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Zeitschrift des Kunst-Gewerbe-Vereins zu München — 19.1869

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Kuhn, ...: Ein Lederkästchen: aus dem National-Museum
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Schmädel, Josef von: Welches sind die Grenzen auf den Gebiete des Kunstgewerbes?
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https://doi.org/10.11588/diglit.9045#0045

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auf taucht man die steifgewordeue Haut in eine Kufe voll siedenden
Wassers, in welchem ein wenig Leim aus Kaninchenhäutcn aufge-
löst ist und läßt dieselbe 10 Stunden unter Erneuerung des Wassers
sieden. Indessen näßt man die Außenseite der Form mit Gummi-
wasser und bestreut sie dann mit ganz feinem reinen Sand. Nun
zieht man die Haut aus der heißen Kufe, spannt sie auf einen
lauwarmen Stein, beschneidet sie nach Bedürfniß und macht sie an
den Rändern dünner, die sich zusammenfügen und decken müssen.
Hierauf wirft man sie in ein heißes Bad von klarem Leim und
zieht sie dann über die Form, die immer mit Sand bestreut wird;
in dem Maße, als die Haut erkaltet, reibt man sie mit einem höl-
zernen Werkzeug und sieht darauf, daß die beiden Ränder gut ge-
leimt sind. Nun läßt man sie trocknen, zieht dann die Form heraus
und schaut, ob nichts fehlt. Man spannt nun die wiederholt mit
Sand bestreute Form aufs neue ein und läßt das Gebilde langsam
einige Tage trocknen. Alsdann läßt man dasselbe in einem neu-
glasirten irdenen Topfe mit Leinöl und Gummi arabicum kochen,
nimmt eine schöne und reine Eselshaut, weicht diese in dem heißen
Oele ein und zieht sie über das in die Form gespannte Leder.
Man beschneidet sie, macht ebenfalls die Enden dünn auf einem
heißen Stein und leimt sie über die vorher aufgespannte Kalbshaut
indem man sie mit einem Achat glättet. Nun läßt man sic 4—6
Tage, je nach der Jahreszeit trocknen und jetzt bringt man mit
einem kleinen heißen Eisen die Zeichnung auf das Leder. Hiezu
gehört vor Allem eine geübte, feste und gleichmäßige Hand, da sich
kein Fehler in der Zeichnung mehr nachbessern läßt. Die Eisen
müssen jedoch stets die gleiche Temperatur haben, hinreichend warm,
um sie noch in der Hand halten zu können, niemals aber so heiß,
daß sie das Leder brennen könnten. Die Zeichnungen haben aber
auch den weiteren Vortheil, daß sie dem Werke eine gewisse Soli-
dität geben und die doppelten Häuteschichteu auf einander befestigen.
Statt dieser Häute wird auch Hundshaut mit Grünspan präparirt
hiezu verwendet, aber obschon sich dieft prächtig glätten läßt, ist
sie für Zeichnungen nicht geeignet. Bei einem sehr temperirten
Hitzegrade wird diese im Ofen getrocknet und trägt später die Ver-
zierungen mit dem Pinsel in Oelfarben auf. Viollet-Le-Duc mob.
frangois p. 319—387.

Man sieht, wie diese Technik verschieden ist von jener, welche
uns früher Professor Dyk (XV. Jahrg. p. 35) zeigte. Die damals vor-
geführten Exemplare gaben das glänzendste Zeugniß von dem künst-
lerischen Sinne Dyk's und zeigten seine hohe Begabung für diese
und ähnliche Versuche, nach den Mustern der Alten für unsere kunst-
gewerblichen Zwecke zu arbeiten; allein von diesen Versuchen bis
zum Heimischwerden der Technik im Gewerbestande ist noch ein
großer Schritt, aber wir wünschen von Herzen, daß auch dieser
endlich gethan werden möge.

Welches sind die Grenzen auf dem Gebiete des
Kunstgewerbes?

Eine zeitgemäße Frage — erörtert von Ios. von Schmädel.

Diese Frage ist nicht allein in theoretischer Beziehung interes-
sant; sie hat in der Neuzeit eine gewisse praktische Bedeutung er-
langt, und zwar dadurch, daß sie jedes Mal auftritt, wo es sich
um eine jener immer häufiger auftrctenden Ausstellungen von kunst-
gewerblichen Erzeugnissen und von der Zulassung zu derselben handelt.

Wer je das Martyrium, ein Comitemitglied einer solchen Aus-
stellung zu sein, durchgcmacht hat, wer je die bitteren Vorwürfe
und Verwünschungen eines Industriellen, dessen Fabrikate nicht der
Rubrik kunstgewerblicher Erzeugnisse einzureihen waren, ertragen
hat, der wird dieser unvermeidlich in den verschiedensten Variationen
auftauchenden Streitfrage die gehörige Würdigung zu theil werden
lassen und wünschen, daß wo möglich feste Normen aufgestellt
würden, nach welchen bei etwaiger Meinungsverschiedenheit eine ge-
rechte Entscheidung getroffen werden könne.

Doch wie das Ideal selbst, welches der Kunst vorschwebt, nicht
in ganz bestimmte Grenzen gefaßt, ja selbst nicht einmal in be-
stimmter Weise definirt werden kann, so entzieht sich Alles, was
zu jenem Ideale anstrebend mit demselben in Berührung kommt,
jeglicher Einengung.

Es wird nie möglich sein, so zu sagen, eine Tabelle der ein-
zelnen Bestimmungen herzustellen, aus welchen in bestimmter Weise
ersichtlich wäre, welche gewerblichen Erzeugnisse in den Kreis der
Kunstindustrie zu ziehen seien und welche nicht. Aber es lassen
sich allgemeine Normen aufstellen, die im Prinzipe das entscheiden
was durch faßbare Grenzlinien nicht festgestellt werden kann.

Doch um diese Normen aufzustellen, ist cs vor Allem nöthig
das Wesen der Kunstindustrie zu definiren, und erst von dieser
Grundlage aus wird es möglich sein, den auftauchenden Zweifeln
bestimmte Prinzipien entgegen zu stellen. — Ohne vorherige ge-
nauere Definition können wir jedoch schon auf Grund der Bezeich-
nung „Kunstindustrie" behaupten, daß sie so zu sagen aus
der Vereinigung von Realismus und Idealismus, d. h. daß sie
zugleich aus den praktischen Errungenschaften der Industrie und den
idealen Bestrebungen der schönen Künste hervorgegangen ist. Wir
stehen also hier vor ztveierlei Aeußerungen der menschlichen Arbeits-
kraft, die in ihrer Zusammensetzung ein eigengeartetes Produkt
„die Knnstindustrie" zum Vorschein gebracht haben. Suchen
wir daher die geistige Grundlage der beiden Haupttheile der Kunst-
industrie, also „Kunst" und „Industrie" zu erfassen, so werden
wir einerseits in ihrer Verschiedenheit, anderseits in ihren Wechsel-
beziehungen die Principien finden, welche der Kunstindustrie den
charakteristischen Stempel zur leichteren Definition aufprägen.

Wir gehen dabei von der Anschauung aus, daß der Mensch,
wie es scheint zwei von einander unabhängige Vermögen besitzt und
zwar den auf das Nützliche gerichteten berechnenden Verstand und
den auf die Veredlung des Nützlichen gerichteten Schönheitssinn. —
Auf dieser Doppelthciluug der geistigen Kräfte des Menscheu, beruht
denn nun auch zum großen Theil die Gesammtthätigkeit der mensch-
lichen Gesellschaft.

Wir danken dem Verstände, daß wir beständige Wohnplätze,
einen zuverlässigen Unterhalt haben, daß wir in großen Gesellschaften
unter guten Gesetzen leben, wir danken ihm Wissenschaft und In-
dustrie. Jenem Schönheitssinne aber verdanken wir die Vered-
lung und Verschönerung der Produkte des Verstandes, und wir
verdanken ihm die Kunst.

Damit sagen wir also, daß die Kunst in ihren idealen Bestreb-
ungen ein sichtbarer und fühlbarer Ausdruck des auf das Ideale
gerichteten Schönheitssinnes'sei, während die Industrie ihr Dasein
der Schärfe des Verstandes zu verdanken habe. Die Kunst muß
also vor allen Dingen das Ideal erstreben, während die Industrie
dem Realismus der Nützlichkeit zu huldigen hat. Neigt sich die
Kunst zum Realismus oder die Industrie zum Idealismus, so haben
wir es beiderseitig weder mehr mit der reinen Kunst, noch mit der
reinen Industrie zu thun. Es führt eine solche gegenseitige
Annäherung der Urkräfte zu einer Verschmelzung der scheinbaren
Extreme und so ist es die Kunstindustrie, welche als die Ver-
mittlerin zwischen Ideal und Realismus auftritt.

Wir können daher sagen: die Kunstindustrie ist der Inbe-
griff jener Produkte, welche einerseits der menschliche
Verstand theils für die unabweisbaren Bedürfnisse, theils für
die Bequemlichkeit des Lebens erfunden und erdacht hat, und die
anderseits der auf das Ideal gerichtete Schönheitssinn durch prak-
tische Anwendung der schönen Künste zu veredeln sucht.

So gibt diesen Produkten die Industrie durch ihre technischen
Vortheile und Erfindungen die nothwendige Zweckmäßigkeit, während
die Kunst sic adelt, indem Poesie die Motive, Architektur und Bild-
nerei die Formcnschönheit, Malerei die Harmonie der Farben spendet,
so daß alle in ihrer Vereinigung ein harmonisch schönes Ganze
geben, das nicht allein seiner praktischen Bestimmung, sondern auch
den höheren Ansprüchen der Kunst und Schönheit Genüge leistet.)'
 
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