Mann entstanden, der für die ganze Art, die
sich vorbereitete und durchsetzte, von allen der
maßgebendste war: Ferdinand Hodler. Eine
ganze jüngere Schweizer Schule hat sich um
diesen Mann gebildet, der auch in die künst-
lerische Entwickelung Deutschlands und Oester-
reichs so spürbar und nachhaltig eingegriffen
hat. Burger stand also hier vor einem künst-
lerischen Zeit- und Entwicklungsphänomen, das
ihn ehrlich bewegen und aufs innerlichste
beschäftigen mußte. Es muß ihm zumute ge-
gewesen sein, als werde allmählich ein Schleier
vor ihm zerrissen; und als trete die Welt da-
hinter klarer, jünger und farbiger hervor. Die
durchsichtige dünne Luft schweizerischer
Höhenlagen, die schon einen Segantini ge-
bannt hatte, leuchtete plötzlich durch den
nordischen Nebel hindurch und wusch viel
graue Trübheit hinweg.
* *
•
Die Art, wie Burger die neuen Anregungen
auf seine Bildnismalerei anwandte, zeigt den
gereiften und selbständigen Künstler. Das
Grelle und Extreme wird ausgeschieden und
der Subjektivismus des Künstlers versteht
sich dem Gegenständlichen sachlich anzu-
passen. Indem Burger von aller verschwom-
menen „Ungefähr-Malerei" zielbewußt abrückt,
bekennt er sich zu jener wahren und eigent-
lichen Bildniskunst, die im Porträt nicht etwa
ein beliebiges Stück interessant bemalter Lein-
wand zu geben sich begnügt, sondern wirklich
Natur und Charakterart des Dargestellten
herauszuholen unternimmt. Die von Burger
bevorzugte Malweise gestattete die schärfste
Charakterisierung der Persönlichkeit, und zwar
mit durchaus malerischen Mitteln. Aus dem
meist hell gehaltenen Hintergrunde heben sich
die klar silhouettierten Gestalten in individuell
erfaßten Stellungen und mit starker farbiger
Wirkung hervor. Die malerische Haltung wird
vor allem dadurch bestimmt, daß aus den
Schatten alle Schwärzen und trüben Dunkel-
heiten peinlichst ausgemerzt und durch ent-
sprechend gewählte koloristische Werte (Grün,
Violett) ersetzt sind. Hierdurch vor allem
bekommen die Bilder ihr frisches blühendes
Aussehen. Und weiter wird erreicht, daß jede
Einzelgestalt sich prägnant und geschlossen
heraushebt. Ist dies mit hoher Bestimmtheit
bei den Einzelbildnissen der Fall, so nicht
minder bei den Gruppenkompositionen, wo
störende Ueberschneidungen tunlichst ver-
mieden werden und jede Einzelfigur zu ihrem
Rechte gelangt. Burger verfolgt hier gern
das Prinzip einer gewissen rhythmischen
Korreponsion. Dies mag hie und da zu kleinen
Gezwungenheiten führen, wenn etwa die bei-
den Knaben in blauen Hemden, mit auswärts
gestemmten Eilbögen und hinausgeschweiften
Beinlinien, wie zwei gotisierende Wächter die
mittlere Familiengruppe einrahmen. Hier spürt
man die kompositionelle Absicht zu deutlich
und wird dadurch kühler gestimmt, so apart
und reizvoll die rhythmische Verteilung an sich
sein mag. Nach dieser Richtung wirkt das Bild
der drei um einen Sessel gruppierten Kinder
einwandfreier. Dieses gehört nach Komposition,
Darstellung und Malerei zu Burgers vollendet-
sten Arbeiten und hat besonders den Reiz
einer großen Liebenswürdigkeit für sich.
Von den beiden Knabenbildnissen verdient
das des sitzenden, im Profil erfaßten, durch
die Geschlossenheit der Haltung und leben-
dige Frische der Auffassung den Vorzug. Das
andere wirkt für meinen Geschmack ein wenig
geziert und gesucht. Vortrefflich ist Burger
als Männerporträtist. Wie er unseren Hinden-
burg und den Kolonialsekretär Dr. Solf wieder-
gegeben hat, das prägt sich unvermittelt und
eindrucksvoll ein. Jedenfalls kenne ich kein
besseres Hindenburg-Bildnis und das des Dr. Solf
vollends erscheint mir nach Durchbildung des
Kopfes und fein charakterisierender Haltung
als endgültige und erschöpfende Lösung. Auch
die Bildnisse N. Meyer und Carriere dürfen
mit Ehren genannt werden. Beide sind ge-
schickt in den Bildraum geordnet und geben
auf ungezwungene Art eine überzeugende
Charakteristik. Von Burgers neueren Frauen-
bildnissen steht das der im Polsterstuhl sitzen-
den, gedankenvoll das Haupt stützenden Dame
bei weitem obenan. Es gehört überhaupt zu
den besten modernen Porträts, die ich kenne.
In der Zeichnung mit vollendeter Sicherheit
hingesetzt, malerisch von glücklicher koloristi-
scher Verteilung, bietet es in der Persönlich-
keitsauffassung die Leistung eines tiefdringen-
den Menschenkenners. Man spürt Tempera-
ment, Geistesart, Gemütsverfassung, ja ich
möchte sagen: ein Stück Lebensgeschichte
der dargestellten Dame. In diesem 1916 fertig-
gestellten Bilde hat Burger beinahe sich selbst
übertroffen und braucht vor der Vergleichung
mit keinem anderen modernen Porträtisten
zurückzuscheuen. Es zeigt, daß der Maler
auf gutem Wege und im besten Zuge ist und
daß wir auch weiterhin Treffliches von ihm
erwarten dürfen.
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sich vorbereitete und durchsetzte, von allen der
maßgebendste war: Ferdinand Hodler. Eine
ganze jüngere Schweizer Schule hat sich um
diesen Mann gebildet, der auch in die künst-
lerische Entwickelung Deutschlands und Oester-
reichs so spürbar und nachhaltig eingegriffen
hat. Burger stand also hier vor einem künst-
lerischen Zeit- und Entwicklungsphänomen, das
ihn ehrlich bewegen und aufs innerlichste
beschäftigen mußte. Es muß ihm zumute ge-
gewesen sein, als werde allmählich ein Schleier
vor ihm zerrissen; und als trete die Welt da-
hinter klarer, jünger und farbiger hervor. Die
durchsichtige dünne Luft schweizerischer
Höhenlagen, die schon einen Segantini ge-
bannt hatte, leuchtete plötzlich durch den
nordischen Nebel hindurch und wusch viel
graue Trübheit hinweg.
* *
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Die Art, wie Burger die neuen Anregungen
auf seine Bildnismalerei anwandte, zeigt den
gereiften und selbständigen Künstler. Das
Grelle und Extreme wird ausgeschieden und
der Subjektivismus des Künstlers versteht
sich dem Gegenständlichen sachlich anzu-
passen. Indem Burger von aller verschwom-
menen „Ungefähr-Malerei" zielbewußt abrückt,
bekennt er sich zu jener wahren und eigent-
lichen Bildniskunst, die im Porträt nicht etwa
ein beliebiges Stück interessant bemalter Lein-
wand zu geben sich begnügt, sondern wirklich
Natur und Charakterart des Dargestellten
herauszuholen unternimmt. Die von Burger
bevorzugte Malweise gestattete die schärfste
Charakterisierung der Persönlichkeit, und zwar
mit durchaus malerischen Mitteln. Aus dem
meist hell gehaltenen Hintergrunde heben sich
die klar silhouettierten Gestalten in individuell
erfaßten Stellungen und mit starker farbiger
Wirkung hervor. Die malerische Haltung wird
vor allem dadurch bestimmt, daß aus den
Schatten alle Schwärzen und trüben Dunkel-
heiten peinlichst ausgemerzt und durch ent-
sprechend gewählte koloristische Werte (Grün,
Violett) ersetzt sind. Hierdurch vor allem
bekommen die Bilder ihr frisches blühendes
Aussehen. Und weiter wird erreicht, daß jede
Einzelgestalt sich prägnant und geschlossen
heraushebt. Ist dies mit hoher Bestimmtheit
bei den Einzelbildnissen der Fall, so nicht
minder bei den Gruppenkompositionen, wo
störende Ueberschneidungen tunlichst ver-
mieden werden und jede Einzelfigur zu ihrem
Rechte gelangt. Burger verfolgt hier gern
das Prinzip einer gewissen rhythmischen
Korreponsion. Dies mag hie und da zu kleinen
Gezwungenheiten führen, wenn etwa die bei-
den Knaben in blauen Hemden, mit auswärts
gestemmten Eilbögen und hinausgeschweiften
Beinlinien, wie zwei gotisierende Wächter die
mittlere Familiengruppe einrahmen. Hier spürt
man die kompositionelle Absicht zu deutlich
und wird dadurch kühler gestimmt, so apart
und reizvoll die rhythmische Verteilung an sich
sein mag. Nach dieser Richtung wirkt das Bild
der drei um einen Sessel gruppierten Kinder
einwandfreier. Dieses gehört nach Komposition,
Darstellung und Malerei zu Burgers vollendet-
sten Arbeiten und hat besonders den Reiz
einer großen Liebenswürdigkeit für sich.
Von den beiden Knabenbildnissen verdient
das des sitzenden, im Profil erfaßten, durch
die Geschlossenheit der Haltung und leben-
dige Frische der Auffassung den Vorzug. Das
andere wirkt für meinen Geschmack ein wenig
geziert und gesucht. Vortrefflich ist Burger
als Männerporträtist. Wie er unseren Hinden-
burg und den Kolonialsekretär Dr. Solf wieder-
gegeben hat, das prägt sich unvermittelt und
eindrucksvoll ein. Jedenfalls kenne ich kein
besseres Hindenburg-Bildnis und das des Dr. Solf
vollends erscheint mir nach Durchbildung des
Kopfes und fein charakterisierender Haltung
als endgültige und erschöpfende Lösung. Auch
die Bildnisse N. Meyer und Carriere dürfen
mit Ehren genannt werden. Beide sind ge-
schickt in den Bildraum geordnet und geben
auf ungezwungene Art eine überzeugende
Charakteristik. Von Burgers neueren Frauen-
bildnissen steht das der im Polsterstuhl sitzen-
den, gedankenvoll das Haupt stützenden Dame
bei weitem obenan. Es gehört überhaupt zu
den besten modernen Porträts, die ich kenne.
In der Zeichnung mit vollendeter Sicherheit
hingesetzt, malerisch von glücklicher koloristi-
scher Verteilung, bietet es in der Persönlich-
keitsauffassung die Leistung eines tiefdringen-
den Menschenkenners. Man spürt Tempera-
ment, Geistesart, Gemütsverfassung, ja ich
möchte sagen: ein Stück Lebensgeschichte
der dargestellten Dame. In diesem 1916 fertig-
gestellten Bilde hat Burger beinahe sich selbst
übertroffen und braucht vor der Vergleichung
mit keinem anderen modernen Porträtisten
zurückzuscheuen. Es zeigt, daß der Maler
auf gutem Wege und im besten Zuge ist und
daß wir auch weiterhin Treffliches von ihm
erwarten dürfen.
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