Der Baum als totemistisdies Symbol in der Diditung
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geistlichen Stand bestimmt, und bezog nodt als Knabe dasjesuiten-
gymnasium zu Znaim, um Ordenspriester zu werden. Er gelangte
audi ohne besondere Zwischenfälle zum Ziele, entsagte jedoch plötzlidi,
ohne zwingenden äußeren Anlaß, in seinem neunundzwanzigsten Jahre
der Priesterwürde, bradh alle Beziehungen zu seinem Orden, wie
auch zu seinen Angehörigen ab und begab sich nadt Amerika, wo
er den Namen Charles Sealsfild annahm. — Dort führte er ein
unstetes Leben, wediselte häufig Wohnsitz und Beruf, hielt sidi
unter anderem längere Zeit inTexas auf, wo er den mißlingenden
Versudi madite, sich als Farmer anzusiedeln, und kehrte 1832 nadt
Europa zurück. — Nadt abermaligen längeren Irrfahrten in England
und Erankreich madite er sich schließlich in der Sdtweiz seßhaft,
nahm aber in der Folgezeit nodi dreimal längeren Aufenthalt in
Amerika, um dann endgültig in die Sdiweiz zurückzukehren und
dort seine Tage zu beschließen. — Verheiratet war Postl nicht.
Qber etwaige sopstige erotische Beziehungen ist nichts bekannt. —
Ein bemerkenswerter Zug seiner vielseitigen literarischen
Tätigkeit ist, neben anderen, seine ausgesprodhene Vorliebe für
Napoleon I. Er redigierte, obwohl Osterreidier, zeitweise in
Neuyork eine Zeitung, die der Propagierung bonapartistisdier
Ideen und Interessen in Ämerika dienen sollte, und trat audh später
zu den in der Sdiweiz lebenden Napoleoniden in Beziehung. —
Wir werden bei einem Manne, den wir, ansdieinend un»
motivierter Weise, sein Vaterland und Vaterhaus, seinen Vaters»
namen — und seinen Beruf als Pater aufgeben sahen, eine stark
negative Einstellung zum Vater vermuten dürfen. Hören wir nun
die Diditung. —
Ein junger Amerikaner, aus dem Norden der Union, der
zwecks Gründung einer Farm in Texas weilt <hierin also ein Eben»
bild des Dichters), unternimmt gegen den Rat eines erfahrenen älteren
Mannes ohne Begleitung einen Ritt in die Prärie und verirrt sidi
dort. Nadi langem Umherreiten gelangt er, inmitten der Wildnis,
an einen sehr großen, alten Baum von majestätisdher Schönheit,
»von dessen mächtigen Zweigen Tausende von Flechten jenes eigen-
artigen, silbergrauen, spanischen Mooses, die wie wallende Greisen-
bärte aussehen, herabhängen«.
Der Baum führt, wie man später erfährt, unter den Ansiedlern
den Namen »Der Patriardi«. — Nachdem der Jüngling dies Natur-
phänomen eine Weile mit ehrfürchtigem Staunen, aber auch mit Be-
klemmung, »mit einem Gefühl, das peinlidier Angst nahe verwandt
ist«, betrachtet hat, eilt er weiter, ohne aber den ersehnten Aus-
weg aus der Prärie finden zu können. Endlich, nadh tagelangem
Umherirren, macht er die peinliche Entdedcung, daß er sich wieder
in unmittelbarer Nähe jenes Baumes, des Patriarchen, befindet,
den er, wie durch einen tückischen Zauber gebannt, fortwährend
umkreist hat. Verzweifelt, bewußtlos bricht er unter demselben
zusammen.
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geistlichen Stand bestimmt, und bezog nodt als Knabe dasjesuiten-
gymnasium zu Znaim, um Ordenspriester zu werden. Er gelangte
audi ohne besondere Zwischenfälle zum Ziele, entsagte jedoch plötzlidi,
ohne zwingenden äußeren Anlaß, in seinem neunundzwanzigsten Jahre
der Priesterwürde, bradh alle Beziehungen zu seinem Orden, wie
auch zu seinen Angehörigen ab und begab sich nadt Amerika, wo
er den Namen Charles Sealsfild annahm. — Dort führte er ein
unstetes Leben, wediselte häufig Wohnsitz und Beruf, hielt sidi
unter anderem längere Zeit inTexas auf, wo er den mißlingenden
Versudi madite, sich als Farmer anzusiedeln, und kehrte 1832 nadt
Europa zurück. — Nadt abermaligen längeren Irrfahrten in England
und Erankreich madite er sich schließlich in der Sdtweiz seßhaft,
nahm aber in der Folgezeit nodi dreimal längeren Aufenthalt in
Amerika, um dann endgültig in die Sdiweiz zurückzukehren und
dort seine Tage zu beschließen. — Verheiratet war Postl nicht.
Qber etwaige sopstige erotische Beziehungen ist nichts bekannt. —
Ein bemerkenswerter Zug seiner vielseitigen literarischen
Tätigkeit ist, neben anderen, seine ausgesprodhene Vorliebe für
Napoleon I. Er redigierte, obwohl Osterreidier, zeitweise in
Neuyork eine Zeitung, die der Propagierung bonapartistisdier
Ideen und Interessen in Ämerika dienen sollte, und trat audh später
zu den in der Sdiweiz lebenden Napoleoniden in Beziehung. —
Wir werden bei einem Manne, den wir, ansdieinend un»
motivierter Weise, sein Vaterland und Vaterhaus, seinen Vaters»
namen — und seinen Beruf als Pater aufgeben sahen, eine stark
negative Einstellung zum Vater vermuten dürfen. Hören wir nun
die Diditung. —
Ein junger Amerikaner, aus dem Norden der Union, der
zwecks Gründung einer Farm in Texas weilt <hierin also ein Eben»
bild des Dichters), unternimmt gegen den Rat eines erfahrenen älteren
Mannes ohne Begleitung einen Ritt in die Prärie und verirrt sidi
dort. Nadi langem Umherreiten gelangt er, inmitten der Wildnis,
an einen sehr großen, alten Baum von majestätisdher Schönheit,
»von dessen mächtigen Zweigen Tausende von Flechten jenes eigen-
artigen, silbergrauen, spanischen Mooses, die wie wallende Greisen-
bärte aussehen, herabhängen«.
Der Baum führt, wie man später erfährt, unter den Ansiedlern
den Namen »Der Patriardi«. — Nachdem der Jüngling dies Natur-
phänomen eine Weile mit ehrfürchtigem Staunen, aber auch mit Be-
klemmung, »mit einem Gefühl, das peinlidier Angst nahe verwandt
ist«, betrachtet hat, eilt er weiter, ohne aber den ersehnten Aus-
weg aus der Prärie finden zu können. Endlich, nadh tagelangem
Umherirren, macht er die peinliche Entdedcung, daß er sich wieder
in unmittelbarer Nähe jenes Baumes, des Patriarchen, befindet,
den er, wie durch einen tückischen Zauber gebannt, fortwährend
umkreist hat. Verzweifelt, bewußtlos bricht er unter demselben
zusammen.