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Internationale
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Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde,
Herausgeber: Norbert Ehrlich.
10. Jahrgang. Wien, 15. Februar 1918. Nr. 4.

Die Vorläufer der Altertumssammlungen bis zum Schlüsse des
Mittelalters.

Von Hans Lehmann (Zürich).
(1. Fortsetzung.)

Der große Wert gefüllter Schatzkammern für die
Fürsten geht aus Zahlreichen Episoden in Sage und
Geschichte, und ganz besonders klar aus dem Beo-
wulfliede hervor. Denn mit der Höhe der Belohnung
der Helden versicherte man sich der Dienste der besten
unter ihnen. Nicht ohne Absicht nennt König Hroti-
gar seinen Wohnsitz die „j uwelenreiche Schatzburg“,
.wird sein Hochsitz als Gabenstuhl und er selbst als der
freigebige' Spender goldener Armsparigen gepriesen.
Darum gehört die Eroberung eines Schatzes, nament-
lich wenn er von Drachen, Riesen oder Zwergen ge-
hütet wird, zu den größten Heldentaten. So beschließt
Beowulf sein Leben, indem er es einsetzt für die Ge-
winnung eines von einem Drachen gehüteten Gold-
schatzes. Da nun aber niemand mehr lebt, der diesen
zu bewahren, d.h. zu verteidigen vermöchte, wird er mit
den Waffen zu dem toten Helden in den Grabhügel
hineingelegt, „wo er fortan liegt, den Menschen so
unnütz, wie er es früher war“. Bekannter noch ist die
große Bedeutung, die dem Horde des. Zwerges Al-
berich im Nibelungenliede zukommt. Und so weiß
die Überlieferung noch von manch ruhmreichen
Kämpfen um furchtbar gehütete Schätze zu erzählen,
wovon wir diese Beispiele nur anführten, um von ihnen,
nicht über sie zu sprechen. Danach zählten dazu vor
allem Waffen und Rüstungen, ausgezeichnet durch
Kostbarkeit oder altbewährte Unverletzbarkeit im
Kampfe, goldene Arm- und Halsringe, Gefäße sowie
mit Edelsteinen verzierter Schmuck für Männer und
Frauen. Noch klarer wird die Vorstellung von ihnen
durch eine stattliche Zahl mehr oder weniger zufällig
gemachter Funde. Davon sei hier nur des großen
Goldschatzes von 23 Gefäßen, Krügen, Schalen,
Dechern, einem Trinkhorn und einiger anderer Gegen-
stände gedacht, der im Jahre 1790 bei Groß-St.
Niklaus im ungarischem KomitateTorontal aufgedeckt
wurde und später ins Antikenkabinett nach Wien kam,
sowie das 1837 in Petrogasa in Rumänien der Erde
enthobene, bestehend in 22 Gegenständern aus Gold,
zum Teil reich mit Edelsteinen verziert, wovon leider
zehn Stücke gestohlen und vernichtet wurden. Von den
zurzeit im Nationalmuseum in Bukarest aufbewahrtep.
Originalen besitzt das Schweizerische Landesmuseum
erne Auswahl vortrefflich hergestellter Faksimiles als

Geschenk des Verstorbenen Königs Carol. Es kann
nicht befremden, wenn man zwischen den geschicht-
lichen Überlieferungen und diesen Schatzfreunden
eine Brücke zu bauen versuchte, indem man den ersteren
als Schatz Attilas, den letzteren als den des We.st-
gotenkönigs Athanarich (f 25. Jänner 381 in Kon-
stantinopel) ansprach, obschön dafür nur unzureichende
Anhaltspunkte vorhanden sind. Dagegen beweist die
hohe Einschätzung des Goldschmiedes im Wehrgeld
der Gesetze, wie hoch die Germanen von dessen
Kunst dachten. Ähnliche Zuständen begegnen wir auch
im frühen Mittelalter. Im Gegensatz zu den antiken
Tempelschätzen fand in den Goldhörten der Barbaren-
völker das naturhistorisch Merkwürdige und Seltene
ebensowenig Platz wie erkünstelte Spielereien.
Mit der Einführung des Christentums wurde die
Kirche immer mehr zum Mittelpunkt des geistigen Le-
bens und zur Förderin der Künste. Dabei entwickelte
sich das Goldschmiedehandwerk, . dessen Erzeugnisse
immer noch als wertvollster Besitz am eifrigsten ge-
sammelt wurden, zwar zunächst frei, aber stellenweise
in enger Verbindung mit dem Münzwesen. Doch ist es
bezeichnend, daß schon Eligius,., der Münzmeister des
Königs Dagobert, das Hofgut, das ihm sein Herr um
das Jahr 636 schenkte, in.ein Kloster verwandelte, dem
geistlichen Stande selbst beitrat, 641 Bischof von Noyon
wurde und 658 als solcher von Tournai starb. Schon bald
darauf kanonisiert, blieb er der Schutzpatron der Gold-
schmiede. Seine Stiftung aber wurde zu einer Lehr-
stätte der Kunst, und die Arbeiten seiner Schüler, unter
denen die berühmtesten aus Sachsen,. Schwaben und
Friesland stammten, verbreiteten rasch ihren Ruf über
die Klostermauern hinaus, so daß nur der, Kreis von
Künstlern, der sich im. 11. Jahrhundert um Bischof
Bernward von Hildesheim scharte, mit ihnen in
Parallele gezogen werden kann. Inwieweit diese Be-
tätigung und die sich ihr widmenden Meister vollständig
im Dienste der Kirche standen, läßt sich heute nicht
mehr nach weisen;ebenso schwierig ist es, ein Urteil über
die Beschaffenheit der Arbeiten zu profanem Gebrauch
zu gewinnen, weil schon seit Karl dem Großen das Kapi-
tular über die Bestattung „more paganorum“ ■—■ nach
Sitte der Heiden — die Beigaben für die. Toten
verbot.
 
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