Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Seite 176

Internationale Sammler-Zeitung

Nr. 20

schichte, welchen „Läuterungsprozeß der im Jahre 1915
verstorbene große amerikanische Sammler P. A. B.
Widener durchzumachen hatte. Erst von schlechten
Leuten ausgebeutet, dann aber ehrlich beraten, ist
zu er seinem wundervollen Kunstbesitze gekommen.
Widener ließ zwei Prachtkataloge seiner Sammlung
erscheinen, den ersten 1900, den zweiten kurz vor
seinem Tode. Vom letzteren ist aber nur noch der erste
Band, der die flämischen und holländischen Gemälde
enthält, herausgekommen.
Der erste Katalog war an sich schon ein Kunstwerk.
Alle Bilder sind in Heliogravüren auf schwerem ja-
panischen Papier reproduziert. Aber schon alsbald
nach seinem Erscheinen ergab sich, daß er ungeeignet
sei, da sich sofort daraus ersehen ließ, wie schlimm
Widener von gewissenlosen Händlern hintergangen
worden war. Zahlreiche Bilder erwiesen sich als moderne
Fälschungen, deren Farbe noch kaum trocken war,
andere stellten sich als Kopien heraus, noch andere
/Meisterwerke“ waren von Schülern gemalt.
Nun sind aber die Amerikaner, auch wenn sie selber
keine Kennerschaft besitzen, doch schlau genug, um
sofort zu merken, falls sie die Betrogenen sind. Wenn
ihre Schätze in allen Büchern über Kunst totgeschwiegen
werden oder sachverständige Besuchei immer wieder
über dieselben kein einziges lobendes Wort zum Be-
sitzer sagen, während er sie herumführt, dann schöpfen
sie Argwohn. Sie erkundigen sich, schreiben den Autoren
Briefe und fragen, wie kommt es, daß meine Rem-
brandts, Constables oder Delfter Vermeers nicht in
ihren grundlegenden Büchern über diese Meister auf-
genommen sind, worin Sie doch alle Werke dieser
Künstler aufzuführen oder abzubilden behaupten ?
Wenn dann die Autoren rund heraus ihre Meinung
sagen und antworten: Das Original Ihres Constable
hängt bei Pierpont Morgan, dasjenige Ihres Rembrandt
bei einem der Rothschilds in Paris und alle Ihre Ver-
meers sind nicht einmal einen Blick wert, dann gehen

diesem Sammler plötzlich die Augen auf und sie be-
ginnen auch an der Echtheit ihrer übrigen Schätze zu
zweifeln.
Als richtiger Amerikaner hat nun aber Widener
keineswegs den Mut verloren, als er die Entdeckung
machen mußte, daß er an Personen, die bisher sein
vollstes Vertrauen genossen hatten und wie Kinder
des Hauses bei ihm ein- und ausgegangen waren,
Millionen für falsche oder minderwertige Bilder bezahlt
hatte. Trotz seiner mehr als 70 Jahre setzte er mit
fester Hand das Messer an seine Sammlung. Alles,
was der Kritik nicht standgehalten, wurde entfernt
und Neues angekauft, nun aber von zuverlässigen
Händlern und nur noch altbeiühmte unj bekannte
Bilder. Von den 83 holländischen und flämischen
Stücken, die der Prachtkatalog von 1900 verzeichnet,
finden sich im neuen nur noch 23 wieder. Alle sogenann-
ten Memlings, Capelles, Cuyps, van Dycks, Rembrandts,
Metsus, Potters, Ruisdaels, Vermeers, die der Kritik
zum Opfer gefallen waren, wurden entfernt und durch
Stücke von beinahe ausschließlich allererstem Rang
ersetzt. Nun zählt die Sammlung nicht weniger als
fünf Bilder von Frans Hals, drei von Hobbema, sieben
von A. van Dyck sowie zehn von Rembrandt und da-
neben je ein bis zwei Prachtstücke von beinahe allen
anderen Großmeistern der holländischen Schule. Zu-
sammenfassend läßt sich also sagen, daß ein Sammler
zwar weder ein Händler noch ein Kunstgelehrter zu
werden oder zu sein braucht, aber es kann ihm nur zum
Nutzen seiner Sammlung gereichen, wenn er bis zu
gewissem Grade nicht nur fachwissenschaftlich auf
der Höhe ist, sondern auch über den Handel mit Kunst-
werken sowie die Methoden zu ihrer Erhaltung und
Pflege etwas Bescheid weiß. Auf diese drei Gesichts-
punkte ist in Martins Buch besonderer Nachdruck
gelegt worden, weshalb es namentlich werdenden
Sammlern aufs wärmste empfohlen werden darf.


Wiener
Die Stadt Wien, die während des Krieges nie Not-
geld auszugeben sich entschließen konnte, hat sich
jetzt, wo der Krieg zu Ende geht, durch den herrschen-
den Mangel an Banknoten veranlaßt gesehen, Notgeld
zu emittieren. Sie gibt Kassenscheine zu K 5—, 20—,
50—- und 100— aus, und zwar werden die Fünfkronen-
scheine den Anfang machen. Interessant ist, daß Wien
auf den Scheinen nicht mehr als „Haupt- und Residenz-
stadt“, wie bisher, sondern bloß als „Stadtgemeinde“
bezeichnet ist. Die Scheine zeigen verschiedene Größen,
die Fünfkronenscheine sind etwa so groß wie die Zehn-
kronenbanknoten. Je größer der Wert, desto größer
werden die Kassenscheine, die aus holzfreiem Doku-
mentenpapier hergestellt werden, und auf grauem
Wellengrund in schwarzer, violetter und anderen Farben
die Wertbezeichnung sowie den Text enthalten, der
von Randleisten umgeben ist.
Die Aufschrift auf den Fünfkronenscheinen lautet:
„Kassenschein der Stadtgemeinde Wien über fünf
Kronen. Die Gemeinde Wien haftet für diese Verbind-
lichkeit mit ihrem ganzen beweglichen und unbeweg-
lichen Vermögen.“ Folgen die Unterschriften, und zwar
in der Mitte der Bürgermeister, links einer der drei
Vizebürgermeister, rechts einer der vier ältesten Stadt-
räte. Auf den Fünfkronenscheinen zeichnen Vizebürger-

Notgeld.
meister Hierhammer und Stadtrat Leopold Tomola.
Die Rückseite der Kassenscheine enthält folgenden
Text: „Kassenschein der Stadtgemeinde Wien. Durch
die augenblickliche Bargeldnot gezwungen, gibt die
Gemeinde Wien auf Grund des Gemeinderatsbeschlusses
vom 25. Oktober 1918, P. Z. 10.540, zur Erfüllung
ihrer Bar Zahlungsverpflichtungen Kassenscheine bis
zum Gesamtbeträge von 50 Millionen Kronen aus.“
Der weitere Text betrifft die Einlösetermine (vom
1. Jänner bis 28. Februar) und den Hinweis: „Die
Nachahmung dieser Kassenscheine wird gesetzlich
bestraft.“
Die Fünfkronenscheine sind mit schwarzer Farbe
gedruckt, die Zwanzigkronenscheine mit violetter, die
Hundertkronenscheine in blauer Farbe. Die Scheine
zeigen verschiedene Ornamente, den Stadtadler, Lor-
beerkränze, umrahmte Wertziffern, den Kopf der
Vindobona, Festons usw. Sie werden unter Aufsicht
einer Anzahl von Beamten der Stadtbuchhaltung ge-
druckt. Man rechnet damit, daß mindestens eine
Million des Kriegsgeldes in den Händen der zahlreichen
Sammler verschwinden wird, die seit Beginn des Krieges
alle Sorten von Kriegsgeld, Marktgeld und Lagergeld
(aus den Kriegsgefangenenlagern) sammeln und als
Erinnerung an den Weltkrieg aufbewahren.
 
Annotationen