von Riccio oder Antico, Bilder von Botticelli,
Fra Angelico und ihren großen Zeitgenossen
erlangen kann, zahlt nötigenfalls Hundert-
tausende und mehr dafür. Waren anfangs
nur die Bildwerke in edlem Material be-
achtet, so werden jetzt auch die Tonbildwerke
derselben Meister mit ähnlichen Preisen be-
zahlt. Nicht allein aus Snobismus und weil
die internationalen Kunsthändler und ihre
kunsthistorischen Schrittmacher den Takt
dazu angeben, sondern weil allmählich auch
ein größerer Kreis von Kunstfreunden wirk-
lichen Genuß an dieser frischen, lebensvollen
Kunst gewonnen hat.
Ein alter Meister, welcher zu allen Zeiten
zu den ersten gerechnet ist, dem aber das
künstlerische Empfinden der letzten beiden
Jahrhunderte vielfach ablehnend gegenüber-
stand, Rembrandt van Rijn, dessen Kunst
zudem von der neueren Malerei in seiner
malerischen Behandlung wie seinem Hell-
dunkel vollständig verschieden ist, hat doch
gerade in den letzten Jahrzehnten in immer
steigendem Maße das Herz aller Künstler
und Kunstfreunde gewonnen, denen er heute
der am höchsten geschätzte Maler ist. Ein
tüchtiges, ansprechendes Bild von Rembrandt
aus seiner späteren Zeit ist heute kaum noch
unter einer Million Mark zu haben. Ge-
fördert ist diese Wertschätzung doch auch
durch die neuere Malerei, durch die an
Rembrandt anklingende intime Auffassung,
wie sie schon in den Werken Millets und
vor allem in den früheren Gemälden von
Israels und Liebermann sich bekundet.
Als der Impressionismus seine Höhe über-
schritten hatte, wurde aus seiner Mitte eine
stark entgegengesetzte Richtung geboren, der
neue„Stil", der in Hodler seinen herben männ-
lichen, in Klimt seinen gesucht weiblichen
Ausdruck gefunden hat. Man erzählt von
Hodler, dessen frühere Landschaften noch
zu den stimmungsvollsten Erzeugnissen des
Impressionismus zählen, daß er auf einer
Reise durch Oberitalien in der Madonna
dell'Arena in Padua vor Giottos Fresken
bekehrt worden sei und sich hier auf den
großen Stil eingeschworen habe. Ob Giotto
über diesen Schüler sehr begeistert sein
würde, mag dahingestellt bleiben, immerhin
ist seit dem Bestreben der neuesten Ma-
lerei, aus der kraß realistischen Richtung
zu einer strengeren, inhaltreicheren Auf-
fassung, zum „Expressionismus" zu gelan-
gen, das Interesse an der ältesten Kunst,
namentlich an der Malerei des Trecento,
wesentlich gewachsen.
So war im Laufe des vorigen Jahrhun-
derts mit jeder neuen Strömung in der Kunst
auch ein neues Gebiet der alten dem allge-
meinen Interesse gewonnen, so daß schließ-
lich alle wirklich bedeutenden Richtungen
der Kunst Europas der Freude und dem
Verständnis des Publikums wieder zuge-
führt waren. Aenderte sich die Mode, so
wurden doch die alten Lieblinge nicht ganz
vergessen; dank der historischen Richtung
unserer Zeit ist das Resultat dieser etwa
hundertjährigen Entwicklung die Wertschät-
zung aller künstlerisch hervorragenden Lei-
stungen ohne Rücksicht auf Zeit und Schule.
Aber das Interesse an der Kunst hat an
den Grenzen unseres Erdteils keineswegs
haltgemacht. Der Eintritt Japans in die
Weltgeschichte lehrte die Kunst Ostasiens
kennen, für die der Impressionismus das
Verständnis erleichterte, wie er anderseits
sehr wesentlich von ihr beeinflußt wurde.
Aehnliches Interesse erwachte fast gleich-
zeitig für die vorderasiatische Kunst, für
die Kunst des Islams, in neuester Zeit auch
für die davon beeinflußte Kunst von Indien,
so daß jetzt schon fast alle größeren Museen
ansehnliche Sammlungen der orientalischen
Kunst besitzen.
Damit glaubte man das Interesse an der
älteren Kunst erschöpft zu haben, da der
Kreis der älteren Kulturnationen geschlos-
sen war. Aber die Hochflut der stilwütigen
Parteien und Parteichen unserer Modern-
sten hat neue Kunstideale mit sich gebracht,
die ihnen kongenial erscheinen, an denen
sie sich erbauen und für die sie das Pu-
blikum zu begeistern suchen. Gauguin war
der erste, der die Hochkultur von Samoa
entdeckte, und seither holen andere Jünger
des Expressionismus von dort neue An-
regung. Unsere modernste Plastik wendet
sich dem dunkeln Erdteil zu; die„Oelgötzen"
der Kameruner und Polynesier werden als
Muster hingestellt, an denen unsere plastische
Kunst wieder gesunden, wieder stilvoll wer-
den müsse. Und wird nicht der Futurismus
Analogien im „geometrischen Stil" der Prä-
historie entdecken und verlangen, daß auch
diese Erzeugnisse ältester Kultur aus un-
seren Museen für Völkerkunde in die Kunst-
sammlungen überführt werden sollen? Dann
würden wir glücklich wieder auf die An-
fänge menschlicher Kultur zurückgeschroben
sein. Wir können an diesen unsere Freude
haben wie an dem ersten Lallen eines Kin-
des, aber wenn ein Erwachsener sich in sol-
chen unartikulierten Lauten ergeht, so wird
man sich fragen, ob er nicht reif für eine
Kaltwasserkur ist.
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Fra Angelico und ihren großen Zeitgenossen
erlangen kann, zahlt nötigenfalls Hundert-
tausende und mehr dafür. Waren anfangs
nur die Bildwerke in edlem Material be-
achtet, so werden jetzt auch die Tonbildwerke
derselben Meister mit ähnlichen Preisen be-
zahlt. Nicht allein aus Snobismus und weil
die internationalen Kunsthändler und ihre
kunsthistorischen Schrittmacher den Takt
dazu angeben, sondern weil allmählich auch
ein größerer Kreis von Kunstfreunden wirk-
lichen Genuß an dieser frischen, lebensvollen
Kunst gewonnen hat.
Ein alter Meister, welcher zu allen Zeiten
zu den ersten gerechnet ist, dem aber das
künstlerische Empfinden der letzten beiden
Jahrhunderte vielfach ablehnend gegenüber-
stand, Rembrandt van Rijn, dessen Kunst
zudem von der neueren Malerei in seiner
malerischen Behandlung wie seinem Hell-
dunkel vollständig verschieden ist, hat doch
gerade in den letzten Jahrzehnten in immer
steigendem Maße das Herz aller Künstler
und Kunstfreunde gewonnen, denen er heute
der am höchsten geschätzte Maler ist. Ein
tüchtiges, ansprechendes Bild von Rembrandt
aus seiner späteren Zeit ist heute kaum noch
unter einer Million Mark zu haben. Ge-
fördert ist diese Wertschätzung doch auch
durch die neuere Malerei, durch die an
Rembrandt anklingende intime Auffassung,
wie sie schon in den Werken Millets und
vor allem in den früheren Gemälden von
Israels und Liebermann sich bekundet.
Als der Impressionismus seine Höhe über-
schritten hatte, wurde aus seiner Mitte eine
stark entgegengesetzte Richtung geboren, der
neue„Stil", der in Hodler seinen herben männ-
lichen, in Klimt seinen gesucht weiblichen
Ausdruck gefunden hat. Man erzählt von
Hodler, dessen frühere Landschaften noch
zu den stimmungsvollsten Erzeugnissen des
Impressionismus zählen, daß er auf einer
Reise durch Oberitalien in der Madonna
dell'Arena in Padua vor Giottos Fresken
bekehrt worden sei und sich hier auf den
großen Stil eingeschworen habe. Ob Giotto
über diesen Schüler sehr begeistert sein
würde, mag dahingestellt bleiben, immerhin
ist seit dem Bestreben der neuesten Ma-
lerei, aus der kraß realistischen Richtung
zu einer strengeren, inhaltreicheren Auf-
fassung, zum „Expressionismus" zu gelan-
gen, das Interesse an der ältesten Kunst,
namentlich an der Malerei des Trecento,
wesentlich gewachsen.
So war im Laufe des vorigen Jahrhun-
derts mit jeder neuen Strömung in der Kunst
auch ein neues Gebiet der alten dem allge-
meinen Interesse gewonnen, so daß schließ-
lich alle wirklich bedeutenden Richtungen
der Kunst Europas der Freude und dem
Verständnis des Publikums wieder zuge-
führt waren. Aenderte sich die Mode, so
wurden doch die alten Lieblinge nicht ganz
vergessen; dank der historischen Richtung
unserer Zeit ist das Resultat dieser etwa
hundertjährigen Entwicklung die Wertschät-
zung aller künstlerisch hervorragenden Lei-
stungen ohne Rücksicht auf Zeit und Schule.
Aber das Interesse an der Kunst hat an
den Grenzen unseres Erdteils keineswegs
haltgemacht. Der Eintritt Japans in die
Weltgeschichte lehrte die Kunst Ostasiens
kennen, für die der Impressionismus das
Verständnis erleichterte, wie er anderseits
sehr wesentlich von ihr beeinflußt wurde.
Aehnliches Interesse erwachte fast gleich-
zeitig für die vorderasiatische Kunst, für
die Kunst des Islams, in neuester Zeit auch
für die davon beeinflußte Kunst von Indien,
so daß jetzt schon fast alle größeren Museen
ansehnliche Sammlungen der orientalischen
Kunst besitzen.
Damit glaubte man das Interesse an der
älteren Kunst erschöpft zu haben, da der
Kreis der älteren Kulturnationen geschlos-
sen war. Aber die Hochflut der stilwütigen
Parteien und Parteichen unserer Modern-
sten hat neue Kunstideale mit sich gebracht,
die ihnen kongenial erscheinen, an denen
sie sich erbauen und für die sie das Pu-
blikum zu begeistern suchen. Gauguin war
der erste, der die Hochkultur von Samoa
entdeckte, und seither holen andere Jünger
des Expressionismus von dort neue An-
regung. Unsere modernste Plastik wendet
sich dem dunkeln Erdteil zu; die„Oelgötzen"
der Kameruner und Polynesier werden als
Muster hingestellt, an denen unsere plastische
Kunst wieder gesunden, wieder stilvoll wer-
den müsse. Und wird nicht der Futurismus
Analogien im „geometrischen Stil" der Prä-
historie entdecken und verlangen, daß auch
diese Erzeugnisse ältester Kultur aus un-
seren Museen für Völkerkunde in die Kunst-
sammlungen überführt werden sollen? Dann
würden wir glücklich wieder auf die An-
fänge menschlicher Kultur zurückgeschroben
sein. Wir können an diesen unsere Freude
haben wie an dem ersten Lallen eines Kin-
des, aber wenn ein Erwachsener sich in sol-
chen unartikulierten Lauten ergeht, so wird
man sich fragen, ob er nicht reif für eine
Kaltwasserkur ist.
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