Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Imago: Zeitschrift für Anwendung der Psychoanalyse auf die Geisteswissenschaften — 7.1921

DOI article:
Deutsch, Helene: Zur Psychologie des Mißtrauens
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.28545#0089
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Zur Psychotogie des Mißtrauens

S1

die ihn in fortwährender qualvoller Unsicherheit ieben läßt, immer
Böses argwöhnend, immer in Waffen der Abwehr gegen den Feind,
den er nicht sieht und doch neben siA fühit, in jedem vermutet.
Liberal! suAt. Die Psychoanalyse hat uns gelehrt, daß bei allen
MensAen Triebregungen elementarer Natur bestehen, die das tiefste
Wesen des MensAen sind, alte Impulse, WünsAe, Strebungen,
eingewurzelte Besitztümer der Seele, die im Laufe der Zeiten den
Verdrängungen unterlagen und durA eine im Innern waltende Instanz
in der Zurü&weisung gehalten werden. Ergibt siA nun aus einer
VersAiebung des quantitativen Verhältnisses einzelner Bestandteile
des harmonisA wirkenden Gefüges des unbewußten Seelenlebens
ein Kampf zwisAen einer überwuAernden, naA aufwärts strebenden
Triebregung und der in die Verdrängung zurückweisenden Instanz,
bleibt er andauernd unerledigt, unausgefoAten, so ruft er ständig
im Individuum den Zustand der inneren LInsiAerheit, das Gefühl der
bestehenden Gefahr hervor, die naA Außen projiziert, dem Charakter
das Gepräge des Mißtrauens gibt. GleiAzeitig gelingt es dem
Individuum siA in dieser Form endgültig der Wederkehr des Ver-
drängten zu erwehren.
Bei dieser Annahme stütze iA miA auf die am Fall 1 ana-
lytisA gewonnenen Erfahrungen, bei dem unter analogen Bedin-
gungen, aber im ZeiAen des aktuellen Konfliktes, die Wiederkehr des
Verdrängten das Mißtrauen als passageres Symptom entstehen ließ.
Ein Trieb ist es jedoA, dem sAeinbar besondere Bedingungen
gegeben sind, mit dem Mißtrauen organisAer verknüpft zu werden:
Das ist der Sadismus und die mit ihm verbundene Intensität der
psyAisAen Gefühlsambivalenz.
Dieses wie Freud sagt 3*fundamentale Phänomene der mensA-
liAen Seele, von uns allen konstitutionell mitgebraAte ErbstüA,
begleitet alle Beziehungen auA unseres normalen Daseins.
Wo dieser immanente, im Normalen sAeinbar — ausgegliAene,
aber immer lauernde Ambivalenzkonflikt — durA den mehr ent-
widcelten Sadismus eine Verstärkung bekommt, weiAt das Individuum
dem Konflikte aus, indem es einen Teil desselben, die unbewußte
Feindseligkeit naA Außen projiziert. Darin sind wieder die psyAisAen
Bedingungen zur Entstehung des Mißtrauens als Charaktereigen-
sAaft gegeben. Die projizierte Feindseligkeit wird als eine von außen
gegen das Individuum geriAtete empfunden und vom Mißtrauen
empfangen.
Es sind dieselben Bedingungen, die unter der Voraussetzung
des aktuellen Konfliktes und der mißglückten Verdrängung den Kern
der Zwangsneurose bilden, und siA desselben MeAanismus der
Projektion beim Entstehen des Mißtrauens als Symptom der Zwangs-
neurose bedienen.
In diesem Zusammenhang möAte iA noA einmal auf die
bereits im vorigen erwähnte TatsaAe aufmerksam maAen, daß die
EnttäusAungen an den ersten, vorbildliAen Liebesobjekten der Kind-

Itnago VH/!

6
 
Annotationen