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Imago: Zeitschrift für Anwendung der Psychoanalyse auf die Geisteswissenschaften — 5.1917-1919(1919)

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Freud, Sigmund: Das Unheimliche
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https://doi.org/10.11588/diglit.25679#0308

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298

Sigm. Freud

'PsydhoIogie des Unheimlidien, Psychiatr.^neurolog. Wodrensdhrift 1906
Nr. 22 u. 23). Allerdings muß idi gestehen, daß aus leidit zu erratenden,
in der Zeit liegenden Gründen die Literatur zu diesem kleinen Beitrag,
insbesondere die fremdspradiige, nicht gründlich herausgesucht wurde,
weshalb er denn auch ohne jeden Änspruch auf Priorität vor den
Leser tritt.

AIs Schwierigkeit beim Studium des Llnheimlidien betont
Jentsch mit vollem Redit, daß die Empfindlichkeit für diese Ge-
fühlsqualität bei verschiedenen Menschen so sehr verschieden ange-
troffen wird. Ja, der Autor dieser neuen Unternehmung muß sich
einer besonderen Stumpfheit in dieser Sache anklagen, wo große Fein-
fühligkeit eher am Platze wäre. Er hat schon lange nidits erlebt oder
kennen gelernt, was ihm den Eindruck des Unheimlichen gemacht
hätte, muß sich erst in das Gefühl hineinversetzen, die Möglichkeit
desselben in sich wachrufen. Indes sind Schwierigkeiten dieser Art
auch auf vielen anderen Gebieten der Ästhetik mächtig,- man braucht
darum die Erwartung nicht aufzugeben, daß sich die Fälle werden
herausheben lassen, in denen der fragliche Charakter von den meisten
widerspruchslos anerkannt wird.

Man kann nun zwei Wege einsdhlagen: nachsuchen, welche
Bedeutung die Sprachentwiddung in dem Worte »unheimlich« nieder-
gelegt hat, oder zusammentragen, was an Personen und Dingen,
Sinneseindrüdcen, Erlebnissen und Situationen das Gefiihl des Un-
heimlichen in uns wachruft, und den verhüllten Charakter des LIn-
heimlichen aus einem allen Fällen Gemeinsamen erschließen. Ich will
gleich verraten, daß beide Wege zum nämlichen Ergebnis führen,
das Unheimliche sei jene Art des Schredchaften, welche auf das Alt-
bekannte, Längstvertraute zurückgeht. Wie das möglidi ist, unter
welchen Bedingungen das Vertraute unheimlich, schreckhaft werden
kann, das wird aus dem Weiteren ersiditlich werden. Ich bemerke
noch, daß diese Untersuchung in Wirldichkeit den Weg diber eine
Sammlung von Einzelfällen genommen und erst später die Be-
stätigung durch die Aussage des Sprachgebrauchs gefunden hat. In
dieser Darstellung werde idr aber den umgekehrten Weg gehen.

Das deutsche Wort »unheimlich« ist offenbar der Gegensatz
zu heimlich, heimisch, vertraut und der Sdduß liegt nahe, es sei
etwas eben darum schreckhaft, weiles nicht bekannt und vertraut ist.
Natürlich ist aber nidit alles schredchaft, was neu und nidit vertraut
ist,- die Beziehung ist nidit umkehrbar. Man kann nur sagen, was
neuartig ist, wird leicht schredchaft und unheimlich,- einiges Neuartige
ist schredchaff, durdhaus nicht alles. Zum Neuen und Nichtvertrauten
muß erst etwas hinzukommen, was es zum Unheimlichen macht.

Jentsch ist im ganzen bei dieser Beziehung des Unheimlichen
zum Neuartigen, Nichtvertrauten, stehen geblieben. Er findet die
wesentiiche Bedingung für das Zustandekommen des unheimlidien
Gefiihls in der intellektuellen Unsicherheit. Das Unheimliche wäre
eigentlidi immer etwas, worin matf sidi sozusagen nicht auskennt,
 
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