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Zeitschrift des Kunst-Gewerbe-Vereins zu München — 19.1869

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Miller, Friedrich: Fabrikwesen im Kunstgewerbe und der Bronceguß der Alten
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https://doi.org/10.11588/diglit.9045#0043

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Zeitschrift

des

Kunst-Gewerbe-Vereins.

Neunzehnter Jahrgang.

München. 1t St !i. 1869.

Die Zeitschrift erscheint monatlich mit wenigstens zwei Seiten Text und zwei Kunstbeilagen. Die BereinSmitglieder erhalten die Zeitschrift unentgeltlich. Im Buch-
handel kostet dieselbe 4 fl. s. W. — 2 Thlr. 12 Sgr. der Jahrgang. Inserate geeigneten Inhaltes werden mit 6 kr. — 2 Sgr. für den Raum einer gespaltenen
Petitzeile berechnet. St and ig e Inserate erhalten eine entsprechende Preisermäßigung. In- und Auswärtige wollen sich dieserhalb an die Buchhandlung von

Theodor Ackermann dahier wenden.

Fabrikwesen im Kunstgewerbe und der Bronceguß
der Alten.

Von Friedrich Miller,

Professor an der Kunstgewerbschule in München.

Die Zeit ist nicht weit hinter uns, wo zwar das alte Wort
vom „deutschen Fleiß" noch galt, die Behauptung aber, daß der
Deutsche auch Geschmack und Kunstsinn habe, nur ein mitleidiges
Lächeln hervorrief. —

Es ist dies heute anders; die letzten Ausstellungen haben be-
wiesen, daß der Geist, der jene Werke schuf, an denen so lange
unsere Nachbarn lernten, im deutschen Handwerk noch lebendig ist. —

Wenn dem ungeachtet dasselbe sich nur langsam loszuringen
weiß von dem Fesseln, die seit Ludwig des XIV. Zeit französische
Mode ihm angelegt, wenn selbst heute das Kunstgewerbe meist nur
in vereinzelten Schaustücken den Beweis des neu erwachten Selbst-
bewußtseins liefert, so liegt der Grund hiefür wohl zunächst im
deutschen Wesen selbst. —

Gehen wir durch unsere Sammlungen und Museen, so finden
wir darin in erster Reihe das deutsche Kleingewerbe vertreten mit
jener Sinnigkeit der Erfindung, jener Liebe, Sorgfalt und Geduld
der Ausführung, wie sie eben nur dem Deutschen eigen ist. Es ist
das nicht anders geworden, die Zeit konnte nichts an diesem Grund-
zug unseres Wesens ändern und überall begegnen wir auch heute
im deutschen Kunstgewerbe den gleichen Eigenschaften wieder. —

Anders aber haben gegen früher sich die Verhältnisse gestaltet,
unter welchen dasselbe in den Kampf moderner Industrie einzu-
treten hat.

Es genügt nicht, daß der Handwerker, der Künstler es verstehe,
Gutes zu machen; soll das Kunstgewerbe wieder frische Wurzel
fassen, dann ist es vor Allem nöthig, daß auch der Käufer lerne,
das Schöne vom Unschönen zu unterscheiden, auf daß er den Werth
oder Unwerth einer Arbeit selbst zu schätzen wisse, daß mit einem
Worte ein veredelter Geschmack wieder Gemeingut des ganzen Volkes
werde. —

In diesem Streben aber verschwindet der sinnigste Gedanke,
wenn er nur einmal ausgeführt wird, und die einzelne noch
so kunstvoll durchgeführte Arbeit zählt für nichts gegenüber dem
einfachsten aber hundertmal wiederholten Stück, wo dem früheren
Handwerker gegenüber heute der Kaufmann, der Fabrikant getreten ist.

Cardinal Wisemann, jener bedeutende Freund und Förderer
des Kunstgewerbes in England hatte darum wohl recht, wenn er sagte:

„Wenn dem einzelnen Stück unsere Vorfahren solch' edle Form
gegeben wurde, um wieviel mehr fordert unsere Zeit uns auf zur
Sorgfalt, wo diese Form bestimmt ist zu tausendmaliger Wieder-
holung." —

So einfach und richtig diese Anschauung auch scheinen möchte,
so ist doch gerade sie leider selten da maßgebend, wo es sich um
fabrikmäßige Produktion im Kunstgewerbe handelt.

Dem Franzosen von vorneherein die Ueberlegenheit des Ge-
schmackes zugestehend sucht der deutsche Fabrikant die Rivalitait
nur in der Billigkeit der Waare und schadet gar oft dadurch
mit einem einzigen Stück dem deutschen Rufe und dem Ge-
schmack im eignen Volke mehr, als hundert Prachtstücke ihm nützen
können. —

Es möchte daher nicht unnütz sein, wenn wir einen Blick heute
auch auf jene Zeit werfen, die der unsrigen, was praktischen Sinn
und Großartigkeit aller Einrichtungen und Verhältnisse betrifft,
mehr wohl, denn jede andere zum Vorbild dienen kann. Ich meine
die Zeit des alten Rom. — Unähnlich dem Mittelalter und der
Renaissance sehen wir dort die einmal als schön und mustergültig
anerkannten Vorbilder immer wiederkehren in Gemälden und
Sculpturen und so war das Verlangen vor Allem auf gediegene
edle Formen gerichtet, unbekümmert darum, wie oft dieselben dem
Auge begegneten. Daß das Gleiche der Kunstindustrie zu Gute
kam, beweisen die Vasen und Figuren ans gebranntem Thon, zahl-
reiche Schmuck- und Silberwaaren, vor allem aber die Broncegüsse,
wo diese der Industrie, den Bedürfnissen des täglichen Lebens
dienten. Hier waren alle Bedingnisse der Vervielfältigung, wie
sonst nirgens gegeben; zugleich aber war mit der practischen For-
derung der Ausführbarkeit und Verwendbarkeit jedes willkührliche
Spielen mit der Form, und ein Verläugnen des Materials von
vorneherein ausgeschlossen. Wie enge aber die drei Factoren, Ma-
terial, Arbeit und Zweck sich zu einander fügten, und zu welch'
harmonischen Kunstgebilden dadurch die einfachsten Geräthe und
Gefäße wurden, dürfte am besten die reiche Sammlung des Museum
Bourbonico in Neapel beweisen. — Wenige Ausnahmen vielleicht
abgerechnet finden wir dort nirgens die gleiche Ausschmückung bei
dem Silber und bei der Bronce sowenig als etwa bei letzterer
die für Bauten und für Stein bestimmten Ornamente wieder, und
dem Material und Zweck ist Alles bis ins Kleinste angepaßt. So
sehen wir an den silbernen Gefäßen, von welchen jedes einzelne
Stück eine vollständig freie Ausführung für sich verlangte, die Blätter
und Figuren Hochgetrieben, die einfacheren sich wiederholenden Or-
namente dagegen meist mit dem Facon-Punsen eingeschlagen oder
selbst auf rein mechanische Weise auf der Drehbank eingedrückt, die
Henkel, wo sie Festigkeit verlangten jedoch meist gegossen und auf
ihnen einfache Figuren mit dem Mcisel eingegraben. —

Anders bei der Bronce — der künstlerische Thcil der Aus-
schmückung bleibt hier fast ausschließlich aus das Modell beschränkt,
dem technischen Theil des Gusses, dem eigentlichen Mittel der Ver-
vielfältigung möglichst geringe Schwierigkeiten bietend; die Orna-
mente sind hier stach gehalten, die einfachen Verzierungen sind nicht
wie beim Silber mit dem Punsen eingeschlagen, sondern auf dem
Hauptkörpcr erhaben, wie dies in der Herstellung des Modelles be-
gründet lag. — Gestattete das Modcllirholz größeren Reichthum
und Mannigfaltigkeit, ohne das Technische der Ausführung dadurch
wesentlich zu erschweren, so lag doch immer das Hauptverdienst in
 
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