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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 32.1916-1917

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Beth, Ignaz; Jaeckel, Willy [Ill.]: Willy Jaeckel
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https://doi.org/10.11588/diglit.13746#0168

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WILLY JAECKEL

Von Ignaz Beth

Es ist ein alter Gegensatz, der zwischen den
zwei Kunstrichtungen besteht und dem-
gemäß auch die Kunstliebhaber von einander
trennt: jener zwischen der formalen und der
inhaltlichen Kunst. Neigten seit jeher, seit
Jahrhunderten, die Romanen zur Betätigung
der ersten, so sind es wieder die Germanen
gewesen, die ihnen die Wage hielten; einem
Raphael konnte Deutschland Dürer entgegen-
halten, den großen Barockkünstlern Italiens
stand ein Rembrandt gegenüber und im neun-
zehnten Jahrhundert blieb diese Spaltung weiter,
wenn auch — durch den gegenseitigen Aus-
tausch der Kunstübung — nicht alles so klar
lag. Aber der große Gegensatz: Cezanne und
Van Gogh, was bedeutet er denn anderes, als
eben jene Gabelung der Kunstbestrebungen
nach der formalen und inhaltlichen Seite hin?
Der Impressionismus, und sein letzter Ausdruck,
Cezanne, geht von der — flüchtigen — Er-
scheinung der Dinge, von ihrer Farbe, aus,
wogegen der germanische Zug, der doch in
Van Gogh steckt, das Bild nach den Ausdrucks-
möglichkeiten, sei's der Farbe, sei's der Linie,
organisiert und alle Werte in den Dienst des
Ausdrucks stellt, sie nach Bedarf unterdrückt
oder steigert. Nur so läßt sich ein Künstler,
wie Grünewald, erklären, nur von dieser Seite
kann man ihm überhaupt beikommen, und ihn
als notwendige Folge der vorhergehenden Ent-
wicklung der deutschen Kunst ansehen.

Diese etwas weit ausholende Einleitung war
notwendig, um eine Erscheinung, wie die
Jaeckels, richtig einzureihen. Er knüpft —
wahrscheinlich sich selbst unbewußt — an die
deutschen Zunftmaler des Mittelalters an, an
jene still verzückten „Handwerker", die, un-
bekümmert um die Wunderwerke der welschen
Länder, in Glasfenstern ihre religiöse Inbrunst
aussprachen, die, gleichsam stammelnd, in un-
beholfenen Holzschnitten der Andacht zu dienen
vermeinten, wenn sie jeden Strich mit Ge-
fühl durchtränkten, jede Landschaft liebevoll
schilderten, jeden Baumstamm belebten und
noch dem dünnsten Wasserlauf ihre Liebe
schenkten. Es ist fraglich, ob Jaeckel diese
alten Bilder und Blätter kennt, ob er sie je-
mals zu Gesicht bekam; aber es scheint, daß
die verborgenen Kräfte, die die Kunsterschei-
nungen regieren, ihn zum Nachfolger der alt-
deutschen Malerei machen, daß sie die tiefe
Lyrik seiner Bilder bewirken, ihre Inbrunst

und ihre Kraft. Jaeckel ist noch sehr jung,
keine dreißig Jahre alt, deswegen ist alles bei
ihm noch im Werden, aber die Richtung, die
er eingeschlagen hat, ist schon sehr deutlich
zu sehen, und deswegen ist es wohl nicht zu
früh, sich schon jetzt mit seinem Schaffen zu
befassen. Die Ausstellung seiner graphischen
Arbeiten im Graphischen Kabinett und der
vier großen Wandbilder für Bahlsens Fabrik
in der Berliner Secession bieten dazu will-
kommene Gelegenheit. Wurde er schon in
früheren Ausstellungen oft genannt und ge-
lobt, so ist er jetzt auf einmal einer der Ge-
nanntesten geworden.

Der Künstler hat die großen Kartons, die
einen Raum zu schmücken bestimmt sind,
nicht näher benannt, er überläßt es dem Be-
schauer, die Titel dafür zu finden. Es ist be-
zeichnend, daß man dies als Mangel gar nicht
empfindet: so klar sprechen die Bilder für
sich selbst. Was wir sehen, scheinen Kapitel
aus einem mächtigen Epos zu sein, in dem
Menschen, Städte, Bäume, Berge leben und
mitwirken, wie in alten Fabeln und Sagen.
Ein junger Mensch kommt auf seiner Wande-
rung an einen breiten Fluß, hinter dem sich
eine vieltürmige Stadt, wie ein Felsgebilde,
auf Hügeln ausbreitet. Ein frischer Wind weht
ihm um den schlanken Körper, er preßt sich
den Hut in die Stirne, wie unbewußt, voll
innerer Entzückung über diesen berauschenden
Anblick. Ein anderes Bild: Derselbe Jüng-
ling hat nach langer Wanderung am Fuß eines
Baumes Rast genommen, müde stützt er seinen
Kopf in die Hand und versinkt in elegisches
Träumen über die vor ihm ausgebreiteten
Berggipfel hinter einem See. Wieder ein anderer
Traum: Derselbe junge Held überläßt voll
Innigkeit seine Hand einem jungen Weibe,
das weltverloren sie an seine Wange preßt.
Ein wundervoll erschautes Symbol der Liebe,
an die der Mann sich nicht restlos hingibt,
sondern die den Sturm in seinem Herzen be-
schwichtigt und bändigt. Und dann ein letztes:
Im herbstlichen Walde ruht dieselbe Frau,
müde von der Arbeit, eingeschlummert in
einer unbequemen Lage, und an ihre Beine
gelehnt schläft ihr Kind. Jaeckel arbeitet
mit den einfachsten Mitteln, er beschränkt die
Farbe auf einige Grundtöne, die er dann un-
bedenklich wiederholt, ein Schwarzgrau für die
Bäume, ein Braunrot für den Boden, ein Fleisch-

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