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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 32.1916-1917

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Poppelreuter, Josef: Die Zukunft der Vorbildung unserer Künstler, Kunsthistoriker und Allgemeingebildeten
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https://doi.org/10.11588/diglit.13746#0395

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KÄTHE KOLLWITZ

DIE ZUKUNFT DER VORBILDUNG UNSERER KUNSTLER,
KUNSTHISTORIKER UND ALLGEMEINGEBILDETEN

Von Josef Poppelreuter

In die dringende Zeitfrage der Künstlervor-
bildung ist jüngsthin Bewegung gebracht
worden durch eine jener impulsiven Anre-
gungen, mit welchen seit Jahrzehnten so oft
Wilhelm v. Bode in unserer öffentlichen Kunst-
pflege aufgetreten ist. Er hatte in einem Auf-
satz der „Woche" eine Anregung zur Reform
des Kunstunterrichts nach dem Kriege gegeben,
durch welche dieser statt akademischer Führung
zur hohen Kunst auf eine mehr reale Grundlage
gestellt werden sollte, um der Masse der Kunst-
beflissenen in den technischen Zweigen des
Kunsthandwerks eine ersprießliche, ihrer Bega-
bung entsprechende Lebenstätigkeit zu geben.
Arthur Kampf hatte darauf zur Verteidigung der
bestehenden Form der Akademien geantwortet:

„In treuer Erfüllung seiner alten Bestrebun-
gen zur Belebung der modernen Kunstpflege
hat Woldemar v. Seidlitz die Mühe auf sich
genommen, zu der aufgeworfenen Frage die
Meinungsäußerungen einer Reihe von Künst-
lern und Kunstgelehrten einzuholen und in
einer soeben erschienenen Broschüre zusam-
menzustellen." (Leipzig, E. A. Seemann)

Aus einem konzilianten Schlußwort Arthur
Kampfs ersieht man, daß seine und Bodes
Meinung keineswegs unvereinbar weit aus-
einandergehen, was man bei einer genaueren
Lektüre der Aufsätze übrigens auch an sich
sehen kann. Ein Schluß der Diskussion kann
dies Nachwort nun keineswegs sein. Schon
die Veröffentlichung einer solchen Broschüre

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SZENE AUS „GERMINAL" (RADIERUNG)

will sie erst recht in Fluß bringen und sie
wird, wie auf anderen Unterrichtsgebieten,
dann erst recht fortgesetzt werden müssen,
wenn man zur praktischen Reform übergehen
will. So wird für jeden, der die Broschüre
besprechen will, diese Besprechung, wie auch
dem Verfasser dieser Abschnitte, leicht zur
neuen Meinungsäußerung auswachsen.

Zur Broschüre selbst wäre zu bemerken,
was wohl auch ihr Verfasser gefühlt haben
wird, daß sich über die Auswahl der befrag-
ten Persönlichkeiten streiten ließe. Es dürfte
das Maß der Eingelebtheit in eine solche
Frage ein sehr verschiedenes sein. Aber im-
merhin: es ist ein Anfang.

Wie wir durch den Zusatz zur Ueberschrift
zu erkennen gegeben, soll hier noch von etwas
anderem gesprochen werden, nämlich von der
künstlerischen Vorbildung der Kunsthistoriker
und Allgemeingebildeten. Zunächst zur Frage
der Vorbildung der Künstler selbst. Ohne Be-

denken treten wir denen unter den Befragten
bei, die in einer soliden Schule der Technik
und des Naturstudiums, welcher das freie
Meisteratelier angegliedert ist, das Bessere
sehen. Auf allen Gebieten des Unterrichts
hat die öffentliche Organisation zwei sehr ver-
schiedene Pflichten: einmal dem Genius den
Weg zu öffnen, sodann der großen Masse einen
möglichst hohen Durchschnitt zu geben. Unsere
patriotischen Wünsche für die deutsche Kunst
nach dem Kriege gehen dahin, daß ihr große
führende Persönlichkeiten erstehen, die sie
vor dem Auslande würdig repräsentieren. Zum
zweiten, daß der Durchschnitt der Produzie-
renden und — wohlgemerkt — der Empfan-
genden ein vor der ausländischen Kritik mög-
lichst hoher sei. Allüberall, nicht nur in der
Kunst, ist es aber ein Merkmal des führen-
den Genies, daß es die Schule haßt und an
ihr vorbeiläuft; das Genie ist überall mehr
oder minder Autodidakt. Sein Geschick ist

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