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Imago: Zeitschrift für Anwendung der Psychoanalyse auf die Geisteswissenschaften — 5.1917-1919(1919)

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Reik, Theodor: Vom wahren Wesen der Kinderseele: Dreikäsehoch - zur Psychoanalyse eines Wortwitzes
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https://doi.org/10.11588/diglit.25679#0305

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Äußerungen infantil=erotischer Triebe im Spiele

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annehmen können, einen doch sehr unkindlichen Ausdruck. Zur Kenn-
zeichnung unberechtigten Stolzes paßte ihm der »Neesehoch« besser, der
ein viel abfälligeres Urteil in sich schließt, wobei das »hoch« vom »DreU
käsehoch« mit dem »die Nase hoch tragen« verschmolzen wurde.
Schließlidh wurde dann »dreikäsig« oder »dreikeesig« zu einem Beiwort
mit einem außerordentlich verächtlichen und sdimähenden Klang.

Die neue Bildung erfüllte die ganze Straße mit Freude. Einen
Nachmittag lang hörte man von jedem Kinde die Worte vom »drei-
keesigen Neesehodi«. Auf Befragen gab der Junge an, die ganze Wort-
bildung in Augenblicksschnelle vollzogen zu haben. »Es rutschte mir so
raus«, sagte er wörtlidi.

Infantile Wortbrücken.

Der Traum benützt, wie wir aus vielen Analysen wissen, in seiner
Arbeit oft Assoziationen, welche nur durdi lautliche Ähnlichkeit mit
früheren Gedankengängen verbunden sind. Er ist auch hierin dem kind»
lichen Vorstellungsleben ähnlidi, das unverstandene Wörter an bereits be-
kannte angleicht. Einige Beispiele: Max verstümmelt das Wort Professor,
dessen Bedeutung ihm nicht bekannt ist, und erzählt von einem Profiseur
<Anlehnung an das Max bekannte Wort Friseur). Er erklärt seiner Schwester
mit betonter Überlegenheit, ein Löwe sei immer zahner als ein Tiger
<Angleichung an Zahn). In der Spielschule hat er ein Gedicht »Lob des
Herbstes« gelernt, das er zu Hause auswendig hersagen will, Nach dem
üblichen Lob der guten Früchte, welche der Herbst uns bringt, vernehmen
wir überrasdit den Schluß:

»Menschen, nehmt die Gabel gern,
aber danket audi clem Herrn!«

Unter Gaben kann Max sich wenig vorstellen, doch das Wort
Gabel ist ihm geläufig, Rejk_

Ein durchsichtiges Kinderversprechen.

Ein kleines Mädchen hat irn Gebete die Worte zu sagen: »Maria,
Mutter Gottes, die du bist voller Gnaden.« Sie verspricht sich in charak«
teristischer Weise, welche ihre infantiien Sexualinteressen verrät: »Maria,
Mutter Gottes, die du bist voller Knaben.« Th Reik

Der Gegensinn der infantilen Worte,

Professor Freud hat uns über die Parallele, welche zwisdten dent
Doppelsinn gewisser Worte in antiken und modernen Sprachen und be-
stimmten Eigenheiten der Traumarbeit besteht, Aufklärung gegeben. Es
sdieint mir der Vorsdilag nahezuliegen, die in der Entwiddung begriffene
Kindersprache auf ähnlidie Wortbehandlung, die ja zugleich Sachbehandlung'
ist, hin zu prüfen. Es würde sich dabei insbesondere um Kinder handeln,
die das zweite Lebensjahr noch nicht überschritten haben.

Als kleines, erstes Beispiel möchte ich die Bezeichnung »Aba« bei
meinem, jetzt 20 Monate alten Knaben wählen. »Aba« sagte er sdion
redit zeitlich, wenn er auf den Schoß der Mutter gehoben werden wollte;
aber auch, wenn er von dort wieder auf den Boden wollte, Es war für
 
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