Spiegelzauber
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so wird daraus ein »Erdspiegel«. Jeder glänzend polierte Gegen-
stand kann für diesen Zwedr benützt werden 1. Die auf die An-
fertigung des »Erdspiegels« bezüglidie Anleitung des »Höllenzwanges«
weicht von dem bisherigen insofern ab, daß der die Zauberkraft
erteilende Verstorbene hier ein Mann ist. Kapitel LXVII handelt,
»wie man einen Erdspiegel macht, alles in der Erde verborgene
Gut darinnen zu sehen« 2. An einem Freitag muß man, ohne zu
feilschen 3, einen neuen Spiegel kaufen. Man muß ihn im eigenen
Namen 4 im Friedhof auf das Antlitz eines verstorbenen Mannes
eingraben und acht Freitage lang dort lassen. Am neunten Freitag
nehme ihn heraus, geh damit an einen Kreuzweg und lege ihn »in
dreyer Geister Namen« in die genaue Mitte des Kreuzweges. Jetzt
1 Schönwert: Aus der Oberpfalz. 1859. III, 218.
2 Die Schätze gehören natüriidi den Seelen der Unterweit, deshalb bedarf
es für den Spiegel der Kraft einer Seeie. Vgl. A. Bän: A kincskereses a nephit»
ben <Das SÄatzsucben im Voiksglauben.) Ethn. 1915. 28.
3 Eine Erklärung für diese außerordentlidi verbreitete Regef wird ebenfalls
gegeben, »damit dir ihn kein Geist tadeln kann«. Kiesewetter: 463. Wer
handelt, bewertet den Gegenstand, den er kaufen will, geringer, d. h. er setzt dessen
Wert audt objektiv herab Vgi. J. A. E. Köhler: Voiksbrauch. Aberglauben etc.
im Voigtlande. 1867. 364. R. Reichhardt: Die deutschen Feste in Sitte und
Brauch. 1911. 55. Benköczy: Egervideki babonäk. <Aberglauben aus Eger.)
Ethn. 1907. 101. Die Geister, die den gekauften Spiegel tadein kö.mten, sind audi
hier, wie stets, die eiizierten Komplexe des Käufers, für die also die Größe des
gebraditen Opfers den subjektiven <d. h. aiso auch magisdien) \v'ert des Gegen^
standes bestimmt.
4 Besser ais mit den »im eigenen Namen« durchgeführten Ritus kann man
die seelisdie Attitude des Narzißmus kaum dharakterisieren. In diesem Falie ist
der Ritus eher progressiv oder stagnierend, denn der Spiegel wird »im eigenen
Namen« vergraben und dann »in dreyer Geister Namen« am Kreuzweg hingelegt.
Infoigedessen entfäiit das Motiv des Rüdcwärtsgehens. Außer der Regression kann
das Rüdcwärtsgehen audi das Rüdtgängigmadien des Geschehenen bedeuten, z. B.:
Man »kfiegt das Messen«, wenn man nur in einem Schuh fäuft, man kann jedodi
dadurdi vorbeugen, daß man den nämiidhen Weg wieder zurüddäuft. P. Drechsler:
Sitte, Braudi und Volksglaube in Sddesien. II. 1996. 312. Vgl. D. s.: Mitteiiungen
der Geselischaften für schfesisdie Volkskunde. VII. 45. Die Regression ist ja
auch ein Rüdtgängigmachen des intrapsydiisch Gesdiehenen. Das Rüdcwärtsgehen
wird als Zurüdcgehen in den Mutterieib gedeutet von M. Jelfinek: A sarü
eredete. <Ursprung des Schuhes.) 1917. Vgi. Siiberer: Probleme der Mystik und
ihrer Symbolik. 1914. 175. Wenn ein Kindermädchen mit dem Kinde auf
dem Arm rückwärts geht, bevor dasseibe iaufen kann, so iernt das Kind
schwer gehen. Veckenstedt: Wendische Sagen, Märchen und abergiäubisdie
Gebräuche. 1880. 447. Das buigarische Kind darf beim ersten Ausgang
aus dem Hause nicht rcidcwärts hinausschreiten. Strausz: Die Buigaren.
1898. 298. Kinder, die rüdcwärtsgehen, graben zwar nidit sich seibst,
sondern den Eltern das Grab. Drechsler: Sitte, Brauch. I 216. Wuttke: 1, c.
394 ais Anaiogiezauber zu deuten l'st,- dadurch soiien die Eltern auch rüdcwärts-
gehen, d. h. sterben. Vgl, noch: »Wenn ein Anfall von Falisucht auftritt, so
dreht man den Spiegei unt <Wuttke: 334>. Man wiil hier den Doppelgänger, der
sich gewissermaßen »verkehrt« und dadurch den epiieptisdien Anfail hervorgerufen
hat, durch abermaiiges Umkehren in die aiten Bahnen bringen«. Negeiein: Biid,
Spiege! und Schatten im Voiksglauben. Ardiiv für Religionswissensdiaft. V. 29.
D. h., wenn wir die Rolie der Regression im Krankheitsbild der Epilepsie
berüdcsichtigen, so bedeutet das Wenden des Spiegels den Versudi, die Richtung
der Libidoströmung wieder ins Progressive zu wenden.
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so wird daraus ein »Erdspiegel«. Jeder glänzend polierte Gegen-
stand kann für diesen Zwedr benützt werden 1. Die auf die An-
fertigung des »Erdspiegels« bezüglidie Anleitung des »Höllenzwanges«
weicht von dem bisherigen insofern ab, daß der die Zauberkraft
erteilende Verstorbene hier ein Mann ist. Kapitel LXVII handelt,
»wie man einen Erdspiegel macht, alles in der Erde verborgene
Gut darinnen zu sehen« 2. An einem Freitag muß man, ohne zu
feilschen 3, einen neuen Spiegel kaufen. Man muß ihn im eigenen
Namen 4 im Friedhof auf das Antlitz eines verstorbenen Mannes
eingraben und acht Freitage lang dort lassen. Am neunten Freitag
nehme ihn heraus, geh damit an einen Kreuzweg und lege ihn »in
dreyer Geister Namen« in die genaue Mitte des Kreuzweges. Jetzt
1 Schönwert: Aus der Oberpfalz. 1859. III, 218.
2 Die Schätze gehören natüriidi den Seelen der Unterweit, deshalb bedarf
es für den Spiegel der Kraft einer Seeie. Vgl. A. Bän: A kincskereses a nephit»
ben <Das SÄatzsucben im Voiksglauben.) Ethn. 1915. 28.
3 Eine Erklärung für diese außerordentlidi verbreitete Regef wird ebenfalls
gegeben, »damit dir ihn kein Geist tadeln kann«. Kiesewetter: 463. Wer
handelt, bewertet den Gegenstand, den er kaufen will, geringer, d. h. er setzt dessen
Wert audt objektiv herab Vgi. J. A. E. Köhler: Voiksbrauch. Aberglauben etc.
im Voigtlande. 1867. 364. R. Reichhardt: Die deutschen Feste in Sitte und
Brauch. 1911. 55. Benköczy: Egervideki babonäk. <Aberglauben aus Eger.)
Ethn. 1907. 101. Die Geister, die den gekauften Spiegel tadein kö.mten, sind audi
hier, wie stets, die eiizierten Komplexe des Käufers, für die also die Größe des
gebraditen Opfers den subjektiven <d. h. aiso auch magisdien) \v'ert des Gegen^
standes bestimmt.
4 Besser ais mit den »im eigenen Namen« durchgeführten Ritus kann man
die seelisdie Attitude des Narzißmus kaum dharakterisieren. In diesem Falie ist
der Ritus eher progressiv oder stagnierend, denn der Spiegel wird »im eigenen
Namen« vergraben und dann »in dreyer Geister Namen« am Kreuzweg hingelegt.
Infoigedessen entfäiit das Motiv des Rüdcwärtsgehens. Außer der Regression kann
das Rüdcwärtsgehen audi das Rüdtgängigmadien des Geschehenen bedeuten, z. B.:
Man »kfiegt das Messen«, wenn man nur in einem Schuh fäuft, man kann jedodi
dadurdi vorbeugen, daß man den nämiidhen Weg wieder zurüddäuft. P. Drechsler:
Sitte, Braudi und Volksglaube in Sddesien. II. 1996. 312. Vgl. D. s.: Mitteiiungen
der Geselischaften für schfesisdie Volkskunde. VII. 45. Die Regression ist ja
auch ein Rüdtgängigmachen des intrapsydiisch Gesdiehenen. Das Rüdcwärtsgehen
wird als Zurüdcgehen in den Mutterieib gedeutet von M. Jelfinek: A sarü
eredete. <Ursprung des Schuhes.) 1917. Vgi. Siiberer: Probleme der Mystik und
ihrer Symbolik. 1914. 175. Wenn ein Kindermädchen mit dem Kinde auf
dem Arm rückwärts geht, bevor dasseibe iaufen kann, so iernt das Kind
schwer gehen. Veckenstedt: Wendische Sagen, Märchen und abergiäubisdie
Gebräuche. 1880. 447. Das buigarische Kind darf beim ersten Ausgang
aus dem Hause nicht rcidcwärts hinausschreiten. Strausz: Die Buigaren.
1898. 298. Kinder, die rüdcwärtsgehen, graben zwar nidit sich seibst,
sondern den Eltern das Grab. Drechsler: Sitte, Brauch. I 216. Wuttke: 1, c.
394 ais Anaiogiezauber zu deuten l'st,- dadurch soiien die Eltern auch rüdcwärts-
gehen, d. h. sterben. Vgl, noch: »Wenn ein Anfall von Falisucht auftritt, so
dreht man den Spiegei unt <Wuttke: 334>. Man wiil hier den Doppelgänger, der
sich gewissermaßen »verkehrt« und dadurch den epiieptisdien Anfail hervorgerufen
hat, durch abermaiiges Umkehren in die aiten Bahnen bringen«. Negeiein: Biid,
Spiege! und Schatten im Voiksglauben. Ardiiv für Religionswissensdiaft. V. 29.
D. h., wenn wir die Rolie der Regression im Krankheitsbild der Epilepsie
berüdcsichtigen, so bedeutet das Wenden des Spiegels den Versudi, die Richtung
der Libidoströmung wieder ins Progressive zu wenden.