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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 35.1919-1920

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Neue Kunstliteratur
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https://doi.org/10.11588/diglit.14153#0170

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ragte, einen der Großen, die wie hohe Gipfel sind,
die der Wind peitscht und die Wolken einhüllen".
Und hierin gleichen sich die drei geistigen Führer,
die getrennt durch Länder und Zeiten den Leidens-
weg des Genies kämpfend durchschritten, Helden
reiner Menschlichkeit und menschlicher Liebe.

Rolland will keine Biographien im hergebrach-
ten Sinne geben, will nicht die Werke dieser Män-
ner deuten und mit wissenschaftlicher Akribie als
kritischer Betrachter und Sezierer zerlegen. Er will
nur den Menschen, den großen Menschen in seinen
Leidenschaften schildern, das wahre Heldentum:
„Die Welt zu sehen, wie sie ist — und sie zu lieben".

Das Tragische in dem Schicksale Michelangelos
ist, „daß es ein Bild des inneren Leidens zeigt, das
aus dem tiefsten Grunde des Wesens kommt, das
ohne Unterlaß an ihm nagt und das es nicht eher
verlassen kann, als bis es zerstört ist. Es ist eine
der mächtigsten Typen jener großen Menschen-
rasse, die seit neunzehn Jahrhunderten unseren
Okzident mit ihren Schreien erfüllt, Schreien des
Schmerzes und des Glaubens".

So enthüllt uns denn der Meister in einer dem
Dichter eigenen Sprache die Lebensschicksale des
großen Florentiners, indem er den einsam seine
Wege wandelnden und seine Lebens- und Liebes-
glut, seinen Glauben und seine Verzweiflung in
Briefen und Sonetten erklingen lassenden Men-
schen vor uns erschließt, nicht den Künstler,
den Plastiker und Maler, sondern den Menschen
Michelangelo.

Romain Rollands Werk erschien bereits 1906
in französischer Sprache. Erst jetzt hat es, nach-
dem es bereits in vielen tausend Exemplaren in
Frankreich bekanntgeworden ist, bei uns Eingang
gefunden und liegt nunmehr in einer mustergül-
tigen deutschen Ausgabe, geschmückt mit vielen
Bildertafeln, vor. Obgleich Michelangelos Leben
und Werke durch Grimm, Justi, Thode, Frey und
Mackowsky von den verschiedensten Gesichts-
punkten aus behandelt worden sind, wird jeder
mit Gewinn zu Rollands von dichterischer Glut
durchwärmten und tiefer Menschlichkeit verklär-
ten Schrift greifen. k. Sch.

wilhelm lehmbruck kleines kind

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