unnötig empfunden werden. Zunächst darf
ich vielleicht etwas Persönliches erzählen.
Als ich noch die harten Bänke des Würzburger
alten Gymnasiums drückte und mich schon
für neuere Kunst zu interessieren begann, aber
niemand hatte, der mir hierüber etwas sagen
konnte, war ich auf die mir gelegentlich in
die Hand kommenden Zeitungsberichte ange-
wiesen. Da wurde der Name Liebermann nur
mit Abscheu genannt; wirklich grauste es mich,
wenn ich lesen mußte, daß in Berlin ein
Mann lebe, dem es Freude mache, die Welt
schwarz zu malen. Ich war noch so jung, die
Welt lachte mir so hell und bunt ins Auge, die
Sonne schien klar und rein; da wollte es mir
durchaus berechtigt scheinen, wenn die Herren
Critici z. B. der von der Leipziger Illustrierten
Zeitung, auf dessen Weisheit ich hauptsächlich
angewiesen war, ihre Mißbilligung über einen
Künstler ausdrückten, der vom Leben — salva
venia — nur den D—k malte und dem die Auf-
gabe der Kunst nicht schien, wie die braven
alten Meister die Wunder der Schönheit dieser
Zeitlichkeit in seinen Werken festzuhalten.
Dazu kam, daß Liebermann im bayerischen
Landtag ein recht unvorteilhaftes Leumunds-
zeugnis erhalten hatte, und so machte ich mir
sehr ungünstige Vorstellungen über ihn als
einen bösen, vielleicht wunderlichen Herrn,
der die schöne Gottesgabe der Kunst ausnutze,
um den Menschen die Welt zu verekeln; im
geheimen dachte ich mir allerdings, daß er
doch wohl recht viel können müsse, sonst
würde man sich kaum so sehr um ihn kümmern.
Das ging so bis zum Jahre 1896, wo ich zum
erstenmal nach Berlin kam und auch die Kunst-
ausstellung am Lehrter Bahnhof besuchte. Ich
irrte mehr oder weniger ratlos in den riesigen
Sälen herum, wo viel trübe Bilder hingen, bis
mich endlich am seitlichen Ende einer langen
Flucht von Kunstkäfigen ein heller Lichtschein
lockte. Eilends steuerte ich drauf los, wie die
leichtsinnige Motte auf die strahlende Bogen-
lampe und stand plötzlich in einem Raum,
der mir heute in der Erinnerung steht als der
Inbegriff an Reinheit und Freudigkeit der
hellsten Farbe. Es war eine Kollektivaus-
stellung der Bilder von Max Liebermann und
wenn ich auch hocherfreut war über die Er-
lösung aus der Misere der anderen Säle, so
fiel es mir doch schwer aufs Herz, daß ausge-
rechnet dieser Maler des Lichtes mir geschil-
dert worden war als D—kmaler, als Rhyparo-
graph, als Gossenkünstler usw. Es kam mir als
ein großes Unrecht an meiner armen Würz-
burger Jugend vor, daß man, den hilflosen
Gymnasiasten so falsch über die junge und
schon so große mit ihm lebende Kunst unter-
richtet hatte. Späterhin las ich dann in Jona-
than Swift von einem Blindgeborenen. Dieser
hatte mehrere Angestellte, die gleich ihm blind
zur Welt gekommen waren und deren Aufgabe
es war, Farben für Maler zu mischen; ihr Mei-
ster lehrte sie, die Farben durch Anfühlen und
Beriechen zu unterscheiden. Swift fügte bei,
daß dieser Künstler sehr geschätzt und von
der ganzen Zunft gefördert war. Nun dachte
ich mir, jene Leute, die mir Liebermann so
sehr als einen Schwarzmaler vergrauelt haben,
mögen wohl auch bei Swifts pfiffigem Farben-
meister in die Schule gegangen sein. Als ich
aber dann selbst unter die Schreiber ging, nahm
ich mir vor, jenes an mir und meiner Jugend
begangene Unrecht so weit wie möglich wieder
gut zu machen und andere vor gleichem Scha-
den zu bewahren und so war es mir ein lieber
Auftrag, als die Redaktion dieses Blattes mich
aufforderte, bei Liebermanns Jubiläum mich
in den Chor der Gratulanten zu mischen.
Gratulor, gratulor, ad multos annos gratulor.
Auf der erwähnten Berliner Ausstellung
waren auch viele historische Werke von Alt-
Berlin bis zu Menzel und dem von Hartlebens
römischem Maler so treuherzig ironisch ge-
feierten Anton von Werner. Nicht als ob ich
ein altes Lied hier anstimmen und dem jetzt
stumm gewordenen Akademiepräsidenten noch
ein Schellenglöcklein anhängen wollte; aber
das möchte ich doch sagen, daß keine der
vielen Liebermann-Ausstellungen mir so lehr-
reich war wie jene. Die Zugehörigkeit zur
Berliner Kunst, allerdings mehr zu der von
Menzels Art als dem von Werners faustfertigem
Programm, wurde da einem jeden recht klar,
oder konnte ihm klar werden. Freilich ist
Liebermann, der Sammler von Manets Bildern
und Daumiers Lithographien, ein internationaler
Künstler, aber er ist wesentlich Berliner von
altem Schrot und Korn, von der Tüchtigkeit
des guten Berlin, seine Entwicklung führt mit
logischem Zwang und innerer Notwendigkeit
von Chodowiecki über Krüger, Steffeck und
Menzel bis herauf zu uns und wenn wir heute
so viel über Ausländerei in Deutschland klagen
hören, so mag wohl Liebermanns Kunst die
beste, nämlich die schlagende Widerlegung
liefern; denn was immer er auch von den alten
und neuen Holländern angenommen haben
mag, so ist er doch ein deutlich erkennbarer
Berliner und eigentlich nichts als Berliner.
Liebermann gehörte in seiner Jugend noch
einer Zeit an, die sich einen Maler nicht denken
konnte, ohne eifrige Beschäftigung mit alten
Meistern. Es war weniger nötig, selbst zu malen,
als über die alte Kunst etwas Schönes und
Verehrungsvolles zu sagen. Es genügte, die
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ich vielleicht etwas Persönliches erzählen.
Als ich noch die harten Bänke des Würzburger
alten Gymnasiums drückte und mich schon
für neuere Kunst zu interessieren begann, aber
niemand hatte, der mir hierüber etwas sagen
konnte, war ich auf die mir gelegentlich in
die Hand kommenden Zeitungsberichte ange-
wiesen. Da wurde der Name Liebermann nur
mit Abscheu genannt; wirklich grauste es mich,
wenn ich lesen mußte, daß in Berlin ein
Mann lebe, dem es Freude mache, die Welt
schwarz zu malen. Ich war noch so jung, die
Welt lachte mir so hell und bunt ins Auge, die
Sonne schien klar und rein; da wollte es mir
durchaus berechtigt scheinen, wenn die Herren
Critici z. B. der von der Leipziger Illustrierten
Zeitung, auf dessen Weisheit ich hauptsächlich
angewiesen war, ihre Mißbilligung über einen
Künstler ausdrückten, der vom Leben — salva
venia — nur den D—k malte und dem die Auf-
gabe der Kunst nicht schien, wie die braven
alten Meister die Wunder der Schönheit dieser
Zeitlichkeit in seinen Werken festzuhalten.
Dazu kam, daß Liebermann im bayerischen
Landtag ein recht unvorteilhaftes Leumunds-
zeugnis erhalten hatte, und so machte ich mir
sehr ungünstige Vorstellungen über ihn als
einen bösen, vielleicht wunderlichen Herrn,
der die schöne Gottesgabe der Kunst ausnutze,
um den Menschen die Welt zu verekeln; im
geheimen dachte ich mir allerdings, daß er
doch wohl recht viel können müsse, sonst
würde man sich kaum so sehr um ihn kümmern.
Das ging so bis zum Jahre 1896, wo ich zum
erstenmal nach Berlin kam und auch die Kunst-
ausstellung am Lehrter Bahnhof besuchte. Ich
irrte mehr oder weniger ratlos in den riesigen
Sälen herum, wo viel trübe Bilder hingen, bis
mich endlich am seitlichen Ende einer langen
Flucht von Kunstkäfigen ein heller Lichtschein
lockte. Eilends steuerte ich drauf los, wie die
leichtsinnige Motte auf die strahlende Bogen-
lampe und stand plötzlich in einem Raum,
der mir heute in der Erinnerung steht als der
Inbegriff an Reinheit und Freudigkeit der
hellsten Farbe. Es war eine Kollektivaus-
stellung der Bilder von Max Liebermann und
wenn ich auch hocherfreut war über die Er-
lösung aus der Misere der anderen Säle, so
fiel es mir doch schwer aufs Herz, daß ausge-
rechnet dieser Maler des Lichtes mir geschil-
dert worden war als D—kmaler, als Rhyparo-
graph, als Gossenkünstler usw. Es kam mir als
ein großes Unrecht an meiner armen Würz-
burger Jugend vor, daß man, den hilflosen
Gymnasiasten so falsch über die junge und
schon so große mit ihm lebende Kunst unter-
richtet hatte. Späterhin las ich dann in Jona-
than Swift von einem Blindgeborenen. Dieser
hatte mehrere Angestellte, die gleich ihm blind
zur Welt gekommen waren und deren Aufgabe
es war, Farben für Maler zu mischen; ihr Mei-
ster lehrte sie, die Farben durch Anfühlen und
Beriechen zu unterscheiden. Swift fügte bei,
daß dieser Künstler sehr geschätzt und von
der ganzen Zunft gefördert war. Nun dachte
ich mir, jene Leute, die mir Liebermann so
sehr als einen Schwarzmaler vergrauelt haben,
mögen wohl auch bei Swifts pfiffigem Farben-
meister in die Schule gegangen sein. Als ich
aber dann selbst unter die Schreiber ging, nahm
ich mir vor, jenes an mir und meiner Jugend
begangene Unrecht so weit wie möglich wieder
gut zu machen und andere vor gleichem Scha-
den zu bewahren und so war es mir ein lieber
Auftrag, als die Redaktion dieses Blattes mich
aufforderte, bei Liebermanns Jubiläum mich
in den Chor der Gratulanten zu mischen.
Gratulor, gratulor, ad multos annos gratulor.
Auf der erwähnten Berliner Ausstellung
waren auch viele historische Werke von Alt-
Berlin bis zu Menzel und dem von Hartlebens
römischem Maler so treuherzig ironisch ge-
feierten Anton von Werner. Nicht als ob ich
ein altes Lied hier anstimmen und dem jetzt
stumm gewordenen Akademiepräsidenten noch
ein Schellenglöcklein anhängen wollte; aber
das möchte ich doch sagen, daß keine der
vielen Liebermann-Ausstellungen mir so lehr-
reich war wie jene. Die Zugehörigkeit zur
Berliner Kunst, allerdings mehr zu der von
Menzels Art als dem von Werners faustfertigem
Programm, wurde da einem jeden recht klar,
oder konnte ihm klar werden. Freilich ist
Liebermann, der Sammler von Manets Bildern
und Daumiers Lithographien, ein internationaler
Künstler, aber er ist wesentlich Berliner von
altem Schrot und Korn, von der Tüchtigkeit
des guten Berlin, seine Entwicklung führt mit
logischem Zwang und innerer Notwendigkeit
von Chodowiecki über Krüger, Steffeck und
Menzel bis herauf zu uns und wenn wir heute
so viel über Ausländerei in Deutschland klagen
hören, so mag wohl Liebermanns Kunst die
beste, nämlich die schlagende Widerlegung
liefern; denn was immer er auch von den alten
und neuen Holländern angenommen haben
mag, so ist er doch ein deutlich erkennbarer
Berliner und eigentlich nichts als Berliner.
Liebermann gehörte in seiner Jugend noch
einer Zeit an, die sich einen Maler nicht denken
konnte, ohne eifrige Beschäftigung mit alten
Meistern. Es war weniger nötig, selbst zu malen,
als über die alte Kunst etwas Schönes und
Verehrungsvolles zu sagen. Es genügte, die
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