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Jahrbücher für Kunstwissenschaft — 4.1871

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Thausing, Moritz: Ueber den Anonymus der linkshin gewandten Profilköpfe: offener Brief an den Herausgeber
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https://doi.org/10.11588/diglit.49880#0360

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348 Ueber den Anonymus
zu halten und sieht man sich genöthigt den Namen des grossen Meisters
aufzugeben, dann sucht man wenigstens den äussern Zusammenhang mit
demselben nach Möglichkeit zu wahren und findet darin eine Entschul-
digung des früheren Irrthums. Die neue Parole lautet dann, das Werk
sei allerdings nicht von dem bisher genannten Meister, aber diesem doch
so stilverwandt und überhaupt so vortrefflich, dass es des Meisters wohl
würdig wäre. Die Entgegenhaltung eines solchen zum Theil subjectiven
Gesclimacksurtheiles kann den Angreifer leicht lahmlegen, und wenn er
klug ist, geht er nicht weiter darauf ein, sondern überlässt das üebrige
den heilsamen Wirkungen der Zeit.
So begnüge denn auch ich mich bei jenen Pseudo-Dürerzeichnungen
vollständig mit Ihrem Resultate, dass „an Dürer selbst zu denken kein
Grund vorliege“ und dass ohne äussere Gründe Niemand darauf ver-
fallen wäre, ihm dieselben zuzuschreiben, also auch weder Sie noch ich.
Wenn Sie dabei Dürer blos als „einen bestimmten Namen aus der grossen
Menge tüchtiger Kräfte“ kennzeichnen, muss ich freilich eingestehen, dass
ich bisher dieser Schaar von Dürer Ebenbürtigen nicht auf die Spur ge-
kommen bin; doch ich erkläre dies blos deshalb, damit mein Stillschweigen
über diesen Passus nicht etwa als Zustimmung gedeutet werden könnte.
Nach wie vor lebe ich ja der Ueberzeugung, dass es bei aller Strenge
gegen Dürer, und bei aller Milde für den neuen Anonymus nimmer ge-
lingen werde, die Beiden in eine Linie zu bringen. Haben Sie mir nur
Dürern losgegeben, dann sollen Sie mich in allem andern was nunmehr
blos den „Anonymus der linkshin gewandten Profilköpfe“ betrifft, sehr
nachgiebig finden, so viele Hände und so viele Schriften Sie auch immer
an denselben unterscheiden mögen.
Ich sprach blos von der sogenannten Kanzleischrift des vorigen
Jahrhundertes in den Namenaufschriften, bezweifelte deren Richtigkeit
und erwies an einigen schlagenden Beispielen die Unmöglichkeit ihrer
Zulassung.
Sie nahmen die Sache viel genauer vor, wiesen eine Anzahl der
Berliner Aufschriften gar dem 19. Jahrhundert zu und gestanden ein,
dass die grössere Hälfte der übrigen Namen aus Dürer’s Tagebuch der
niederl. Reise herausgeschrieben und somit gleichfalls gefälscht sei, während
Sie für den Rest ein höheres Alter beanspruchen. Dieser gründlichen
Unterscheidung gegenüber bekenne ich allerdings blos ein sehr unbe-
stimmtes Urtheil nach dem beiläufigen Durchschnitt gefällt zu haben.
Nun ein Zusammenwerfen der von Ihnen unterschiedenen Namensschriften
lag wohl um so näher, als dieselben gar nicht in einer Handschrift ge-
 
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