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Internationale
«S'amniler^ifunfl
Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde.
Herausgeber: Norbert Ehrlich.
10. Jahrgang. Wien, 1. August 1918. Nr. 15.

Kleinkunst
Der neueste (12.) Band der „Bibliothek für Kunst
hhd Antiquitätensammler“ ist der Kleinkunst in Bronze
gewidmet*); Dr. Frida Schottmüller unternimmt
da den dankbaren Versuch, dem Sammler einen Leit-
faden in die Hand zu geben, der ihm ermöglicht, das
Wesen der Bronzeplastik zu begreifen, jene Eigenart
erfassen, die ihr aus Material und Technik und dem
Zusammenhänge mit monumentaler Kunst und mit
dem Handwerk erwuchs. Dann folgt, wie die Ver-
fasserin allzu bescheiden bemerkt, „eine flüchtige
Übersicht über die Typenbildung der vor- und nach-
christlichen Zeit,“ die dem Sammler besonders emp-
fohlen sei, gibt sie doch in ihrer Gedrängtheit eine
Geschichte der Kleinkunst in Bronze von der ältesten
Zeit bis auf die Gegenwart.
Frau Dr. Schottmüller läßt die Frage offen, ob,
fvie vielfach angenommen wird, die Heimat der Bronze
^wischen Altai und Ural zu suchen ist: die ältesten
Kunstwerke unter den heute bekannten sind, sagt sie,
Jedenfalls nicht in Asien, sondern in den Ländern des
Nils gefunden worden. Bekannt sind uns Bronzen,
deren Entstehung um das Jahr 2000 vor Christi Geburt
fallt. Sechshundert Jahre jünger ist der früheste Hohl-
guß der figürlichen Bildnerei, die Totenstatuette
Kamses II. aus seinem Grabe, die sich im Ägyptischen
Museum in Berlin befindet. In Griechenland galten
Khoykos und Theodoros von Samos als die Er-
finder des Hohlgußes in Bronze, doch sind sie in Wahr-
heit in dieser Technik noch die Schüler des
ältesten Kulturzentrums gewesen. Im letzten Viertel
■Jes 6. Jahrhunderts erst begann die Blütezeit
cer hellenischen Erzbildnereien. Ihre Wiege ist der
Peloponnes. Auf Hageladas von Argos und Pytha-
goras, dem in Unteritalien schaffenden Samier, folgten
Myron, Phidias und Polyklet, die führenden
Meister des 5. Jahrhunderts. Schon in jener Epoche
füllten sich Paläste und Wohnhäuser mehr und mehr
fhit edler Kleinkunst, und nicht nur an den Höfen der
Pergamenischen Könige und der Ptlomäer in Ägypten
^ar man stolz auf solchen Besitz. Die Römer wurden die
krben solcher Traditionen und neben den Kaisern
Katen nun auch reiche Privatleute, wie Mäcenas und
psinius Polio, als Sammler hervor. In den Berichten
Jener Zeit ist zwar bei der Beschreibung solcher Kol-
lektionen hauptsächlich von antiker Monumental-
kunst und kostbaren Raritäten die Rede, aber die
_____
*) Bronze-Statuetten und Geräte von Dr. Frida Schott-
?uller. Mit 123 Abbildungen im Text, Berlin W62, Richard
Varl Schmidt & Co., 1918.

in Bronze.
Ausgrabungen von Pompeji und seinen Nachbar-
Städten haben erwiesen, daß damals auch eine Fülle
bronzener Kleinkunst in Wohnhäusern und Gärten
aufgestellt war.
Im christlichen Mittelalter waren wieder die Gottes-
häuser die wichtigsten Sammelstätten von Kunst-
werken jeder Art. Die Stelle der Votivstatuetten
aber nahmen nunmehr die mannigfaltigen Kultgeräte
ein. Künstlerisches Interesse hat freilich zu ihrer
Anhäufung so wenig beigetragen wie zur Spendung
jener im griechischen Tempel.
Ein zielstrebiges Sammeln im modernen Sinn
begann in Italien im Zeitalter der Renaissance. Be-
richte des 15. und 16. Jahrhunderts, alte Inventare
und Führer geben ein Bild von der plötzlich erwachten
Freude am Sammeln bei Fürsten und reichen Lieb-
habern, bei Gelehrten. In Rom war Papst Paul II.
(1464 bis 1471) der erste namhafte Sammler, der schon
als Kardinal große und kleine Kunstwerke verschiedenen
Materials im Palazzo die Venezia zusammenbrachte.
Sein gefährlichster Rivale war Cosimo Medici, und
unter seinem Einfluß, mehr noch dem der Humanisten
und Künstler, ward auch Florenz ein Mittelpunkt
zielstrebigen Sammelns antiker wie moderner Kunst.
Cosimo ließ durch seinen Sohn Pietro das erste Ver-
zeichnis seiner reichhaltigen Sammlung anlegen, und
in der Folgezeit, unter Lorenzo dem Prächtigen, dann
im 16. Jahrhundert ward sie ständig vermehrt.
Im Rom des 16. Jahrhunderts zeichnete sich das
Haus des Kardinals Rodolfo Pia de Carpi durch antike
Bronzen aus, wie Ulisse Aldrovandi in seinem Statue
die Roma betont und über die in oberitalienischen
Palästen zusammengetragenen Werke antiker und mo-
derner Kleinkunst geben die Notizie des Marcanton
Michiel ausführlich Kunde.
Diesseits der Alpen mag Margarete von Öster-
reich, die Tante Kaiser Karls V. und die Verwalterin
der Niederlande an seinerstatt, die erste gewesen sein,
die neben Gemälden und Kuriositäten Bronzestatuetten
gesammelt hat. Das Inventar ihrer Kollektionen führt
eine Anzahl antiker und moderner auf und läßt er-
kennen, daß Freude an schöner Form bei der Er-
werbung ihrer Kostbarkeiten oftmals den Ausschlag
gab. Das ist im 16. und 17. Jahrhundert diesseits der
Alpen die Ausnahme gewesen. Fürsten und vornehme
Privatsammler interessierten sich lebhafter als für die
Kunst für die wissenschaftlichen Errungenschaften
ihrer Zeit und sammelten neben Gemälden, deren
Thema keineswegs unwichtig erschien, auch Kuriosi-
 
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