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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 35.1919-1920

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Vogel, Julius: Max Klinger: 18. Februar 1857 - 4. Juli 1920
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https://doi.org/10.11588/diglit.14153#0449

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MAX KLINGERS WEINBERGVILLA IN GROSZ-JENA BEI NAUMBURG, IN DER DER KÜNSTLER STARB.
AUF DEM BERGE, DER NACH LINKS IN DIE HÖHE STEIGT, IST KLINGERS GRABSTÄTTE. — NACH

EINEM AQUARELL MAX KLINGERS

MAX KLINGER f

18. FEBRUAR 1857 — 4. JULI 1920

Max Klingers Tod kam uns nicht ganz un-
erwartet. In den ersten Oktobertagen des
vergangenen Jahres hatte ihn auf seiner wun-
derbar gelegenen Weinbergvilla in Großjena
bei Naumburg ein schwerer Schlaganfall heim-
gesucht, so schwer, daß einige süddeutsche
Blätter bereits seinen Tod meldeten. Bald
darauf siedelte er mit seiner jungen Gattin
nach Leipzig über, wo er eine baldige Erho-
lung unter liebevoller Pflege erhoffte. Wir alle,
die wir in diesen bangen Monaten ihn sehen
und sprechen konnten, suchten ihm Mut und
Hoffnung zuzusprechen, denn Max Klinger,
ein gebrochener, leidender Titan, ohne Arbeit,
ohne Pläne — dieser Gedanke war allen un-
erträglich, die ihn kannten und die wußten,
welche Fülle großer Pläne er noch in sich
barg, und welchen Wert er darauf legte, diesen
Plänen künstlerischen Ausdruck zu geben.
Und doch mußten wir uns sagen, daß alle
Hoffnung nur schwach begründet sei. Ich habe
ihn zwei Tage, bevor er Leipzig verließ, um
nach seinem geliebten Sommersitz zu übersie-
deln, wo er vollkommene Heilung von seinem
Leiden erhoffte, gesehen und gesprochen und
von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft
mich mit ihm unterhalten, aber ich konnte mir
nicht verhehlen, daß dieses Leben an seinem
Ziele angelangt sei und nach menschlichem
Ermessen nicht mehr lange währen könne.
Leider habe ich mich mit anderen, die der-

Ein großer Teil des Werkes Max Klingers ist in unserer
Zeitschrift im Laufe der Jahre veröffentlicht worden, in Einzel-
reproduktionen und größeren illustrierten Aufsätzen; wir ver-
weisen im besondern auf Jahrgang 1804 g5, igoi 02, igo8;og.

selben Meinung waren, nicht getäuscht. So ist
er denn am 4. Juli in der Mittagstunde aus
seinem großen, arbeitsreichen, gottbegnadeten
Schaffen abberufen worden — zu früh für alle,
die von ihm noch manches Große erwarteten,
aber vielleicht zur rechten Stunde, wenn man
daran denkt, daß seinem Schaffen durch seine
Krankheit ein Ziel gesetzt war, und daß er
möglicherweise einem unheilbaren Siechtum
entgegengegangen wäre. Auf seiner Besitzung,
über dem Unstruttale, von wo aus man einen
entzückenden Blick über Berg und Tal ge-
nießt, ist er seinem Wunsche gemäß oben auf
Bergeshöhe am Abend des 8. Juli zur letzten
Ruhe bestattet worden. Als der Sarg in die
Tiefe gesenkt wurde, da schien es uns, als ob
nun ein gutes Stück deutscher Kunstgeschichte
seinen Abschluß gefunden habe.

Sage ich zuviel, wenn ich behaupte, die deut-
sche Kunst hat noch nicht seinesgleichen ge-
habt, und muß ich fürchten, auf Widerspruch
zu stoßen, wenn ich behaupte, daß mit Max
Klinger der größte deutsche Künstler dahinge-
gangen ist? Dieses Urteil mag manchem ver-
früht erscheinen, denn über Klingers Kunst
in ihrer Gesamtheit steht dem jetzigen Ge-
schlecht noch kein abschließendes Urteil zu,
da diese Kunst selbst für den Einzelnen, der
in ihr und mit ihr gelebt hat, schwer zu über-
sehen ist. Ich will auch an dieser Stelle nicht
versuchen, nur die wichtigsten Werke Klingers
zu nennen. Wer sie kennt, bedarf dieser Auf-
zählung nicht, und wem sie noch nicht bekannt
sein sollten, dem ist damit nicht gedient. Nur

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