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Zeitschrift des Kunst-Gewerbe-Vereins zu München — 19.1869

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Schmädel, Josef von: Styl und Zweck: eine Studie
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Kuhn, ...: Schmuckgegenstände aus dem 16. u. 17. Jahrhundert: aus dem bayerischen Nationalmuseum
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https://doi.org/10.11588/diglit.9045#0021

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Bestimmung des Kunstwerkes passendsten Grundgedanken wählen,
und hierauf den letzteren mit der vollen Freiheit der künstlerischen
Phantasie zweckmäßig in der Gesammtform und stylgemäß in dieser
und in allen ihren Einzeltheilen durchführen. Auf diesem Wege
würden wir wieder dahin kommen, Styl und Zweck zusammcnzu-
fassen und Originalwerke von künstlerischer Bedeutung zu schaffen,
welche einerseits den Bedürfnissen der Neuzeit entsprechen, welche andere
als die der früheren Jahrhunderte sind, und welche andererseits
die feststehenden im Laufe der Jahrtausende erkannten künstlerischen
Prinzipien zur Geltung bringen.

Schmuckgegenstände aus dem 16.». 17. Jahrhundert

aus dem bayerischen Nationalmuseum.

Von Professor Kuhn,

Conservator des bayerischen Nationalmuseums.

Das Auftreten der Renaissance in der Culturgeschichte war
durch die neuen Lebensanschauungen bedingt, welche wieder das
endliche Resultat von Ideen waren, die ihrer Zeit weit vorangceilte
Geister schon längst bewegt hatten.

Die natürliche Folge dieser wesentlich geänderten Weltbetrachtung
zeigte sich nicht allein in der Behandlung der damals flüssig gewor-
denen religiösen Frage, sondern auf allen Gebieten des menschlichen
Wissens und Könnens. So sehr auch der Kampf der Geister durch
die Reformation entbrannt war, konnte doch derselbe die Freude am
Dasein nicht verdrängen, im Gegentheile erhöhte sich mehr und mehr
dieselbe zum freudigen Genüsse des Lebens, der tausend und tausend
Hände beschäftigte und so Schönes und Herrliches schuf, daß wir
noch jetzt mit Recht über diese reiche Productivität staunen und die
genialen Arbeiten bewundern, welche die Kunst und das Kunsthand-
werk damals hervorbrachte. Dieses rege und geschäftige Treiben
des Kunsthandwerks hatte jedoch seinen Glanzpunkt darin, daß es
sich seiner Ziele vollkommen klar bewußt und des Stoffes in dem-
selben Maaße mächtig war, so daß sich in den Erzeugnissen dieser
Zeit Styl und Charakter vollkommen aussprechen. Namentlich waren
es die Metallarbeiter, die Silber- und Goldschmiede, die hierin Vor-
zügliches leisteten. Sie entwarfen nicht blos die Idee zu dem Ge-
genstände, den sie ausführen wollten, sie entwarfen auch die Zeich-
nung, führten sie aus, formten das Modell und bildeten darnach
das Metall aus freier Hand, ebenso besorgten sie selbst alle weiteren
Zierungen, vergoldeten, gravirten, emaillirten selbst, so daß unsere
moderne Zeit mit ihrer Arbeitstheilung und Fabrikindustrie billig
über die reichhaltige Bildung und verschiedenartige Kunstfertigkeit
dieser alten Handwerksmeister staunen muß. So brachten diese aber
auch ihre Gedanken vollkommen zur Erscheinung, und ihre Schöpf-
ungen machen deshalb auf den Namen von Kunstwerken vollständigen
Anspruch. Im Nachstehenden bringen wir nun einige Schmuckgegen-
stände, welche sich im bayerischen Nationalmuseum befinden.

Die zwei ersten Gegenstände stammen aus dem Sarge der
Pfalzgräfin Amalie Hedwig (geb. 1584 zu Neuburg, ff daselbst 1607),
einer Tochter des Pfalzgrafen Philipp Ludwig von Neuburg (f 1614)
und seiner Gemahlin Anna von Jülich (f 1632).

Das Haus Pfalz-Neuburg, welches nach Beendigung des Lands-
huter Erbfolgestreites 1507 dadurch entstand, daß für die Söhne
des Pfalzgrafen Rupert und der Tochter Herzogs Georg des Reichen,
Elisabeth, für Otto Heinrich und Philipp den Streitbaren Theile
der Obcrpfalz abgerissen und unter dem Namen „Junge Pfalz"
diesen übergeben wurden, hatte am Ende des 16. Jahrhunderts bis
in die Mitte des 17. seine Begräbnißstätte in der Gruft der Stadt-
pfarrkirche zu St. Martin in Lauingen. Im Jahre 1781 wurde
dem Kurfürsten von Bayern, Carl Theodor, gemeldet, daß einige
Zinnsärge in dieser Gruft durch Oxydation stark beschädigt und
mehrere werthvolle Gegenstände aus denselben herausgefallen seien.
Es wurde sogleich eine Kommission ernannt, welche sämmtliche Särge
eröffnen, alle kostbaren Gegenstände aus denselben herausnehmen
und an den Kurfürsten einsenden sollte. Laut des damals geführten

Protokolles fanden sich in den beiden Abtheilungen der Gruft
38 zinnerne Särge, die aus denselben entnommenen Gegenstände
beliefen sich auf 40 Nummern, welche nach München eingesendet
wurden. Die meisten Kostbarkeiten waren von Gold und betrug
das Gewicht desselben mehr als 300 Ducaten. Kurfürst Carl Theodor
übergab sämmtliche Gegenstände der k. Akademie der Wissenschaften,
welche sie in der Folge dem k. Münzkabiuete zuwies, bis sie im
Jahre 1862 auf Befehl des Königs Max II. von dort in das
bayerische Nationalmuseum kamen.

Baron von Aretin hat im V. Hefte seiner Alterthümer und
Kunstdenkmale des bayerischen Herrscherhauses darüber berich-
tet und 16 Nummern dieses interessanten Grabfundes, unter
andern auch diese zwei hier reproducirten Gegenstände in ihrem
Farbenschmucke veröffentlicht, so daß dort unsere Goldschmiede sich
des Näheren belehren können.

Nr. 1 ist ein golden es Halsgehänge, 7 Centimeter lang,
5'/- Cent, breit, von reizender Arbeit. Es besteht aus 2 Hälften,
einer flach gearbeiteten, zierlich durchbrochenen Rückwand, über
welche sich die vordere Hälfte bogenförmig hinlegt. Die Vorder-
und Rückseiten dieser beiden, durch Schrauben zu einem Ganzen
verbundenen Hälften, sind auf das Sorgfältigste gearbeitet und ihre
Flächen und Vertiefungen mit verschiedenfarbigem Email belebt.
Den Grundtypus der Ornamentik der Rückwand bilden rankcnartige
Arabesken in zarter Verschlingung, zwei kleine kriechende Schnecken
auf den obersten Ausrankungen sind das einzige figürliche Element.
Die Farben des Emails sind schwarz, roth, grün, weiß und blau,
jedoch immer so gehalten, daß außer den Einfassungslinien, nament-
lich in den weißen Emailstreifen der Golduntergrund als Ornament
hervortritt.

Die vordere Hälfte zeigt nun nebst der künstlichen Goldschmiede-
arbeit noch den Schmuck der Steine. Ueber einer aus 8 Blättern,
von denen die 4 breiten roth emailirt sind, gebildeten Rosette glänzt
ein kleiner Diamant im reinsten Wasser. Den Mittelpunkt nimmt
die aus Rubinen gebildete Namenschiffre III8 ein, über diese zieht
sich ein schnialer Goldstrcifen mit der schwarz emailirten Ueber-
schrift GLORIA IN EXCELSIS DEO im Halbrund hin. Zwischen
diesem und der obengenannten Blattrosette sitzt eine weiß emailirte
Taube (?) mit ausgebreiteten Flügeln, deren Enden jedoch frei von
Email gelassen wurden. Diese obere Hälfte theilt eine Fassung von
Steinen (an den Enden zwei Diamanten, die andern Steine sind
6 Rubinen) der Art ab, daß die gerade Linie sich in der Mitte zu
einem Halbkreis ausbaucht, welchen von den 6 Rubinen 4 schmücken.

Der untere Theil ist ein aus 7 Rubinen und einem Diamanten
in der Mitte gebildetes Kreuz, welches sich über einem aus 4 Doppel-
ranken gebildeten Kreuze mit blauem Email und weißen Tröpfchen
erhebt. An den beiden Seitentheilen und am Ende der unteren
Hälfte hängen Perlen, von denen jedoch nur eine und diese bruch-
stückweise erhalten ist.

Monogramm findet sich keines, ebensowenig eine Marke; es
scheint jedoch die Goldschmiedearbeit auf Nürnberg hinzudeuten und
sie mag von einem der Lenker herrühren, welche bekanntlich für den
bayerischen Hof arbeiteten.

2. Eine goldene Haarnadel, 14 Centimeter lang und
emaillirt, ebenfalls aus dem Sarge der Pfalzgräfin Amalia Hedwig.

Die 10 Centimeter lange Nadel ist in der Mitte durchbrochen
und auf Vorder- und Rückseite mit blauem Email ornamentirt.
Ueber derselben befindet sich noch ein auf vier den Doppelranken
des Halsgehänges ganz ähnlichen Doppelranken ruhendes Kreuz,
welches 5 Diamanten bilden. Die Unterlage des mittleren größeren
Diamanten zeigt rothes Email, dagegen reihen sich um die Fassung
desselben weiße Tröpfchen; an den beiden Seitentheilen und oben
hängen noch kleine Perlen. Die Rückseite, ebenfalls weiß und blau
emailirt, bildet ein Doppelkreuz der Art, daß um das kleinere in
der Mitte sich ein schmaler Kreis von Gold herunizieht, und die
vier oben bezeichneten Doppelranken die Theile des äußeren größeren
Kreuzes über dem Kreise verbinden. Die Emailfarben sind hier
 
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