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Seite 146

Internationale Sammler-Zeitung

Nr. 17

sie leicht und allgemein verständlich. So konnte der
griechische Goldschmied Taten des Herkules oder Szenen
aus der Ilias in seine Schilde treiben, so der Vasen-
maler mit einem anderen Mythenzyklus seine Gefäße
schmücken, denn all das war seinen Zeitgenossen so ganz
verständlich, ein jeder wußte sich so leicht darin zu-
recht zu finden, als stände dies alles im aufgeschlagenen
Buche. Die ganze Mythologie und Sagenwelt in ihrer
klaren Anschauung und Ausdrucksweise war in das
Fleisch und Blut des Volkes übergegangen. Die antike
Religion ist dabei in ihren Göttergestalten und deren Ge-
folge ja so künstlerisch gedacht, daß bis auf den heutigen
Tag ihre Göttertypen als das einfachste Ausdrucks-
mittel betrachtet werden müssen, wenn es sich in der
modernen bildenden Kunst um Symbolisierung geistiger
und körperlicher Eigenschaften handelt.
Diese Typen, sie sind dem auch nur halbwegs-
Gebildeten ja nicht fremd, obwohl uns einige Jahr-
tausende von der griechischen Kulturschon trennen, denn
von Jugend auf haben wir uns damit vertraut gemacht.
In den Schriften der deutschen Klassiker, in den Ge
mälden unserer unmittelbarsten Vorfahren tritt uns die
Mythologie der Römer und Griechen in allgemein
verständlicher Sprache entgegen.
Ein Gleiches läßt sich von den Symbolen der christ-
lichen Kirche nicht sagen, wenn sie uns auch das ehr-
würdigste und heiligste Symbol, das Kreuz, geschaffen
hat, denn die christliche Symbolik ist sehr kompliziert,
ohne besondere theologische Kenntnisse oft ganz
unverständlich und dabei der künstlerischen Durch-
bildung meist wenig günstig. Nur wer in den Mystizis
mus der Kirchenschriftsteller, der schon im alten Testa-
mente reichlich gepflegt wurde, eingedrungen ist, kann
Freude und Verständnis an jenen Beziehungen in Zahlen,
Inschriften, Attributen und figuralen Darstellungen
haben, wie sie an den Architekturen und Geräten des
Mittelalters nachzuweisen sind. Mehr noch, als die
ursprünglichen Autoren selbst wohl dabei dachten
und hineingelegt haben, wurde seither von geistreichen
Interpreten herausgefunden, und die Romantik der
ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts hat daraus einen
förmlichen Kodex gebildet. Da hat alles seinen tiefen
Sinn, seine Beziehung, und wenn die Bildhauer jener
Zeit in ihrem Übermute Fratzengestalten, ja sogar
unanständige Figuren, die wohl am wenigsten in eine
Kirche passen können, an liturgischen Gerätschaften
anbrachten, so war es der Teufel, der, gefesselt von der
Macht der Kirche, hier abkonterfeit wurde und
durch dessen Darstellung dem gläubigen Christen die
Versuchung vor Augen gehalten sein sollte, mit welcher
der Böse ihn stets lauernd umgibt. Mit dem gleichen
Eifer und dem gleichen Scharfsinne mühen sich christ-
liche Symboliker ab, die rätselhaften Tiere auf den
neubabylonischen Seidenstoffen zu deuten und ihnen
höheren Sinn zu unterlegen.
Wir wollen nun die Attribute, wie sie am häufigsten
an kunstgewerblichen Gegenständen vorkommen, einer
kurzen Betrachtung unterziehen, und trennen sie nach
ihrer Beschaffenheit in mehrere Unterabteilungen, je
nachdem menschliche Figuren, Tiere, Pflanzen oder
unorganische Gebilde als Schmuck und gleichzeitig
zur Symbolisierung benützt werden.
Den größten Spielraum läßt die figurale Symbolik
zu. Der tüchtige Bildhauer wird an sich schon durch
die äußere Erscheinung der menschlichen Figur, die er
darzustellen bemüht ist, und ohne Hinzuziehung
gewisser Attribute, seine Ideen zum Ausdrucke bringen.
Allein schon aus der griechisch-römischen Kunst sind
uns unzählige Vorbilder überliefert, an die heute der

Künstler, ohne unfrei zu werden, sich anzulehnen ver-
mag, ohne daß er darum in jene Allgemeinheit und
Leerheit verfallen müßte, welche die mythologischen
Darstellungen des 17. und 18. Jahrhunderts charak-
terisieren. Die griechische Mythologie, eine wahrhaftige
Kunstreligion, hat in ihrer Weise fast alle geistigen und
körperlichen Eigenschaften der Menschen ebenso wie
die Naturerscheinungen personifiziert und dafür einen
künstlerischen Ausdruck, einen bis heute muster-
gültigenTypus geschaffen. Diemenschliche Figur bleibt
in allen Stilperioden die höchste Potenz des Ornamentes
und die Symbolisierung durch sie in den meisten Fällen
die sprechendste und klarste.
Doch auch die Tiergestalt wird ebenso häufig als
zweckliches und struktives Symbol in der Kunst ver-
wendet. Als struktives namentlich am Möbel, um uns
dessen Beweglichkeit zu symbolisieren, wenn Tierfüße
als dessen Stützen benützt werden, wie bei den Kande-
labern, oder wenn der Tierrücken die Form gibt für die
Gestaltung der Sitzmöbel, wie beiden pompejanischen
Bisellien.
In der langen Reihe von Tiergestalten, die im Kunst-
gewerbe als Symbole zur Verwendung kommen, steht
der Löwe als Symbol der Kraft und Großmut obenan.
Der Panther ist der treue Begleiter des bacchischen
Zuges, in hundert Arten hat die Kunst aller Stile ein
kombiniertes Tier zum Greif gebildet, den Hund zum
Symbol der Treue und Wachsamkeit gemacht, den
Delphin zum Zeichen des flüssigen Elementes, den
Hirsch zum Embleme der Jagd, den Schwan zu dem der
Musik gewählt. Alle diese Tiere können, an richtiger
Stelle verwendet, zum verständigen Schmuck d.er
Werke der Kleinkunst dienen. In der bildlichen Dar-
stellung des Pferdes hat die moderne Kunst ein Haupt-
motiv zur Dekoration gefunden.
Auch die Pflanzenwelt bietet dem dekorativen Künst-
ler die reichsten und mannigfaltigsten Motive für sein
Ornament. Das Pflanzenornament funktioniert hier
wieder in doppelter Weise, einmal struktiv, dann ein
andermal zwecklich. In der ersten Eigenschaft sehen
wir den Akanthus und den Blattkelch an Säulen-
kapitälen, an den umgeschlagenen Blättern derKarnieße,
an dem Lorbeerkranz des Wulstes, an den Säulen-
basen, an den Kannelierungen, die von dem B( griff
eines gerieften Pflanzenstammes abgeleitet sind, und
an anderen Baugliedern. In der zweiten Eigenschaft
soll die Pflanze gewisse Ideen, die wir unumstößlich
mit ihrem Vorkommen vereint halten, ausdrücken und
so die Beziehung des von ihr geschmückten Objektes
zu seiner Bestimmung andeuten. Weil aber die Pflanz6
stets in einem bestimmten Materiale im Kunstgewerbe
zur Darstellung gelangt, so muß auch deren Form gegen-
über jener des natürlichen Organismus notwendiger-
weise eine Modifizierung erfahren, das heißt stilisiert
werdeuj und dieses Moment bedingt eine erhöhte Ver-
wendbarkeit gewisser Pflanzenformen bei fast völliger
Ausschließung mancher anderen.
Die Lilie gilt uns als Zeichen der Unschuld, die
Rose als das der Schönheit, die Myrthe und Orangenblüte
dient zur Bezeichn ng des bräutlichen Festes, der Lorbeer
repräsentiert den Ruhm, Weinlaub und Kornähren den
Wein und das Brot — und wer möchte sie alle aufzählen
die verschiedenen Deutungen, welche die Welt der
Blumen erfährt! Für den Künstler bleibt jedoch immer
die erste Frage zu tun: Läßt sich auch diese Blum6
in künstlerisch geeigneter Weise dars+ellen ?
Einer letzten Art der Symbolisierung sei endlich
hier gedachi., und diese findet ihren Ausdruck durch
leblose Attribute, durch Zusammenstellungen von
 
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