AACHEN.
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ßefehdung drohte, welche bisher den Aufschwung nicht zu hemmen vermochte. Es hatte
damals 27 Kirchen und Capellen und 21 Fontainen.95 Kaum ist in einer deutschen Stadt
mit solcher hartnäckigen Erbitterung gegen die Reformation gekämpft, mit solchem dauern-
den Widerstande ihre Verhinderung versucht worden. Dieser sich durch Menschenalter hin-
ziehende Zwiespalt der religiösen Bekenntnisse96 verbunden mit bürgerlichem Aufruhr97 und
Krieg, den Scheiterhaufen der Wiedertäufer, Geisseibrüdern, Pest, Achtserklärungen98 und aber-
mals Brand99 und Unruhen aller Art gewährt kein erfreuliches Bild mehr. Die mit bur-
gundischem Glänze und Reichlhum vollzogenen Krönungen Maximilian^ I. und Carl's V. wer-
fen zum letzten Male ein Streiflicht auf die Pfalz Carl's des Grossen. Denn obgleich Carl IV.
in der goldnen Bulle Aachen als Krönungsstadt bestätigt hatte, so wurden diese doch von
nun an zumeist in Frankfurt vollzogen.100
Das jetzige Aachen, zuletzt noch berühmt durch die Congresse ränkesüchtiger Diplo-
maten, und für immer geschätzt durch seine Thermen, hat kaum zu erhalten gewusst, was
der Sturm der Zeiten aus seinen drei grossen Perioden ihm unversehrt Hess. Wir meinen
nicht die Beraubungen unter den schwachen Carolingern, nicht die vermeintliche Beraubung
des Grabes durch Otto III.10 *, nicht die Wegführung einzelner Reliquiare durch Heinrich IV.102,
sondern die Verstümmelung des Octogons durch die letzten zopfigen Anbauten und jene wüsten,
die alten Mosaiken vertilgenden Rococorestaurationen des Innern; wir meinen jene recht-
lose Entfernung und Zurückhaltung der Krönungsinsignien zu Wien103, jene demüthigen Ge-
schenke an die Kaiserin Josephine104, jene Entfernung des Grabmals Otto's III., jenes Ver-
schwinden seines alten Chors, seines metallenen Muttergottes-Altares, des Dreikönigenleuchters,
des Grabmals des Ritters Chorus.105 Der herrliche Schatz, der uns gerettet blieb und mit
95. Noppius p. 16.
96. Noppius 175—185. Meyer 451.
97. Noppius 169 sq. Lac. IV. 187 und 247.
98. Noppius 208 und 214. Lac. IV. 521. Meyer 324 und 468.
99. Kurtze und wahrhaffte Erzehlung der uhralten und weltberühmten kaiserl. Reichsstadt Aach Ur-
sprung etc. welche nunmehro aus einer erschrecklichen Feuersbrunst in Asche gelegt 1656.
100. Maximilian II. ward zuerst in Frankfurt gekrönt, dann Rudolf II. u. s.w. Meyer p. 461 sq.
Ueber die beiden letzten Krönungen in Aachen s. d. Anonymus bei Freher III. p. 30 für
Maximilian I., und Hartmann Maurus 1550 in Cöln erschienene coronatio für Carl V.
101. Vergl. Text zu Taf. XXXVII.
102. Die von Heinrich IV. (Anmerk. 74) entführten Reliquien befinden sich wieder in Aachen.
103. Kaiser Sigismund gab die Krönungsinsignien widerrechtlich der Stadt Nürnberg in Verwahr, und
die drei in Aachen gebliebenen Stücke, nämlich das Schwert, das Evangelienbuch und das
Kästchen mit der Erde des heiligen Stephanus, wurden 1798 geflüchtet und in Paderborn
dem Kaiser Franz anvertraut und bis heute nicht zurückgegeben.
104. Die Stadt Aachen schenkte der Kaiserin nach Schervier, Die Münsterkirche zu Aachen. 1853.
p. 46, ein Muttergottesbild, 21/2// hoch und 2" breit, mit der Umschrift: hanc imaginem
fecit S. Lucas evang. ad similitudinem R. M. und ein rundes goldenes mit Steinen besetztes
3" im Durchmesser zählendes Reliquiar mit Haaren der Muttergottes.
105. Das 1803 verschwundene Denkmal Otto's III., bereits erwähnt Anmerk. 70. Nolten, Archäol. Re-
schreib, d. Münsterk. p. 10, und Quix, Reschreibung. p. 20 erwähnen, der alle messingene
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ßefehdung drohte, welche bisher den Aufschwung nicht zu hemmen vermochte. Es hatte
damals 27 Kirchen und Capellen und 21 Fontainen.95 Kaum ist in einer deutschen Stadt
mit solcher hartnäckigen Erbitterung gegen die Reformation gekämpft, mit solchem dauern-
den Widerstande ihre Verhinderung versucht worden. Dieser sich durch Menschenalter hin-
ziehende Zwiespalt der religiösen Bekenntnisse96 verbunden mit bürgerlichem Aufruhr97 und
Krieg, den Scheiterhaufen der Wiedertäufer, Geisseibrüdern, Pest, Achtserklärungen98 und aber-
mals Brand99 und Unruhen aller Art gewährt kein erfreuliches Bild mehr. Die mit bur-
gundischem Glänze und Reichlhum vollzogenen Krönungen Maximilian^ I. und Carl's V. wer-
fen zum letzten Male ein Streiflicht auf die Pfalz Carl's des Grossen. Denn obgleich Carl IV.
in der goldnen Bulle Aachen als Krönungsstadt bestätigt hatte, so wurden diese doch von
nun an zumeist in Frankfurt vollzogen.100
Das jetzige Aachen, zuletzt noch berühmt durch die Congresse ränkesüchtiger Diplo-
maten, und für immer geschätzt durch seine Thermen, hat kaum zu erhalten gewusst, was
der Sturm der Zeiten aus seinen drei grossen Perioden ihm unversehrt Hess. Wir meinen
nicht die Beraubungen unter den schwachen Carolingern, nicht die vermeintliche Beraubung
des Grabes durch Otto III.10 *, nicht die Wegführung einzelner Reliquiare durch Heinrich IV.102,
sondern die Verstümmelung des Octogons durch die letzten zopfigen Anbauten und jene wüsten,
die alten Mosaiken vertilgenden Rococorestaurationen des Innern; wir meinen jene recht-
lose Entfernung und Zurückhaltung der Krönungsinsignien zu Wien103, jene demüthigen Ge-
schenke an die Kaiserin Josephine104, jene Entfernung des Grabmals Otto's III., jenes Ver-
schwinden seines alten Chors, seines metallenen Muttergottes-Altares, des Dreikönigenleuchters,
des Grabmals des Ritters Chorus.105 Der herrliche Schatz, der uns gerettet blieb und mit
95. Noppius p. 16.
96. Noppius 175—185. Meyer 451.
97. Noppius 169 sq. Lac. IV. 187 und 247.
98. Noppius 208 und 214. Lac. IV. 521. Meyer 324 und 468.
99. Kurtze und wahrhaffte Erzehlung der uhralten und weltberühmten kaiserl. Reichsstadt Aach Ur-
sprung etc. welche nunmehro aus einer erschrecklichen Feuersbrunst in Asche gelegt 1656.
100. Maximilian II. ward zuerst in Frankfurt gekrönt, dann Rudolf II. u. s.w. Meyer p. 461 sq.
Ueber die beiden letzten Krönungen in Aachen s. d. Anonymus bei Freher III. p. 30 für
Maximilian I., und Hartmann Maurus 1550 in Cöln erschienene coronatio für Carl V.
101. Vergl. Text zu Taf. XXXVII.
102. Die von Heinrich IV. (Anmerk. 74) entführten Reliquien befinden sich wieder in Aachen.
103. Kaiser Sigismund gab die Krönungsinsignien widerrechtlich der Stadt Nürnberg in Verwahr, und
die drei in Aachen gebliebenen Stücke, nämlich das Schwert, das Evangelienbuch und das
Kästchen mit der Erde des heiligen Stephanus, wurden 1798 geflüchtet und in Paderborn
dem Kaiser Franz anvertraut und bis heute nicht zurückgegeben.
104. Die Stadt Aachen schenkte der Kaiserin nach Schervier, Die Münsterkirche zu Aachen. 1853.
p. 46, ein Muttergottesbild, 21/2// hoch und 2" breit, mit der Umschrift: hanc imaginem
fecit S. Lucas evang. ad similitudinem R. M. und ein rundes goldenes mit Steinen besetztes
3" im Durchmesser zählendes Reliquiar mit Haaren der Muttergottes.
105. Das 1803 verschwundene Denkmal Otto's III., bereits erwähnt Anmerk. 70. Nolten, Archäol. Re-
schreib, d. Münsterk. p. 10, und Quix, Reschreibung. p. 20 erwähnen, der alle messingene