Schnitzaltäre im Namen Gottes zerstört! Wir
wollen darum nicht rechten. Goethes Wort:
„Jede neue Idee, sobald sie in die Erscheinung
tritt, wirkt tyrannisch", bewahrheitet sich auch
hier. Es gehört zu den großen, noch unge-
lösten Problemen, wie dem Protestantismus,
der eine einseitige, wenn auch sehr bedeu-
tende Kultur des Ohres in der Kirchenmusik
großgezogen hat, eine Augenkultur zurücker-
obert werden kann, wie sie der mittelalter-
lichen Kirche selbstverständlich war. Die Hei-
, ligen sind entthront; aber die Bibelmänner und
Bibelfrauen, die Propheten undApostelbleiben.
Mit diesen Gestalten, ihrem Geschicke und
ihrer Erhöhung läßt sich sehr wohl eine prote-
stantische Ikonographie ausbilden. Ohne legen-
darische Zutat und Fabulierlust geht es freilich
nicht ab; sonst wird die Situation frostig. Der
gotische Schnitzaltar des Mittelalters kann uns
eine Richtschnur geben, um auch die prote-
stantischen Altartische aus ihrer Kahlheit zu
erlösen. Unbedingt muß Ausdrucksreiches und
Monumentales hier Platz finden. Es ist nicht
erlaubt, Leonardos Abendmahl in gedruckten,
wenn auch großen und farbigen Reproduk-
tionen, hier aufzustellen. Andererseits wirken
die ewigen Repetitionen des Thoiwaldsenschen
Christus auch frostig und leicht wird die Feier-
lichkeit ölig. Malerei und Plastik sollten sich
im Triptychon zusammentun. Die Mitte hätte
etwa der „Gnadenstuhl in Wolken" zu bilden,
die Trinität oder der Ostermorgen. Auf die
Flügel kämen Huldigungsbilder, sei es die der
drei Könige, seien es Szenen der eigenen Heimat.
Außen auf die Flügel gehören ausdrucksreiche
Hauptfiguren, etwa die vier Evangelisten oder
andere Apostel. Vielleicht wagt man auch Luther
und Schleiermacher, Paul Gerhardt und einen
Gottesmann der Heimat, wie Johann Sebastian
Bach. Man sollte nicht ängstlich sein und auch
einmal das Neue wagen. Bedingung ist freilich,
daß alles nicht nur lang durchdacht, sondern
auch wohl abgewogen sei. Für die Saloppheit,
mit der Lovis Corinih sein Triptychon in
Tapiau komponiert hat, sind wir nicht zu haben.
Ins Gotteshaus gehört nur das höchst Gesetz-
mäßige. Denn auch hier ist die Ordnung die
Mutter höheren Lebens.
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wollen darum nicht rechten. Goethes Wort:
„Jede neue Idee, sobald sie in die Erscheinung
tritt, wirkt tyrannisch", bewahrheitet sich auch
hier. Es gehört zu den großen, noch unge-
lösten Problemen, wie dem Protestantismus,
der eine einseitige, wenn auch sehr bedeu-
tende Kultur des Ohres in der Kirchenmusik
großgezogen hat, eine Augenkultur zurücker-
obert werden kann, wie sie der mittelalter-
lichen Kirche selbstverständlich war. Die Hei-
, ligen sind entthront; aber die Bibelmänner und
Bibelfrauen, die Propheten undApostelbleiben.
Mit diesen Gestalten, ihrem Geschicke und
ihrer Erhöhung läßt sich sehr wohl eine prote-
stantische Ikonographie ausbilden. Ohne legen-
darische Zutat und Fabulierlust geht es freilich
nicht ab; sonst wird die Situation frostig. Der
gotische Schnitzaltar des Mittelalters kann uns
eine Richtschnur geben, um auch die prote-
stantischen Altartische aus ihrer Kahlheit zu
erlösen. Unbedingt muß Ausdrucksreiches und
Monumentales hier Platz finden. Es ist nicht
erlaubt, Leonardos Abendmahl in gedruckten,
wenn auch großen und farbigen Reproduk-
tionen, hier aufzustellen. Andererseits wirken
die ewigen Repetitionen des Thoiwaldsenschen
Christus auch frostig und leicht wird die Feier-
lichkeit ölig. Malerei und Plastik sollten sich
im Triptychon zusammentun. Die Mitte hätte
etwa der „Gnadenstuhl in Wolken" zu bilden,
die Trinität oder der Ostermorgen. Auf die
Flügel kämen Huldigungsbilder, sei es die der
drei Könige, seien es Szenen der eigenen Heimat.
Außen auf die Flügel gehören ausdrucksreiche
Hauptfiguren, etwa die vier Evangelisten oder
andere Apostel. Vielleicht wagt man auch Luther
und Schleiermacher, Paul Gerhardt und einen
Gottesmann der Heimat, wie Johann Sebastian
Bach. Man sollte nicht ängstlich sein und auch
einmal das Neue wagen. Bedingung ist freilich,
daß alles nicht nur lang durchdacht, sondern
auch wohl abgewogen sei. Für die Saloppheit,
mit der Lovis Corinih sein Triptychon in
Tapiau komponiert hat, sind wir nicht zu haben.
Ins Gotteshaus gehört nur das höchst Gesetz-
mäßige. Denn auch hier ist die Ordnung die
Mutter höheren Lebens.
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