narzißtisdie Stufe im Besonderen: S. Freud: Eur Einführung des Narzißmus.
Jahrbudt der Psychoanalyse 1914. VI. 1 — 24. D. s.: Sammlung kleinerer Sdiriften
zur Neurosenlehre 1913. III. 249. O. Rank: Ein Beitrag zum Narzissismus. Jahr*
budi für psydioanalytisdie und psydhopathologische Forschungen. 1911. III.
401—426. Freud: Eine Kindheitserinnerung des Leonardo da Vinci, 1910. 36.
I. Sadger: Ein Fall von multipler Perversion. Jahrbudi 1910. II. 112. Den Zu»
sammenhang zwisdien Narzissismus und Seelenbegriff hat O. Rank nadtgewiesen, der
auch die Spiegelwahrsagung von diesem Standpunkte aus behandelt. O. Rank: Der
Doppelgänger. Imago. 1914. 99—164. Mandie Zitate verdanke idi der freundlidien
Mitteilung des Herrn M. Jellinek <Budapest>. Die Abkürzung F. F. bedeutet
die im ungarisdhen Nationalmuseum aufbewahrte handsdiriftliche Sammlung der
ungarisdten Sektion des internationalen Folkloristisdien Forsdierbundes <FolkIore
Fellows) und der Stadtname daneben den betreffenden Lokalverein. »Ethn.« ist
die »Ethnographia«, <Ung.> das Organ der ungarisdien Geseflsdiaft für Völker»
kunde.

2 Vgl. H. von Hug*Hellmuth: Aus dem Seelenleben des Kindes. Sdiriften
zur angewandten Seelenkunde. XV. 1913. 9.

3 R. R. Marett: The Threshold of Religion 1909. 85. 115.

4 Der große Zauberer vermag durdt seinen bloßen Willen Bäume zu ent»

«’urzeln. Merker: Die Masai 1904. 21. 27. Wenn jemand großes Begehren
nadi irgend einer Obstgattung hat, beschleunigt er damit wirklich ihr Ausreifen.
W. O. Roth: Superstition, Magic and Medizine <North Queensland Ethno-
graphy BuIIetin Nr. 5>. 1903. 27. »Jeder Mensdi hat eine Minute am Tage des
Wunsdtes Gewalt.« J. W. Wolf: Beiträge zur deutsdien Mythologie. 1852.
I. 237. In Hawai tötet der Fluch des Zauberers, R. Neuhauß: Anthropolo»
gisdie Untersudiungen in Ozeanien. Verh. d. Ges. f. Ethn. 1885. 29.

6 Vgl. über das Tabu Freud: Totem und Tabu 1913.

8 I. Thirring-Waisbecker: Zur Volkskunde der Hienzen. Ethnologisdie
Mitteilungen aus Ungarn, 1896. V. 16.

7 W. Hazlitt: Brands Popular Antquities of Great Britain 1905, I. 275.
Es bedeutet Unglüdt, wenn das Kind in den Spiegel sdiaut, solange es nodt nicht
gehen kann. S. O. Addy: Household Tales. 1895, 102. E. M. Leather: The
Folk=Lore of Herefordshire 1912. 113.
 
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