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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 32.1916-1917

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Esswein, Hermann; Teutsch, Walther [Ill.]: Walther Teutsch
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WALTHER TEUTSCH

Von Hermann Esswein

Die Künstler der jüngeren nachimpressio-
nistischen, nachsecessionistischen Ge-
neration stellen sich auf ihren Ausstellungen
dem Publikum weit günstiger vor als in den
Kunstzeitschriften, die auch in der voll-
kommensten Reproduktionstechnik kein Mittel
haben, das Wesentlichste dieser neuen Kunst
wiederzugeben: Ihren Aufbau aus der Farbe
heraus. Eine wie große Rolle das Licht auf
den Gemälden Walther Teutschs spielt, läßt
die Schwarzweiß-Abbildung wohl erkennen,
aber da es die farbige Lichtabslufung ist,
die mehr und deutlicher als in früheren Kunst-
perioden der Umriß oder die massive Flecken-
und Flächenbauart späterer Richtungen die
Gegenständlichkeit der Dinge besorgt, und da
gerade diese reich differenzierte, hauchartige
und doch so eindringliche Farbenerscheinung
von keinem mechanischen Abbildungsverfahren
in ihrer Eigenart zu erfassen ist, so bleibt
dem inneren Anschauungsvermögen des Lesers
und Betrachters fast das Beste zu tun.

Weit leichter fällt natürlich die Nachprüfung
der kompositionellen Unterschiede, die uns
diese grundsätzliche Wandlung der Kunst-
anschauung gebracht hat. Wo wir auch das
Abbildungsmaterial dieses Aufsatzes anblättern
mögen, neben der unverkennbaren Eigenart
Teutschs fällt uns allenthalben die genaue
Verbindung auf, in der seine Auffassungsweise
zu der Zeit steht, zu eben der grundsätzlichen
Wandlung der Bildform. Die Neuerung,
welcher der oberflächlich Urteilende gegen-
über zu stehen glaubt, erweist sich da bald
genug als eine Rückkehr, und das Auge, das
durch die realistische Studienmalerei der letz-
ten Jahrzehnte an das Wiedererkennen von
Bestandteilen der Naturwirklichkeit gewöhnt
worden war, muß sich wieder zu seiner ur-
sprünglichen Erziehung durch die Galerien,
durch die großen Meister der besten Zeiten
zurückgewöhnen.

Vom Verismus ward die Landschaft ge-
nommen, wo und wie sie vor Augen lag.
Aus der Verachtung des Motivs quoll die
Lehre von der ästhetischen Gleichberechtigung
aller Wirklichkeitsanregungen. Alles war mal-
bar, denn alles, die reiche Vedute so gut
wie der engbegrenzte Kohlfeldausschnitt hatte
teil an der Unendlichkeit von Licht und Luft.
Müde der unzulänglichen, kunstgeschichtlich
abhängigen und aufdringlichen „Persönlich-

keiten" forderte und erzielte man das Ver-
schwinden der Individualität hinter der Sache,
und indes die Ausschnitte immer belangloser,
der seelische Gehalt des Kunstwerkes immer
dürftiger wurde, verfeinerte sich das Hand-
werk sowohl optisch wie manuell immer mehr.
Der Durchschnitt der Malerei versandete im
Photographischen, während ihre Auslese, am
deutlichsten wohl mit der neoimpressionisti-
schen Form, auf den Holzweg einer „Wissen-
schaftlichkeit" geriet, welche die Malerei nur
von ihren eigentlichen Zielen abzudrängen ver-
mochte.

Mit Teutsch und seinen Gesinnungsgenossen,
welche die Münchener „Neue Secession" um-
schließt, treten nun wieder starke und natür-
liche Empfinder auf den Plan, künstlerisch
gestimmte, aber sachlich ernste Maler von
Grund aus, denen es um seelischen Ausdruck
durch die Malerei zu tun ist, nicht aber
Stimmungsmaler, die von außen her allerhand
Romantisch-Literarisches einer im Grunde
nüchtern-realistischen Bildform aufpfropfen
oder mit billigem, rein physiologisch anregen-
dem Kolorismus den Betrachter zum Mit-
schwingen überreden wollen. Der Subjektivis-
mus dieser jungen Generation hält sich ehr-
lich an die eigene Erfahrung und er ist, wo
er sich nicht in lediglich von Theorien an-
geregten Experimenten verlor, viel zu fest in
den Anregungen der Naturwirklichkeit ver-
ankert, um ins Schemenhafte zu verschweben.
Die neue Generation wird nach Ausschaltung
der Uebergangsexperimente von der älteren
doch ein Wesentliches gelernt haben: Die
Ehrfurcht vor den unverjährbaren Gegeben-
heiten der Malerei als einer Sinnenkunst, die
auch nach dem höchsten Geistesfluge imstande
sein muß, auf sicherer Erde sicher zu landen.
Die Loslösung aus dem Ueberkommenen, die
natürlich weit mehr Belege gezeitigt hat als
das hier Gezeigte, der Weg von der realisti-
schen zur geistigen Form der Landschafts-
malerei, läßt sich an der Hand von vieren
unserer Abbildungen bequem verfolgen:

Die Landschaft mit den Hügeln (Abb. S. ?43),
zwischen denen ein Ochsengespann in die
Heide austritt, ist genau so naturnahe, wie
nur irgend ein starkes Werk der Impressio-
nistenzeit, aber ihre aus wuchtigen Gelände-
rhythmen, den Akzenten der Baumvegetation
und der groß und anmutig bewegten Luft

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