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Das Kunstgewerbe in Elsaß-Lothringen — 6.1905-1906

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Die künstlerischen Bestrebungen der Freiherren von Müllenheim
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T08

Die künstlerischen Bestrebungen der Freiherren von Müllenheim.

Becher von Oberle, ausgeführt
von der Goldschmiedcabteilung.

der Familienarchive regelmäßig die erfreu-
liche Folge gezeitigt, daß die lebendige
Anteilnahme der betreffenden Familien-
mitglieder an dem Kunstbetriebe aus zahl-
reichen Aufträgen vom Kirchen- und
Burgbau bis zum Kleingeräte erhellte.

Indes erscheint es doch durchaus
falsch, diese Erscheinung aus der allge-
meinen Kulturgeschichte herauszuheben
und ihr den Wert beizumessen, als hätte
sie eine Bedeutung für sich selbst, als
läge ihr wirklich ein durch Geschlechter
hindurch sorgsam ausgebildeter Kunstsinn
zu Grunde. Es kommen, gerade im Elsass,
doch ganz andere Motive dabei in Be-
tracht, die zwar die Freude an dem
Geschaffenen nicht zu trüben, höchstens
uns eine andere Triebfeder der Kunst-
fürderung zu zeigen vermögen, als die,

von welcher sich der begeisterte moderne
Kunstfreund eine bestimmte Vorstellung-
gemacht hat. Die Werke kommen, um es
mit einem Wort zu sagen, nicht aus den
Gesinnungen künstlerischer Tugend selbst,
wie auch der moderne Begriff der Kunst-
pflege noch nicht entwickelt war, wenn
er im Gefühle und in der Energie auch
bereits keimte.

Es ergiebt wie von selbst eine
Parallele zu einer ähnlichen, ja weitaus
intensiver gewürdigten Erscheinung, näm-
lich der, die uns in Nürnberg entgegen
tritt. Die Nürnberger Patrizier sahen sich
in der weiten Welt um, um ihren Ge-
sichtskreis zu erweitern. Eine gewisse
Abhängigkeit von außen begünstigte den
Fortschritt, veranlaßte neue Bedürfnisse
künstlerischer Art. Die Schranken des
Glücklichseins in dem Ererbten wurden
überwunden durch diese Beziehungen und
durch eine Besorgtheit für das Seelenheil
wie für die Erhaltung des Nachruhms,
die der Trieb aller Kultur ist. Das Nürn-
berger Mäcenatentum hat in seinem Wesen
dieses Princip der Kultur. Ein positives
Selbstgefühl spricht aus solcher gewisser-
maßen hervorbringenden Tätigkeit. Wer
stiftete den schönsten Altar von St. Lo-
renz? Ein Im hoff. Wer jenen in der
Frauenkirche? Ein Tucher. Wer ließ die
Kapelle bei St. Sebald bauen? Ein Löffel-
holz. Wem verdankt die Rochuskapelle
ihre Entstehung? Wiederum den Imhoffs.
Wer brachte die Mittel für das Sebaldus-
grab auf? Natürlich wieder die Tucher,
Imhoff, Holzschuher usw.

Das gesamte Nürnbergische Patriziat
hat in einem ehrlichen Wetteifer auf dem
Gebiete der Kunstpflege, getragen von
religiösem Bewußtsein, aber ohne wahre
Erkenntniß der Entwicklung der Kunst
in geistiger Beziehung, sein Höchstes
geleistet.

Hier ist offenbar der einzig richtige
Maßstab für die Beurteilung des Wesens
der Kunstförderung aller adliger Ge-
schlechter auch anderer Landesteile ge-
geben. Freilich auf einem Gebiete wird
sich ein Vergleich schwer durchführen
 
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