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Dr. Geza Röheim
Wohlgefallen«Die auf dem Körper befindlidie spiegelnde Ober»
fläcbe steht in näherer Beziehung zum Autoerotismus, der sidt nur
unter langsamen Übergängen in den Kultus des vom eigenen Leibe
losgelösten zweiten Icbs, in den Narzissismus umwandeltj. Des-
halb hält man in der Gegend an der Cserta dafür, das Kind er»
blidte sidi eine Zeitlang in den Fingern, könne sidi aber hingegen
im Spiegel oder im Löflfel nidit sehen. In Nagylengyel kann das
Neugeborne, bis man ihm nicht Geld, einen Spiegei oder ein Ei 1 2
in die Hand legt, sidi in der Handfläche sdiauen 3. Von dem Kinde,
das im Traum ladit, sagt man, es spiele mit seinem Sdiutzengel 4.
Der Sdiutzengel entspridit in der Sprache der Psydioanalyse natür-
lidi der narzissistischen Abspaltung. Der Szöreger Volksglaube
meint, mit dem Kinde unterhäft sidi sein Engel, auch dann, wenn
es nicht schläft, sondern auf die Finger sdiauend lacht. Man sagt
dann audi, das Kind spiele mit seinem goldenen Apfel. In Öszent-
ivän spielt das Kind, wenn man es nicht in den Spiegel schauen
läßt, ehe es einen Zahn bekommt, mit dem goldenen Apfei, den
sein Sdiutzengel ihm zeigt,- es lacht dann auf und schaut auf die
Finger 5. Während der Spiegel und der Sdhutzengel die symbolF
sdhen Vertreter des Narzissismus sind, weist das Abwechseln
des goldenen Apfels mit dem Spiegel auf die Rolle, weldhe
der Mutter-Imago in der Entstehungsgeschidite des Narzissismus
1 E. L. Rochholtz: Alemannisches Kinderlied und Kinderspiel aus der
Schweiz. 1857. 318. Zum Blumenstrauß, vgl. Kinder unter einem Jahre soll man
nicht abbilden und nicht bekränzen, ihnen überhaupt keine Blumen geben, sonst
sterben sie bald <RheinIande, Westfafen, Thüringen, Sdilesien, Süddeutsdiland), sie
dürfen nidit an Blumen riechen, sonst verlieren sie den Geruch <Erzgebirge>.
Wuttke: I. c. 394. Das Sterben deutet wohl auf sympathetiscbe Identifibation
mit der dabinwelkenden Blume, das letztere aber auf die Verdrängung der ur»
sprünglich übermäßigen Riecblust, weldie wiederum ein Ableger der anaierotisdien
Triebe zu sein scheint. Vgl. »Sieht abends man bei Liditerschein, Noch in den
Spiegel stolz binein, Schaut reizend wie ein Blumenstrauß, Gifthauchend, Satanas
heraus«. Steiger: Sitten. 139, bei Wander: IV. 693. ex Grimm: Deutscfaes
Wörterbudh. 1899. X. 2226. Blumen gibt man dem Kind in die Hand bei der
Tintensdiau <miroir d'encre). Crooke: Popular Religion and Folklore of Northern
India. 1896. 153, 154.
a Das Ei als Spiegel kommt in einer bogomilisdien Sdiöpfungssage vor.
K. K. Grass: Die russischen Sekten, I. Die Gottesleute oder Chüsten. 1907. 633.
Vergleiche übrigens das Motiv »Rieseneiseele«. Röheim: A külsö lelek es syno»
nimäi a nepmeseben. <Die Außenseele und ihre Synonima im Märdien.) Ethn.
1915. 299. Köhler: Kleinere Schriften zur Märchenforschung. 1898. 57, 158 — 161,
348, 404. Frobenius: Zeitalter des Sonnengottes. 1904 391. Mogk: Das Ei
im Volksbrauch und Volksglauben. Zt. d. V. f. Vk. 1915. 217, 218. J. G. Frazer:
Baldrr the Beautiful. <The Golden Bough. P. VII.) 1913. II. 106, 110, 125,
132, 140.
3 Gönczi: Göcsej. 1914. 142. »Geld« wird natürlich ebenfalls der
spiegelnden Oberflädie halber verwendet, außerdem aber führt eine Assoziations»
reihe von Geld zum Ei, wobei das Mittelglied <Exbremente) der Verdrängung
anheimfällt.
4 L. Kälmäny: Boldogasszony, ösvalläsunk istenasszonya. <»Unsere liebe
Frau«, eine Göttin unserer Urreligion.) 1885. 21.
s L. Kälmäny: Ebenda. 22,
Dr. Geza Röheim
Wohlgefallen«Die auf dem Körper befindlidie spiegelnde Ober»
fläcbe steht in näherer Beziehung zum Autoerotismus, der sidt nur
unter langsamen Übergängen in den Kultus des vom eigenen Leibe
losgelösten zweiten Icbs, in den Narzissismus umwandeltj. Des-
halb hält man in der Gegend an der Cserta dafür, das Kind er»
blidte sidi eine Zeitlang in den Fingern, könne sidi aber hingegen
im Spiegel oder im Löflfel nidit sehen. In Nagylengyel kann das
Neugeborne, bis man ihm nicht Geld, einen Spiegei oder ein Ei 1 2
in die Hand legt, sidi in der Handfläche sdiauen 3. Von dem Kinde,
das im Traum ladit, sagt man, es spiele mit seinem Sdiutzengel 4.
Der Sdiutzengel entspridit in der Sprache der Psydioanalyse natür-
lidi der narzissistischen Abspaltung. Der Szöreger Volksglaube
meint, mit dem Kinde unterhäft sidi sein Engel, auch dann, wenn
es nicht schläft, sondern auf die Finger sdiauend lacht. Man sagt
dann audi, das Kind spiele mit seinem goldenen Apfel. In Öszent-
ivän spielt das Kind, wenn man es nicht in den Spiegel schauen
läßt, ehe es einen Zahn bekommt, mit dem goldenen Apfei, den
sein Sdiutzengel ihm zeigt,- es lacht dann auf und schaut auf die
Finger 5. Während der Spiegel und der Sdhutzengel die symbolF
sdhen Vertreter des Narzissismus sind, weist das Abwechseln
des goldenen Apfels mit dem Spiegel auf die Rolle, weldhe
der Mutter-Imago in der Entstehungsgeschidite des Narzissismus
1 E. L. Rochholtz: Alemannisches Kinderlied und Kinderspiel aus der
Schweiz. 1857. 318. Zum Blumenstrauß, vgl. Kinder unter einem Jahre soll man
nicht abbilden und nicht bekränzen, ihnen überhaupt keine Blumen geben, sonst
sterben sie bald <RheinIande, Westfafen, Thüringen, Sdilesien, Süddeutsdiland), sie
dürfen nidit an Blumen riechen, sonst verlieren sie den Geruch <Erzgebirge>.
Wuttke: I. c. 394. Das Sterben deutet wohl auf sympathetiscbe Identifibation
mit der dabinwelkenden Blume, das letztere aber auf die Verdrängung der ur»
sprünglich übermäßigen Riecblust, weldie wiederum ein Ableger der anaierotisdien
Triebe zu sein scheint. Vgl. »Sieht abends man bei Liditerschein, Noch in den
Spiegel stolz binein, Schaut reizend wie ein Blumenstrauß, Gifthauchend, Satanas
heraus«. Steiger: Sitten. 139, bei Wander: IV. 693. ex Grimm: Deutscfaes
Wörterbudh. 1899. X. 2226. Blumen gibt man dem Kind in die Hand bei der
Tintensdiau <miroir d'encre). Crooke: Popular Religion and Folklore of Northern
India. 1896. 153, 154.
a Das Ei als Spiegel kommt in einer bogomilisdien Sdiöpfungssage vor.
K. K. Grass: Die russischen Sekten, I. Die Gottesleute oder Chüsten. 1907. 633.
Vergleiche übrigens das Motiv »Rieseneiseele«. Röheim: A külsö lelek es syno»
nimäi a nepmeseben. <Die Außenseele und ihre Synonima im Märdien.) Ethn.
1915. 299. Köhler: Kleinere Schriften zur Märchenforschung. 1898. 57, 158 — 161,
348, 404. Frobenius: Zeitalter des Sonnengottes. 1904 391. Mogk: Das Ei
im Volksbrauch und Volksglauben. Zt. d. V. f. Vk. 1915. 217, 218. J. G. Frazer:
Baldrr the Beautiful. <The Golden Bough. P. VII.) 1913. II. 106, 110, 125,
132, 140.
3 Gönczi: Göcsej. 1914. 142. »Geld« wird natürlich ebenfalls der
spiegelnden Oberflädie halber verwendet, außerdem aber führt eine Assoziations»
reihe von Geld zum Ei, wobei das Mittelglied <Exbremente) der Verdrängung
anheimfällt.
4 L. Kälmäny: Boldogasszony, ösvalläsunk istenasszonya. <»Unsere liebe
Frau«, eine Göttin unserer Urreligion.) 1885. 21.
s L. Kälmäny: Ebenda. 22,