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Internationale
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Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde.
Herausgeber: Norbert Ehrlich.

10. Jahrgang. Wien, 15. März 1918. Nr. 6.

Die Sammlung Otto Messinger.
Von August L. Mayer, Privatdozent und Kustos an der alten Pinakothek (München).

Die Kollektion des Herrn Otto Messingei*) ist das
Ergebnis einer langjährigen Sammeltätigkeit des Be-
sitzers in Italien. Man merkt sehr bald, daß ein ganz
bestimmter Geschmack, eine unbeirrbare Vorliebe für
gewisse künstlerische Epochen den Kunstfreund stets
beim Ankauf geleitet haben. In einer Zeit, wo fast
alle Sammler nur für die Renaissance in Italien Augen
hatten, galt Messingers ganze Liebe dem italienischen
Barock und Rokoko und damit zusammenhängend
der französischen Kunst jener Epochen, ja darüber
hinaus dem lange Zeit hindurch unbeachtet gebliebenen
italienischen und französischen Klassizismus vom An-
lang des 19. Jahrhunderts. Die Gemälde der Sammlung
fesseln sowohl den Kunsthistoriker wegen einer großen
Anzahl wichtiger Stücke berühmter Meister und einer
nicht minder großen Zahl von Arbeiten höchst inter-
essanter fast oder ganz unbekannter Künstler, durch
den sehr aufschlußreichen Einblick, den uns eine Reihe
von Gemälden in die Tätigkeit und in die künstlerischen
Ziele der französischen Maler gewährt, die in den ersten
Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts in Italien, vor allem
m Rom gewirkt haben, als auch den genießenden Kenner
und Kunstfreund durch die hohe Qualität, die eine
Anzahl Meisterwerke von bekannter und unbekannter
Hand besitzen.
Unter den italienischen Gemälden erregt neben den
interessanten Genrestücken von Passerotti und der
außerordentlich malerisch behandelten Giorgioneske
Stimmung und Charakter nachahmenden „Dornen-
krönung Christi“ von Pietro della Vecchia, das lebens-
große Bildnis des berühmten Abenteurers und Günst-
iings der Maria von Medici Concino Concini von Jacopo
da Empoli und der ausgezeichnete „heil. Sebastian“
des Bernardo Strozzi besondere Aufmerksamkeit,
dessen große Qualität es begreiflich macht, daß das
Bild früher van Dyck zugeschrieben worden ist. Neben
einem packenden Bildnis der Donna Olympia Pam-
Phili, die eine so bedeutende Rolle in dem Leben Roms
irn. 17. Jahrhundert gespielt hat, und zwei fesselnden
weiblichen Porträts der Florentiner Schule aus dem
bustermann-Kreis ragt als ein Hauptstück der Samm-
lung das jugendliche Selbstbildnis von Lorenzo Ber-
nini hervor. Zu der überaus sympathischen Katha-
rinenVerlobung des Pietro Novelli gesellen sich die
*) Versteigerung in der Galerie Helbing in München
arri 16. April.

glänzend gemalten Bildnisse des Papstes Alexander VII.
und seines Bruders Mario Chigi von der Hand eines der
besten Porträtmaler jener Zeit, von Baciccia. Von
Luca Giordano sieht man zwei sehr apart und sorg-
fältig komponierte, in malerischer Hinsicht veneti-
anischen Einfluß verratende Bilder aus dem Leiden
Christi. Die Landschaftsmalerei jener Zeit vertritt
vor allem eine größere Arbeit Torregianis und das
Architektur- und Ruinenstück zwei sehr amüsante
Bilder von Codagora und Magliolo. Die süditalie-
nische Stillebenmalerei wird durch einige vortreffliche
Neapolitaner Stücke, vor allem von Ruoppoli und durch
zwei Arbeiten des sonst unbekannten Sizilianers Aj e.l 1 p,
sehr gut repräsentiert. Der Pseudospanier Amorosi,
dessen Werke vielfach lange Zeit hindurch den stolzen
Namen Velasquez getragen haben, stellt sich uns
hier mit einigen sehr charakteristischen Arbeiten vor,
unter denen „Der Winzer“ das beste Bild ist und zu
den glücklichsten Arbeiten des Künstlers überhaupt
gehört. Zum italienischen Rokoko leitet ein höchst
lebensvolles Bildnis des Fra Vittore Ghislandi über.
Aus der Blütezeit des italienischen Rokoko stammt die
von französischer Grazie - erfüllte oberitalienische
Landschaft, als deren Autor Zäis oder Diziani in Be-
tracht kommt, und. das kleine flotte Abendmahlsbild
von Sebastiano Ricci. Die „schlafende- Venus mit
Cupido“ und die „Susanna im Bade“ sind erstaunlich
frische Spät werke Pompeo Batönis, die den Künstler
als einen Hauptvertreter des früheren Klassizismus
in Italien erkennen lassen. Vom Ausgang des 18. Jahr-
hunderts stammt dann das vortreffliche, ebenso lebendig
auf gefaßte wie gut gemalte Bildnis eines Geistlichen,
das früher Goya zugewiesen war und an und für sich
diesem Namen keine Unehre machen würde, jedoch
von einem mir unbekannten italienischen Meister
stammt. Die Bildnisse, die die Sammlung Messinger
von der Hand Gasparo Landis besitzt, gehören alle
schon dem frühen 19. Jahrhundert an und sind durch-
gängig ausgezeichnete Proben von der gediegenen
Kunst dieses bei uns noch zu wenig gewürdigten
italienischen Porträtisten. Neben dem Selbstporträt
fesselt vor allem das Bildnis Canövas, das zu den
schönsten Porträts zu zählen ist, die uns von dem be-
rühmten Bildhauer erhalten sind. Den Beschluß der
italienischen Gemälde bildet ein meisterlich gemaltes
Genrestück von Favretto.
 
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