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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 35.1919-1920

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Kurth, Willy: Die Bildnisausstellung in der Akademie der Künste, Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.14153#0427

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derbilder aus der Fa-
milie Humboldt von
dem Reiz der Auf-
fassung zurückge-
drängt wird. Leider
fehlen große Proben
von Krüger und Men-
zel, die nur mit eini-
gen Zeichnungen und
kleinen Bildern auf-
treten. Nur Magnus
vertritt mit dem schon
öfter gezeigten gro-
ßen Porträt der Hen-
riette Sontag die an-
mutige Sachlichkeit
der Biedermeierzeit,
die die Charakteristik
noch nicht in fader
Gesellschaftlichkeit
ertrinken läßt. Die
fünfziger Jahre ha-
ben nur noch selten
den Anstand, diese
Mäßigung zu üben.
Das Malerische, wohl
für das Technische
ein Gewinn, wurde es
aber nicht allemal für
die Auffassung. Die
bestechende Haltung
mit Wendung und
Pose zieht ein, und
Gustav Richter wird
ihr typischer Reprä-

daniel chodowiecki Kinderbildnis sentant. Hier scheint

BildnisaussteUung in der Berliner Akademie ^ Grenze Berliner

Portätkunst zu liegen

hundertausstellung oder von anderen kleineren — oder auch der Berliner Gesellschaft. Die ko-
Ausstellungen her bekannt. Weniger bekannt ketten Reize weicher Hintergründe, weiche ver-
trat die Plastik im großen Saale auf. Hier war blasene Halbtöne umkosen die Figur und lösen
vieles aus öffentlichen Gebäuden zu sehen, das sie in Salonfadheit auf. Gussow kommt doch
ebenso versteckt lebt wie im Hause des Bür- dann das Verdienst zu, Charakteristik und Form
gers. Mehr als in der Berliner Bildnismalerei auf eine herbere Art zurückgestimmt zu haben,
hat die gespannte Geistigkeit, die kühle Hai- die der Atmosphäre der guten berlinischen
tung, dort mit der guten bürgerlichen Tugend Kultur gemäßer ist. Selbst A.v. Werners Selbst-
der Fhrasenlosigkeit, die der alten preußischen bildnis gewinnt in dieser Entwicklungsreihe trotz
Hauptstadt eigen war, in der Porträtbüste der des Fehlens aller malerischer Kultur etwas Eige-
ersten Hälfte des Jahrhunderts ihren klassi- nes. In dieses Milieu trat dann Stauffer-Bern
sehen Ausdruck gefunden. Von Schadows Ni- ein. Seine Form war menzelsch geschult, den
kolaibüste (Abb. S. 400), über Rauchs Zelter- Malton brachte er aber von München mit. Nun
büste zu Tiecks herber Schinkelbüste ist diese ging der Verfall rapid. Die Tradition reißt ab.
Zeit typisch vertreten. In der Malerei vermag Hier hätte Liebermann erscheinen müssen. Lebt
das 18. Jahrhundert mehr kulturhistorisch zu doch in seinen guten Bildnissen jene glückliche
interessieren, fehlt doch Chodowiecki fast ganz Verbindung vom charakterisierenden Zeichen-
(Abb. S. 398). Und was Frisch und Weitsch stift und der freien malerischen Haltung, die
dagegen zu stellen haben, ist Konvention, die eine gewisse Höhe der Berliner Porträtkunst
in Wilhelm Schadows Doppelbildnis, der Kin- bezeichnen. W. Kurth

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