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Internationale

Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde.
Herausgeber: Norbert Ehrlich.
10. Jahrgang. Wien, 15. September 1918. Nr. 17.

Die Symbolik im Kunstgewerbe.
Von K. Massinger (München).

Ein kunstgewerblicher Gegenstand hat in erster
Linie dem Zwecke seines Gebrauches zu entsprechen,
dann seiner Form nach dem Materiale Rechnung zu
tragen, aus dem er gebildet wird, und hat eine Orna-
nrentierung zu erhalten, die ebensowohl seinem Zwecke
Ms auch seiner Form gleichmäßig entspricht.
Mit dem Gesagten sind die wesentlichsten Momente
zusammengefaßt, die bei der Komposition eines solchen
Gegenstandes vollste Berücksichtigung finden müssen,
denn der Schmuck, die Dekoration soll die Funktion
seiner einzelnen Teile im Aufbau zum Ausdrucke
bringen. Die äußere Form soll aber auch dem Beschauer
die verschiedenen Beziehungen verraten, in denen der
kunstgewerbliche Gegenstand seiner Bestimmung, der
Art seines Gebrauches nach zur Außenwelt steht.
Wir sehen also der Ornamentik hier eine doppelte
Rolle zuerteilt, einmal hat sie bezeichnend zu sein für
die einzelnen architektonischen Glieder des Ganzen,
ein anderesmal hat sie die Bestimmung des Möbels oder
des Gerätes, ja mitunter selbst dessen Herstammung
anzudeuten.
Ohne Erfüllung der ersten Funktion der Ornamentes
am kunstgewerblichen Gegenstände kann nie und
nimmer von einem Gelingen, von einer befriedigenden
Durchbildung der gestellten Aufgabe die Rede sein;
Was die zweite anbelangt, kann man sich vielleicht auf
die Forderung beschränken, daß die Dekoration den
bezeichneten Momenten wenigstens nicht zuwider läuft.
Gerade aber das Bemühen, durch das Ornament so
yiel Abstraktes zum passenden Ausdruck zu bringen,
vt oft Ursache des Mißlingens der ganzer Komposition,
bei der dann nicht selten vergessen wird, daß ja der
Schmuck vor allem um seiner selbst willen und um zu
schmücken vorhanden sein soll.
Muß auch die doppelte Rolle des Ornamentes wohl
getrennt werden, die es in struktiver und in symbolischer
Hinsicht zu spielen hat, so sind doch Fälle denkbar, in
denen eine Vereinigung beider Funktionen ganz gut
statthaft ist.
Einige Beispiele mögen dies erläutern: Die assyrische
Kunst wendet den heiligen Pinienzapfen oft auch strukti v
als untersten Teil des Sesselfußes an. Während die
griechisch-römische Kunst sowie auch das Mittelalter
die ormamertal-tektonischen Symbole von den hierar-
chischen trennt und an den Metopen, also in Feldern,
die ihrer Art nach ganz neu+ral sind, Stiefköpfe anbringt

und andere auf das Opfer deutende Embleme,, schafft
die assyrische Baukunst Kapitale, woran zusammen-
gewachsene Stierköpfe auch wirklich als tragende Glieder
erscheinen. Die hellenische Kunst erfaßt eben die
Symbole vorzugsweise in struktiv-funktionellefti Sinne
mit möglichst gemilderter Anspielung auf tendenziöse
Bedeutung, die ihnen noch bleibt; der höheren Kunst
weist sie ihre neutralen Felder an, wo sie von der Struktur
und dem nötigen materiellen Dienste unabhängig (sich
frei entfaltet. Diese Regel in der griechischen Kunst
bleibt jedoch nicht ohne Ausnahme, und so sind die
Karyatiden des Erechtheion nicht nur Trägerinnen
des Gebälkes, sondern auch Festjungfrauen, die auf den
Kult der Göttin zu deuten haben.
Die moderne Zeit liebt die Symbolisierung in Hin-
blick auf den Zweck gar sehr, und in dem guten Glauben,
geistreich zu erscheinen, werden vom entwerfenden
Künstler Attribute und Embleme unter das Ornament
gemischt, die wie mit Haaren herbeigezogen erscheinen,
die dessen Schönheit beeinträchtigen und deren Aus-
legung ähnlich wie bei gewissen Bildern und Werken
der Programm-Musik eines erklärenden Textes bedarf.
Es versteht sich wohl von selbst, daß wir hierbei noch
immer eine weitaus höherstehende Gattung von kunst-
gewerblichen Erzeugnissen im Auge haben äls jene,
wo die Form etwas vom Zwecke absolut Verschiedenes
ausspr-icht, wo jener krasseste Unsinn herrscht. Es muß
eben auch hier, wie immer, vor dem Extrem, vor einer
allzuweit gehenden Symbolisierung gewarnt werden.
Weil nun heutzutage diese übertriebene Sucht nach
Symbolisierung noch immer -um sich greift, so sei im
nachfolgenden das Wort über einige Symbole und
Argumente in der Ornamentierung ergiiffen. Dabei
wollen wir unter Ornament im weiteren Sinne auch die
menschlichen Figuren und die Tiergestalten verstanden
wissen, welche, sobald sie zum Schmucke eines Gegen-
standes verwendet erscheinen, ganz den gleichen Ge-
setzen unterliegen, wie das eigentliche Ranken werk,
die Rosetten und Ähnliches.
Durchgehend belehrt uns die Kunstgeschichte, daß
in den blühendsten Kunstepochen die Symbolik eine
untergeordnete Stellung einnahm, und daß die Künstler
solcher Zeiten genug Freude an der schönen Form allein
fanden, ohne daß ihnen noch geistreiche Interpretationen
eines tieferen Sinnes ihrer Werke nötig schienen.
Wurden aber wirklich Attribute angebracht, dann waren
 
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