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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 35.1919-1920

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Bernini als Lehrer
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https://doi.org/10.11588/diglit.14153#0419

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ERNST TE PEERDT ZWIEBELN. STILLEBEN

Große Kunstausstellung Düsseldorf lQ2o — Mit Genehmigung der Galerie Fleclitheim, Düsseldorf

ist, weil er sich zu spät bemüht hat, nach
eigener Erfindung zu arbeiten.' — ,Was nun
die Maler speziell angeht,' fuhr der Cavaliere fort,
.dürfen sie nicht dabei stehen bleiben, aus
antiken Reliefs und Statuen die Zeichnung zu
abstrahieren, sondern sie müssen vornehmlich
die Altmeister eines großen malerischen Vor-
trags studieren und ihre Werke kopieren, z. B.
Giorgione, Pordenone, Tizian und Paolo Vero-
nese, — diese sogar noch mehr als Raffael,
obwohl Raffael gesetzmäßiger ist als alle ande-
ren. Man hat von Raffael behauptet, meine
Herren, seine Kompositionen seien deshalb so
unvergleichlich viel besser als andere, weil seine
Freunde Bembo und Balthazar Castiglione ihre
Weisheit und ihren abgeklärten Geschmack
dem Künstler zur Verfügung gestellt hätten.
Es wäre eine akademische Streitfrage, ob ein
Maler sein Bild schon vor der Vollendung zei-
gen soll, oder ob es nicht doch die bessere
Methode ist, das Werk erst einige Zeit ruhen
zu lassen und es später vor der öffentlichen
Ausstellung nochmals zu revidieren. Annibale
Carracci war dafür, ein Bild sofort auszu-
stellen, damit seine Fehler: Trockenheiten,
Härten und derartiges zur Sprache gebracht
und verbessert werden könnten. Um den Wett-
eifer unter den Schülern anzuspornen, müssen

Preise ausgeschrieben werden, wie das in Rom
z. B. an der Akademie des Kardinals Barberini
üblich ist. An der hiesigen Akademie würde
ich folgende Preise aussetzen: Wer die beste
Zeichnung liefert, darf ein Gemälde danach
ausführen und dieses mag ihm dann gut be-
zahlt werden. Wer von den Bildhauern das
beste Modell macht, erhält Auftrag für eine
Louvre-Statue und diese wird ihm dann eben-
falls gut bezahlt". In diesem Augenblick trat Herr
Le Brun ein und der Cavaliere begrüßte ihn
mit weltmännischem Anstand. Dann fuhr er
in seiner Ansprache fort. ,Es gibt drei Mittel,
ein guter Bildhauer oder Maler zu werden:
frühzeitig Schönes sehen und sich daran ge-
wöhnen, fleißig sein und guten Rat hören.
Denn wenn ein Mann viel Arbeit hinter sich
hat, kann er den Jüngeren mit ein paar kurzen
Worten viel Mühe ersparen, Korrektur geben
und den Weg abkürzen. Annibale Carracci
— ich wiederhole es nochmals — wollte ein
Bild sofort nach der Herstellung der Kritik des
Publikums ausgesetzt wissen. Letzten Endes
aber muß jeder einzelne aus eigener Kraft ver-
suchen, die Fehler, zu denen er neigt, durch
ihr Gegenteil auszugleichen: Kleinliches durch
Gewaltiges, Schwäche durch Kraft, kurze Pro-
portionen durch schlanke und umgekehrt ge-

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