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Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde.
Herausgeber: Norbert Ehrlich.

10. Jahrgang. Wien, 1. Mai 1918. Nr. 9.

Vlastimil Hofmann und sein Werk.
Von Dr. Max Weinberg (Wien).

Eine geistreiche Dame, in deren Gesellschaft ich die
vorletzte Ausstellung der Wiener ,,Secession“, jene
der jungen Expressionisten, besuchte, antwortete auf
die Frage, was sie von diesen Künstlern halte:
.„Ich habe eine gute Meinung von ihnen, denn wie
die ausgestellten Handzeichnungen beweisen, können
sie gut zeichnen, doch diese Maler scheinen von uns
eine schlechte Meinung zu haben, wenn sie es wagen,
uns solche Farbklecksereien vorzusetzen.“' Nun, es war
einfach ein Anschlag auf den guten Geschmack des
Wiener Publikums, den eine Reihe von Malern, die
übrigens nicht Mitglieder des Hauses waren, gewagt
hatte und der nicht- geglückt ist. Wir wollen diesen
Seitensprung der „Secession“ nicht nachtragen, weil
wir uns der vielen prächtigen Ausstellungen erinnern,
die uns unter der goldenen Lorbeerkuppel des
Hauses im Laufe der Zeit geboten wurden. Wie dankens-
wert war es, daß die „Secession“ ein Ferment in das
Wiener Kunstleben gebracht hatte und unsere Be-
kanntschaft mit manchem Künstler des In- und Aus-
landes vermittelte, die uns sonst vielleicht entgangen
wäre.
Dazu ist gewiß auch Vlastimil Hofmann zuzuzählen,
der interessante polnische Maler, dessen Bilder jedes-
mal ergreifend wirken. Es war im Jahre 1910, als er in
der „Sesession“ mit drei Bildern hervortrat, deren jedes
er ,-,Madonna“ nannte. Durch die Originalität seiner
Motive - und die koloristische Kraft in der Malweise
hatte ■ er augenblicklich Aufsehen gemacht. Seither
begegnet man ihm nicht bloß dort im Hause der Ver-
einigung bildender Künstler Österreichs, deren Mitglied
er geworden ist, sondern auch in der „Wirtschaftsver-
einigung“ sämtlicher Wiener Künstlergenossenschaften,
die in der „Zedlitzhalle“ ihr Lager aufgeschlagen hat
und in der permanenten Ausstellung polnischer Maler
in der Jaspmirgottstraße nächst dem Stefansplatz.
Hie Österreichische Staatsgalerie hat längst eines seiner
prächt gen Madonnenbilder erworben. Hofmann, der in
Prag im Jahre 1881 geboren wurde, stammt, väter-
licherseits von Tschechen ab, seine Mutter ist jedoch
Polin und als Pole fühlt sich auch unser Künstler mit
seinem ganzen Herzen. Schon im Alter von 7 Jahren
übersiedelte er mit seinen Eltern nach Krakau und er-
hielt später an der dortigen Kunstakademie seine erste
künstlerische Ausbildung, sodann besuchte er durch drei
Jahre in Paris- die Ecole des beaux arts. Jetzt schafft

er wieder in Krakau, doch finden wir ihn ab und zu
auch in Prag, wo einige seiner letzten Bilder entstanden
sind. Prag und Krakau, zwei Städte, so recht zur Mystik
geschaffen! Das „hunderttürmige“, vom Hradschin
gekrönte Prag mit seiner Fülle von historischen Er-
innerungen, und Krakau, wo man 65 Kirchen zählen
soll, die alte Krönungs- und Begräbnisstadt der. polni-
schen Könige, hier wie dort steinalte Bauten Und
stimmungsvolle Plätze, bilden gewiß Quelle und Nähr-
boden für Hofmanns Mystik. Es ist der alte Hang zum
Unbegreiflichen und Mystischen, der allen Menschen
angeboren ist, in uns heimlich lebt und dann und wann
zur Äußerung kommt, namentlich, wenn wir sehen,
wie durch das Exakte, Vernünftige, Realistische doch
nicht alles erklärt werden kann und die Wissenschaft vor
allerletzten Fragen Halt macht und deren Schlußrätsel
der Religion und Mystik überläßt. Eine solche religiöse
Mystik hat unserem Künstler meist den Pinsel
geführt, sie bildet seine Eigenart und ist seinen Werken
aufgeprägt. ! ' ’r .
Seine Madonnen, denen man in den Austeilungen
immer gern begegnet, sitzen am Wiesenrain oder sie
halten nach langer Wanderung in öder Winterland-
schaft an der Straße Rast. Oft ohne Fußbekleidung
und in dürftigster Gewandung, dann wieder sozusagen
im Sonntagsstaat mit Kopfputz und in bunte Umhänge-
tücher eingehüllt, wie es eben der Farbenfreude dieses
Künstlers entspricht. Die Mutter aus dem Volke, denn
■ sie ist unserem Maler- stets das Sinnbild der Madonna,
umklammert in höchster Innigkeit und mit Blicken
überirdischer Freude ihr Kind, welches •'-sich ein ihren
Schoß schmiegt. Andere Kinder haben sich meist
dazugesellt. Arme Geschöpfe in- säuberen, aber zer-
rissenen Kleidchen. In ihren zarten Händen halten
die Kleinen oft ein flammendes Herz-; nicht selten
spielt eines der Kinder oder die Madonna selbst auf einer
Bauernfiedel, ein anderes bläst dazu die Flöte. Mehr
als uns Deutschen ist ja die Musik dem Slaven -ein
Symbol der Mystik. Es kehrt in Hofmanns Bildern
sehr oft wieder. In „Musik 'der Felder“ wandert zum
Beispiel ein alter Bettler, besonders in Kopf und Händen
prächtig-gezeichnet, durch die Flur. Entblößten Hauptes
lauscht er den Klängen der 'Geige, die eine Strohpuppe,
wie sie oft auf den Feldern stehen, spielt. Oder«ist es
am Ende „Freund Hein“, der dem Alten sein letzies
Liedchen spielt ? Unendlich mannigfach-sind die Wale-
 
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