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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 32.1916-1917

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Beth, Ignaz: Die Ausstellung der Berliner Secession
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Neue Kunstliteratur
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https://doi.org/10.11588/diglit.13746#0176

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Ueberhaupt scheint die Landschaft keine
starke Seite der Ausstellung zu sein; es gibt
hier kaum große Ueberraschungen. Man kennt
schon längst diese Waldwiesen von Frank
und das sich im Schilf tummelnde Geflügel
von Pottner, auch Strathmann bleibt sich
ewig gleich und wieder ist es ein Gast aus
München, die Caspar-Filser, welche unsere
Aufmerksamkeit länger zu fesseln vermag,
oder zwei prächtige Thomas, ein früher und
ein ganz später, die zu interessanten Vergleichen
herausfordern. In der kecken Buntheit erinnert
Paeschkes Spielplatz an j. Goossens.

Die Plastik wurde auch diesmal — trotz
der späten Jahreszeit — zum großen Teil in
den Garten gestellt, voran das Heinedenkmal
für Hamburg von Lederer. Die Rüdiger-
Figur von Metzner daneben verträgt sich
nicht gut damit durch ihre vorgeschichtlich
monumentale Wucht, die vielleicht am Be-
stimmungsort, am Nibelungen-Brunnen im Vor-
hof der deutschen Galerie in Prag, ganz an-
ders zur Geltung kommen wird als im schma-
len Hof eines Berliner Kurfürstendamm-Gar-
tenhauses. Hufs „Schreitender Jüngling"
zeigt die gutbekannten Formen einer Glieder-
puppe, die sonst Leschnitzers Domäne wa-
ren, der diesmal eine ungemein charakteristi-
sche Büste von Georg Hermann ausstellt. Zu
erwähnen wären schließlich die ansprechen-
den Bildnisköpfe M. Müllers und ein schön
modellierter Akt von Wenck. J. Beth

NEUE KUNSTLITERATUR

Wölf f Ii n, Heinrich. Kunstgeschichtliche
Grundbegriffe. Brosen. M 10.—, gebd. M 13.—.
München, F. Bruckmann A.-G.

Das neue Buch Wölfflins wird für den, der sich
mit seiner Art der Kunstbetrachtung vertraut ge-
macht hat, keine Ueberraschung sein. Es fügt sich
sehr folgerichtig an alles, was bisher von ihm be-
kannt wurde. Und wer Wölfflin nicht nur aus seinen
Büchern, sondern auch aus seiner Lehrtätigkeit
kennt, wird viele Gedanken wiederfinden, die schon
lange vorbereitet waren und in seinen Vorträgen
immer wieder in stetig sich klärender Form auf-
tauchten.

Was Wölfflin treibt ist keine Aesthetik in dem
Sinne, daß er vom historischen Werden absähe.
Seine Betrachtungsweise fußt vielmehr sehr ent-
schieden auf historischer Forschung; sie versucht
sich aber über die bloße Ordnung und Kritik des
Stoffes zu erheben, indem sie zusammenfassend die
entscheidenden Merkmale ganzer Epochen einzelner
Kunstkreise, bestimmter Künstlerfestzuhalten trach-
tet. Dieses Verhältnis drückt sich auch schon im
Titel dieses Buches aus, daß die „kunstgeschicht-
lichen Grundbegriffe" klarzustellen versucht, indem
es ,.das Problem der Stilentwicklung in der neueren

Kunst" untersucht; und zwar wird hier so vorge-
gangen, daß zwei ausgeprägte Zeitstile miteinander
verglichen und in Kontrast zu einander gesetzt
werden. Es sind das die der Hochrenaissance und
des ganzen Barock. Auf frühere und spätere Stufen
wird nur gelegentlich zur Klärung und Vervoll-
ständigung der Begriffe hingewiesen.

Innerhalb der beiden Perioden umfaßt die Unter-
suchung die ganze Breite europäischer Kunstübung.
Um so die Quintessenz aus dem Zeitstil einer
größeren Epoche zu ziehen, muß dann allerdings
von manchem abgesehen werden; die Persönlich-
keit und Wirkung einzelner Künstler, Unterschiede
nationaler und landschaftlicher Strömungen, quali-
tative Unterschiede der Kunstwerke dürfen nicht
mitsprechen, oder vielmehr: der Zeitstil muß so
definiert werden, daß die Definition sich über diese
Dinge erhebt. Wölfflin schaltet aber noch mancherlei
anderes aus, das sehr wohl zum Zeitstil gerechnet
werden kann. Vor allem das Verhältnis der Kunst
zur Naturvorlage, das „Imitative"; und dann den
Zusammenhang der bildenden Kunst mit dem all-
gemeinen kulturellen Zeitwillen. Nach dieser Be-
schränkung bleibt als Thema der Untersuchung der
Formwille in der bildenden Kunst einer Epoche,
d. h. also das, was an sichtbaren künstlerischen
Merkmalen der gesamten Produktion einer größeren
Zeitspanne gemeinsam ist. Beim Vergleichen dieser
Merkmale in den beiden in Frage stehenden Büchern
werden fünf Begriffspaare gewonnen: Zeichnerisch
und Malerisch, Fläche und Tiefe, geschlossene
Form und offene Form, V ielheit und Einheit, Klar-
heit und Unklarheit. Der erste Begriff entspricht
jeweils der Kunst der Hochrenaissance, der zweite
der des Barock. Der Verfasser selbst sagt, daß
man auch eine andere Ordnung der Merkmale vor-
nehmen, andere oder mehr Begriffspaare aufstellen
könne. Das bleibt aber eine Frage untergeordneter
Natur, denn schließlich sind auch die Wölfflinschen
Begriffspaare nur Handhaben um zwei geschlossenen
gegensätzlichen Anschauungsweisen beizukommen.
Und die Untersuchung im einzelnen läßt sie als
sehr fruchtbar erscheinen. Sie weist über das
engere Thema dieses Buches hinaus, indem sie Be-
griffe erläutert, die bei jeder entwickelten Kunst-
epoche angewendet werden können, wenn man
gleich bei früheren Kunststufen vielleicht anders
verfahren würde.

Wenn man sagt, was die Wölfflinsche Methode
nicht leisten kann und auch nicht will, so heißt
das zugleich sie gegen ungerechtfertigte Angriffe
verteidigen. Stilkritische Atiributionen sind natür-
lich auf diese Weise nicht zu begründen; sie müssen
einer solchen Untersuchung vorangegangen sein.
Die Frage nach der Qualität eines Kunstwerkes
kann so nicht gelöst werden, sie bleibt außerhalb
der Betrachtung. Die psychologische Ausdeutung
des Schaffensaktes bleibt ganz unberührt. Das
gegenständliche Substrat des Kunstwerks findet
keinen Platz. Dieses Ausschalten dessen, was dem
naiven Betrachter sich zuerst aufzudrängen pflegt
— der Frage danach, was erzählt wird — läßt die
Wölfflinsche Betrachtungsweise besonders geeignet
erscheinen, in das Verständnis der den bildenden
Künsten eigentümlichen Eigenschaften einzuführen.
Sie hält den Leser bei dem fest, was das Entschei-
dende ist, der Form, und zwingt ihn zu einer
präzisen Ordnung seiner Eindrücke. Und insofern
ist sie dann auch, ohne es zu bezwecken, geeignet,
das Gefühl für die Qualität eines Kunstwerks vor-
zubereiten, da auch dieses von der Form ausgehen
muß. K. Zoegb von Manteuffel

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