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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 35.1919-1920

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Der Münchner Glaspalast 1919
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https://doi.org/10.11588/diglit.14153#0030

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CONSTANTIN GERHARDINGER

Münchner Glaspalast-Ausstellung

STILLEBEN

DER MÜNCHNER GLASPALAST igig

Der Eindruck des Münchner Glaspalastes vom
Sommer igig ist im großen und ganzen der
gleiche wie im Vorjahr. Die Künstlergenossen-
schaft und die „Secession" zeichnen wieder als ge-
meinsame Veranstalter. Die kleineren Gruppen,
„Luitpoldgruppe", „Bayern" und „Bund" stell-
ten sich mit Sonderveranstaltungen ein. Das
Kunstgewerbe wird sehr ansprechend durch
eine kleine, nicht eben durch Neuheit der Form
auffallende, indessen qualitativ recht gediegene
Schau des Münchner Kunstgewerbevereins reprä-
sentiert. Neu ist nur die in etwa zwölf Sälen
des Westtraktes um den sogenannten „Franzö-
sischen Saal" gruppierte unjurierte Ausstellung,
die „Freie Ausstellung". Sie ist ein Kind der
Revolution und ihrer sozialen Auswirkungen
im Bereich des Kunstbetriebes. Gut ist sie
nicht, frisch auch nicht, überraschend auch
nicht, nur entsetzlich langweilig. Es gibt in
der Abteilung der Künstlergenossenschaft be-
kanntlich Schreckenskammern, in die alles Un-
zulängliche, aber aus irgendwelchen (meist sehr
menschlichen) Rücksichten nicht Zurückweis-

bare zusammengehängt wird: es mutet einen
aber an, als seien diese Schauerkabinette noch
Qualitätsveranstaltungen gegenüber einzelnen
Räumen der Freien Ausstellung. Daß sich
einige Künstler von Klasse zu den Freien stel-
len, beweist nichts. Innerlich gehören sie nicht
dahin. Pilartz z. B. hätte seine Plastik auch
anderwärts zeigen können.

Der Freien Ausstellung wegen unterblieb die
geplante Retrospektive, die zur Erinnerung an
die vor einem halben Jahrhundert veranstaltete
„Internationale Ausstellung" im Glaspalast in
Aussicht genommen war. Sehr bedauerlich. Sie
hätte Künstlern und Kunstfreunden die Augen
darüber geöffnet, daß die damaligen Leistungen
der Münchner Kunst unvergleichlich höhere
und bessere waren als die heutigen, und daß
die Ströme der Anregung, die von der Ausstel-
lung ausgingen und bis in die achtziger Jahre
hinein vorhielten, endgültig versiegt sind. In
der Stilunklarheit und Kräftezersplitterung un-
serer Zeit ging, für die Gesamtheit wenigstens,
die Tradition unter und nichts trat an ihre

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