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Zeitschrift des Kunst-Gewerbe-Vereins zu München — 19.1869

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Staatshülfe und Selbsthülfe: auf dem Gebiete der Kunstindustrie
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M.: Ueber Appliqué-Arbeiten
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Beschreibung der Kunstbeilagen
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https://doi.org/10.11588/diglit.9045#0008

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auf dem des Kunstgewerbes fühlt, so wird auch außerdem sein Dasein
ein veredelteres und gebildeteres sein. Di'. Schwabe weist darauf
hin, wie wichtig es für die Gegenwart sei, gerade aus der Classe
der Kunsthandwerker eine gebildete und wohlhabende Arbeiterbevöl-
kerung heranwachsen zu taffen,, worauf auch in dieser Zeitschrift
schon vor Jahren aufmerksam gemacht wurde.

Kunst und Kunstffewerbe

vom frühesten Mittelalter bis Ende des 18. Jahrhunderts.

Ein Hand- und Nachschlagebuch zur leichteren Orientirung in

Fächern und Schulen/ Meistern, Nachahmungen, Mustern,

Technik, Zeichen und Literatur von Franz Trautmann

im Verlag der Beck'schen Buchhandlung in Nördlingen.

L. Dieses Buch kommt den Gewerbtreibcnden, den Forschern
und der großen Masse derjenigen zu Statten, welche die Samm-
lungen kunstgewerblicher Gegenstände besuchen. Wie Unzählige haben
solche Sammlungen gesehen und doch nichts gesehen! Ihr Blick
schweift überall und nirgends herum, ohne von irgend einem be-
stimmten Gegenstand oder von irgend einer Gruppe von Gegen-
ständen ein festes Bild mit nach Hause tragen zu können. Woher
kommt das? Daher, daß das Sehen kunstreicher Erzeugnisse selbst
wieder eine Kunst ist, die wie Alles gelernt sein will. Man lernt
aber das Sehen der bezeichneten Schöpfungen, wenn man nicht
ganz unvorbereitet an dieselben herantritt, wenn man etwas über
die Bearbeitung des Materials weiß, ans welchem sie geschaffen sind,
wenn man etwas über den Charakter ihrer Entstehungszeit, über
ihre Schöpfer etwas weiß u. s. w. Ein solches Vorbereitnngsbuch
und zugleich ein unterrichtender Führer durch die Museen ist das
hier besprochene Werk Trantmanns. Es ist auch für den Laien
gut, in Museen sich einzelne Stücke oder Gruppen herauszusuchen
und genauer zu betrachten, wenn er nicht blos sagen will: ich bin
auch im Museuni gewesen. Ich setze den Fall, ein Besucher hat davon
gehört, daß das Museum einen wahren Schatz kostbarer Gläser
in sich berge; er nimmt sich vor, einmal diese zu betrachten, weiß
aber nicht, welche Technik u. s. w. diesen Erzeugnissen ihren Werth
verleiht. Da nimmt er das Buch von Trautmann, in welchem man
sich außerordentlich leicht zurechtfindcn kann, weil es nach Fächern
geordnet ist. ■ Er schlügt also das Fach der Glasarbeiten auf, findet
hier eine gedrängte Geschichte der Glasfabrikation, eine kurze Be-
schreibung des Schleifens und Aetzens von Glas und Krystall, die
Ramm der bedeutenderen Glas- und Krystallarbeiter mit Angabe
der Stätten ihres Wirkens und zuweilen auch mit Angabe ihrer
Werke. Zugleich findet der Leser, der sich eingehender unterrichten
will, die entsprechende Literatur angegeben. Hat sich also der Be-
sucher des Museums auf diese Weise vorbereitet, dann wird er sich
die Glasgefäße genauer ansehen, und sich ihr Bild fester einprägen.
Aebnlich verhält es sich mit den andern Gruppen. Wenn das
kaufende Publikum erst sich entschließt, die in den Museen aufge-
speicherten Schätze wirklich sich anzusehen, dann wird es auch einen
größeren Antrieb in sich spüren, das Kunstgewerbe der Gegenwart in
höherem Maaße zu fördern, als dies gegenwärtig der Fall ist. Es
ist zu wünschen, daß sich recht viele Besucher der Museen in dem
besprochenenen Buche umsehen.

Ueber Appliquv-Arbeiten.

M. Die Abneigung, welche heutigen Tages bei uns gegen
Alles, was Farbe hat, herrscht, ist, wie man weiß, sehr groß, was
eine merkwürdige Erscheinung und ein besonderes Kennzeichen unseres
Jahrhunderts ist, da bekanntlich alle vorhergehenden Jahrhunderte
bis zur Zeit der französischen Revolution das Recht der Farben
ans allen Gebieten der Kunst und des Kuustgewcrbes anerkannt
haben. Erhalten hat sich dieser Sinn für Farbe, wie Viollet-le-Due
treffend bemerkt, nur bei den Damen in Allem, was ihre Toilette
anbetrifft; im klebrigen aber ist er im Allgemeinen auch hier verschwunden.
Unsere heutige Generation nennt diese Abwesenheit und sorgsame
Vermeidung der Farbe nach allen Richtungen hin „Einfachheit,"
„Ruhe," u. s. w., wofür jedoch die Bezeichnungen „Einförmigkeit,"
„Langweiligkeit" zutreffender sein würden. Denken wir uns z. B.
einmal eine große belebte Straffe, wie z. B. die hiesige Maximilians-
straße oder „unter den Linden" in Berlin. Würde es je ein Maler
wagen, sich für eine derartige Scenerie das Bild zum Muster zu
nehmen, welches uns solche Strafen heute bieten? — Nie! Und
warum nicht? — Weil es zu farblos, zu leblos ist. Die Maler
nehmen in solchen Fällen häufig einige farbreich geschmückte Mili-

tärpersonen oder Bauersleute als Staffage zu Hülfe, um in die dar-
gestellte Menschenmenge bezüglich der Farbe Leben zu bringen.
Diese Uniformen und Bauerutrachtcn erscheinen wie jedes lebhaft
gefärbte Kleidungsstück in unseren heutigen Straßenbildern aber stets
noch als Flecken, weil die sie umgebende Menschenmenge und Häuser-
masse nur zweien Farbentönen zu vergleichen sind, welche sich aus
Mangel an Mitteltöucn nicht mit jenen leuchtenden, kraftvollen
Farben verbinden. Welche farbenreiche, lebendige Bilder boten aber
ehedem derartige Straßen? Niemand aber ließ es sich ehedem ein-
fallen, Vorübergehende mit lebhaft gefärbten Kleidungsstücken mit
dem Grade von Staunen uud Bewunderung zu betrachten, wie man
jetzt bei fast allen Menschen und vor allem an sich selber beobachten
kann. Durch das heutzutage seltene Auftreten von kraftvollen Farb-
tönen erklärt sich die Vorliebe, welche der feinere Farbensinn des
schönen Geschlechtes für die Uniformen hegt, 'welche von der sonst
so langweiligen Männcrtracht sich so kräftig abheben.

Dieselbe Eintönigkeit, wie bei der Farbe fand man und findet
man meistens nvch jetzt in der Ausstattung unserer Wohnungen,
wo Alles weiß oder Alles braun u. s. w. ist. Dem entgegen hat
aber nach sehr vielen Richtungen hin eine Reaction einzutreten be-
gonnen, welche ihren Ursprung wohl in den letzten internationalen
Weltausstellungen hat uud in dieser Beziehung ist bte dem Anscheine
nach in gewissen Privatkreisen Münchens sehr emsige Pflege der
sogenannten Appliqu6arbeiten höchst bemerkenswerth. Die Arbeiten
bestehen in Tischdecken, Fensterkissen und Draperien, Wandtaschen,
Papier-, Holz-, Wand-, Tisch- und Handkörben, Handtuchhaltern
u. s. w., welche auf schwarzem Tuche die verschiedenartigsten orna-
mentalen Zeichnungen zeigen, welche mittelst aufgesetzter farbiger
Tuchstücke und Litzen dargestellt werden, während die letzteren
mittelst starker, farbiger Fäden, welche zugleich die Adern der Blätter,
die innere Blüthenzeichnung oder die Stengel u. s. w. bilden, be-
festigt werden. Solche Arbeiten konnte man hier im verflossenen
Dezember im Laden des Herrn Tapezierers Ballin in der Löwen-
grube betrachten und man wird eine Auswahl derselben im kommen-
den Monate in unserer Vereinsausstellung im Nationalmuseum
ausgestellt sehen. Bei Betrachtung derselben wird man daran zuerst
die vortreffliche, gewählte Farbenharmonie und sodann die höchst
gediegene Zeichnung von der Hand unseres chrenwerthen Vereins-
mitgliedes, des Herrn Malers und Musterzeichners Rieppel (Bri-
ennerstr. 6/0) bewundern, auf dessen verständnißvolle Arbeiten im
Fache der weiblichen Handarbeiten wir aufmerksam machen möchten.
Auffallend ist es, daß dieser schon seit dem Jahre 1864 Hierselbst,
also schon drei Jahre vor Eröffnung des hiesigen Nationalmuseums
mit aller Liebe gepflegte Kunstgewerbezweig bis jetzt hier in
München so wenig gekannt ist.

Beschreibung der Kunstbeilagen.

Blatt I. Projekt zu einem silbernen Familienpokal in getriebener Ar-
beit mit Vergoldung und Email vom Architekten A. Seder. Der
Pokal war für die Nürnberger Patrizierfamilie von Tücher
bestimmt, deren Wappen und Embleme an demselben ange-
bracht sind. Der Körper des ganzen Pokals ist vergoldet
während die daraufliegenden Stäbe und Ornamente in mattem
Silber gedacht sind. Blumen, Schrift und Wappen, sowie
die eingelassenen Ornamente sollten in rothem, grünem und
schwarzem Email ausgeführt werden. Auf dem Deckel steht
ein Ritter mit dem Familienwappen. Der Deckelrand trägt
als Spruchband die Widmung des Pokals. Ans Körper
des Pokals sind in 6 Feldern die Bildnisse hervorragender
Familienglieder aus verschiedenen Jahrhunderten abweckselnd
mit den entsprechenden Wappen angebracht Ueber d!n
Familienhäuptern ist je em Engel mit dem Namen desselben
N sehen und unterhalb derselben die Devise der Familie.
Am Fuße des Po als befinden sich g Medaillons mit den
Emb einen und mit den für die Tucher'sche Familiengeschichte
wichtigen Jahreszahlen.

Blatt II. Fig. 1 und 2. Vorder- und Seitenansicht einer Hand-
tuchrolle aus dem bayrischen Nationalmuseum. (Ende 16
^ahrh.). Fig. 6 und 4 Durchschnitte. Fig. 5 und 6 Vorder-
und Seitenansicht eines Tischgestelles (aus dem 16. Jahr-
hundert) aus dem bayrischen Nationalmuseum. Fig. 7 Ver-
bindungsstück der beiden Seitentheile. Fig. 8. Obere An-
sicht dieses Theiles. Ausgenommen und autographirt von
A. Seder.

Redigirt unter

Verantwortlichkeit des Redaktions-Ausschusses von I)r. Lichten stein. — Kgl. Hosbnchdrnckerei von Dr. C Wolf L Sohn.
 
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