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Internationale
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Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde.
Herausgeber: Norbert Ehrlich.
10. Jahrgang. Wien, 15. Oktober 1918. Nr. 19.

Die Jahrhundertausstellung der Galerie Arnold.
Von Hans Wolff (Dresden).

Seit der deutschen Jahrhundertausstellung in Berlin
lni Jahre 1906 ist es wieder das erstemal, daß die
deutsche Malerei des 19. Jahrhunderts in einem größeren
Zusammenhänge gezeigt wird. Das Thema mußte aus
vielerlei Gründen, wozu die Beschränkung des zur
Verfügung stehenden Raumes gehört, enger gefaßt
werden. Von berufener Seite ist für den leitenden Ge-
danken das Wort geprägt worden: Werden und Ver-
gehen des Impressionismus. Hiermit ist deutlich die
Linie gezeichnet, deren Klarlegung in dieser Ausstellung-
versucht worden ist, unter der Voraussetzung, den
Begriff Impressionismus so weit zu nehmen, daß darin
die Entwicklung der Wirklichkeitsmalerei ihren
Platz hat.
Diese Bestrebungen sind eng verknüpft mit einer
besonderen Betonung und Ausbildung des Farbig-
Malerischen. Die Nazarener und die Deutsch-Römer,
die Vertreter einer Idealmalerei, konnten folgerichtiger-
weise bei der Aufrollung dieses Bildes nur so weit in
Betracht kommen, als sie sich an diesen Aufgaben be-
teiligt haben. Dies ist namentlich in ihren künst-
lerischen Anfängen der Fall, wo es selbstverständlich
lst, daß sie der Beherrschung des Handwerks die größte
Aufmerksamkeit zu wenden. Böcklin, Feuerbach und
Klinger, bei denen das Formale und Dekorative bald
tu den Vordergrund tritt, folgen diesem Wege nicht
s.o weit, wie es Marees und Thoma getan haben. Nament-
lich bei Marees verschmilzt Farbe und Form zu einer
^geahnten Einheit und Schönheit. Thoma. ist bis in
die letzten siebziger Jahre hinein ganz erfüllt von rein
Malerischen Problemen, die ihm in Frankreich durch
Courbet und später durch Scholderer und Viktor
Müller übermittelt worden sind.
Das Schwergewicht wird also auf die andere Gruppe
fallen müssen, die durch Namen wie Dahl, Wasmann,
Blechen, Menzel, Leibi, Trübner, Liebermann und
porinth ganz eindeutig bestimmt ist. Damit ist auch
Irn wesentlichen die Zeitspanne festgelegt, über die
Slch die ausgestellten Werke verteilen, also von un-
gefähr 1825 an bis zum Beginn des neuen Jahrhunderts.
Als Auftakt für das Erscheinen des neuen künstlerischen
Wollens kann die Dresdner Schule gelten, die sich um
Caspar David Friedrich schart. Zwar noch voll roman-
ischen Geistes, bricht aus ihren Schöpfungen doch
Schon das intensivste Naturgefühl hindurch. Die Aus-
wahl des Stoffes und die Darstellung selbst zeugt aber
n°ch nicht von jener Unmittelbarkeit der Anschauung
und Ausführung, wie sie ihr Arbeitsgenosse, der in

Dresden tätige Norweger Joh. Chr. CI. Dahl in seinen
Studien offenbart. Dahl wagt wirklich den ersten
Schritt auf dem Wege zum Impressionismus, indem
er sich mit einer kleinen Papptafel vor die Natur setzt
und darauf in lockerem Farbenauftrag, schnell und
sicher, ganz vom Erlebnis inspiriert, seine Eindrücke
festhält. Hiermit ist der Bann der Ateliermalerei,
unter dem natürlicherweise noch C. D. Friedrich und
Kersting standen, gebrochen, und ein Wasmann in
Hamburg und der Berliner Blechen finden in Dahl
ihren Meister, der ihnen den Weg in die Zukunft weist.
Diese Entdeckergeneration der dreißiger Jahre ver-
mag sich in ihren Werken noch nicht über den neu-
gefundenen Stoff und die neuerworbene Technik zu
erheben. Erst ihren Nachfolgern bleibt es vorbehalten,
innerlich und äußerlich so frei und unabhängig zu
werden, daß die Kunst der malerischen Darstellung
das rein Sachliche übertönt. In den kommenden drei
Jahrzehnten bilden sich nun in Deutschland überall
da, wo ernstlich um die Kunst gerungen wird, Künstler-
gruppen, die unter Führung von Meistern und durchaus
nicht zum Schaden ihrer künstlerischen Eigenart,
unter dem Einfluß der großen französischen Maler
die deutsche Kunst einer reichen Blüte entgegenführen.
In Berlin herrscht ziemlich souverän Menzel, in seinen
Studien aus den vierziger Jahren den Zusammenhang
mit Dahl und Blechen nicht verleugnend. In München
arbeitet eine ganze Schule unter Führung von Schleich
und Lier in Anlehnung an die holländischen .Meister
des 17. Jahrhunderts, die übrigens eine ähnliche Ent-
wicklung durchgemacht hatten und daher wohl in-
stinktiv so nacheifernswert erschienen, und unter dem
Einfluß der Fontainebleauer an einem bis heute noch
geltenden Landschaftsstil. Düsseldorf mit seiner für
die Ausbildung vieler unserer besten Künstler so wert-
vollen Akademie legt den Grundstein zu seinem Weltruf,
und in Frankfurt a. M. wird von ebenfalls in Frankreich
gebildeten Künstlern wie Hausmann, Burger, Schol-
derer eine Kunstwelt auf gebaut, die den selbstbewußten
und doch rheinländisch-frohen Geist dieser gediegenen
Stadt zum Ausdruck bringt.
So weit ist nun der Boden überall lokal vorbereitet,
die große, für ganz Deutschland allgemein gültige
Zusammenfassung kann nun geschehen. Für diese Tat
war München ausersehen, an dem eigentlich seit Beginn
des 19. Jahrhunderts kein deutscher Künstler vorüber-
gegangen ist. Die große kunst- und kulturgeschichtliche
Tradition Münchens gab hier doch den entscheidenden
 
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