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Zeitschrift des Kunst-Gewerbe-Vereins zu München — 19.1869

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Das Kunstgewerbe auf den Münchener Ausstellungen im Sommer 1869
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Notiz über die Londoner Ausstellungen im Jahr 1871 und im Jahr 1870
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https://doi.org/10.11588/diglit.9045#0037

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je nach dem Charakter der für das letztere benützten Naturformen
angewendet sind. Von Harrach ist eine ganze Reihenfolge von
größtentheils von ihm ausgeführten Entwürfen für Monstranzen,
Altären, Kirchenlampen, Kreuzen u. s. w. ausgestellt. Der Kunst-
gewerbeverein selbst hat auch seine Mappen geöffnet, um die Ent-
würfe seines artistischen Vorstandes, des vielseitigen und geschmack-
vollen Seder, sowie die der talentvollen Künstler Spieß, Barth,
Schmädel und Anderer vorzuführen. Im Glaspalast hatte G.
Schneider eine Reihenfolge seiner Entwürfe für Meubles und
Kirchengerätbschaften ausgestellt.

Wollen wir nun zu einer Schlußbetrachtuug übergehen. Jeder
Besucher der beiden Ausstellungen im Glaspalaste und im National-
museum, der sich in Wahrheit für die Hebung der Münchener Kunst-
industrie interessirt, und der mit prüfendein Auge sich einen Ueber-
blick über die gegenwärtig vorhandenen Kräfte und Leistungen ver-
schafft hat, wird sich gedrungen fühlen, die folgenden Fragen auf-
zuwersen und deren Beantwortung zu versuchen. Die erste. dieser
sich aufdrängenden Fragen dürfte also lauten: Entspricht die Masse
der kunstgewerblichen Erzeugnisse, mit welchen von hier aus der
Markt versorgt wird, der Menge von erfinderischen und ausführen-
den Kräften, welche in unserer Kunstmetropole zu finden sind?
Leider wird man sich nicht lange besinnen müssen, um mit einem
entschiedenen Nein zu antworten. Wir haben in den Ausstellungen
und auch bei anderen Gelegenheiten wohl die Beobachtung machen
können, daß es hier an der Befähigung, Neues und Reizvolles zu
erfinden und auszuführen, nicht mangelt, wohl aber an der Pro-
duktion von ganzen Massen kunstgewerblicher Erzeugnisse, welche
für ein großes Publikum und welche auch, was ganz besonders
wichtig ist, für eine große Auswahl berechnet sind. Von welcher
Wichtigkeit gerade auf kunstgewerblichem Gebiete eine große Auswahl
sein müsse, ist nicht allzuschiver einzusehen.

Es sind nahezu fünf Jahre verflossen, seit diese Frage, welche
geradezu eine Lebensfrage für die hiesige Kunstindustrie ist, in
dieser Zeitschrift vom Verfasser dieser Zeilen erörtert wurde. Es
wurde damals besonders hervorgehoben, daß gerade auf dem kunst-
gewerblichen Gebiete die gesteigerte Nachfrage durch das gesteigerte
Angebot und hiemit durch die reiche Auswahl hervorgelockt werde.
Während der letzten Jahre nun ist, zumal in Folge der Pariser
Weltausstellung, der Wetteifer von vielen größeren und kleineren
Städten, welche sich in der Kunstindustrie den Vorrang ablaufen
wollen, ganz bedeutend gewachsen. Um so mehr ist es an der
Zeit, die Vertreter der hiesigen Kunstindustrie auf das Eindring-
lichste aufzusordern, sie möchten Mittel und Wege suchen, welche es
möglich machen, daß sie mit einem großen Angebot auf dem
großen Markt erscheinen, und daß sie, um dieses Ziel erreichen
zu können, nicht fast ausschließlich auf Bestellung, sondern
auch auf V o r r a t h arbeiten. Durch die Natur des Marktes,
auf welchem kunstgewerbliche Erzeugnisse feilgeboten werden, sind
die Produccntcn zur Fabrikation auf Vorrath gezwungen, wenn sie
nicht von vornherein auf einen größeren Markt und vielleicht bei
der wachsenden Concurrenz auf jeden, ja auch auf jeden kleineren
Markt verzichten wollen. Worin besteht aber die besondere Natur
jenes Marktes, auf welchem die Produkte der Kunsthandwerker die
Käufer anlocken sollen? Vor Allem darin, daß auf ihm der wäh-
lerische Geschmack eines Publikums das Scepter führt, welches
nicht allein für die allernothwendigsten Bedürfnisse, sondern auch
für den Schmuck des Lebens sich etwas aussucht. Da giebt es
nun die verschiedensten Sorten von Geschmack, welche mit der Stim-
mung und vornehmlich bei dem schönen Geschlecht, mit der Figur
und dem Teint ihrer Besitzer in Beziehung stehen. Der eine ist
ernst, der andere ist heiter gestimmt; Beide suchen sich eine entspre-
chende Zimmereinrichtung, welche ein Spiegelbild ihrer Stimmung
sein soll; der Eine liebt das Pompöse, der Andere das Graziöse;
Mädchen und Frauen ziehen ihre Figur und ihren Teint zu Rathe
wenn sie etwas auswählen; Jede fragt sich dabei: was steht mir?
und alles Andere existirt nicht für sie. Nun wäre es freilich ein

Unsinn, wenn verlangt werden sollte, die Kunsthandwerker sollten
für den Geschmack eines jeden Einzelnen auf Vorrath arbeiten.
Aber solche Grundstimmungen, wie zum Beispiel die erwähnten,
oder auch gewisse Hauptgattuugen von Figuren und Hautfärbungen
sollten die Musterzeichner und Kunsthandwerker beider Verfertigung
ihrer Entwürfe und Maaren ins Auge fassen. Die französische
Kunstindustrie kann uns gerade in dieser Beziehung eine große
Lehre geben. Sie will nicht für die alten Griechen, sondern für
die lebendigen Menschen des neunzehnten Jahrhunderts arbeiten;
sic hält sich ihren Blick offen für die Mannichfaltigkeit der mensch-
lichen Figuren und Stimmungen; man betrachte nur beispielsweise
Reihen von Ohrgehängen, welche aus französischen Werkstätten her-
vorgegangen sind; man kann sich bei aufmerksamer Prüfung die
verschiedensten Figuren und den verschiedensten Teint zu diesen Schmuck-
sachen hinzndenken, von welchen die einzelne Käuferin ja wünscht, daß
sie zu ihr passen, daß sie ihr zu Gesicht stehen. Ganz gewiß
beherrscht Frankreich zur Zeit noch mit seinen Luxuswaaren auch
darum den Weltmarkt, weil sein Vorrath an solchen Maaren die
größte Auswahl möglich macht, und darum auch die größte Nach-
frage herausfordert.

An diese Forderung, daß in München ungleich mehr, als es
bisher der Fall war, auf die Massenproduktion gesehen werden
solle, knüpft sich die weitere Frage: Soll auf die Herstellung ein-
zelner Prachtstücke und Schaustücke, welche gegenwärtig hauptsäch-
lich den Ruhm der Münchener Kunstindustrie ausmacht, in der
Weise verzichtet werden, daß man sogar in Zukunft die Herstellung
solcher Werke hintertreiben möchte? Ganz gewiß nicht. Im Gegen-
theil; man muß froh darum sein, wenn der Kunstindustrie auch
fort und fort die höchsten Aufgaben gestellt werden, an deren Lösung
die besten Kräfte sich offenbaren können. Bei der Lösung dieser
höchsten Aufgaben kommen auch immer Motive zu Tage, welche
auch für die massenhafte Produktion kleinerer Gegenstände zu ver-
werthen sind. Wer ist nicht froh um den Tafelaufsatz von Jam-
nitzer in Nürnberg und um so viele Prachtstücke früherer Jahrhunderte,
welche einen Schatz von Motiven enthalten? Man soll eben das
Eine thun und das Andere nicht lassen. Wen haben nun die Mün-
chener Kunsthandwerker nöthig, um einen größeren Markt zu ge-
winnen, vorausgesetzt, daß sie auch für eine große Auswahl ar-
beiten. Vor Allem haben sie die unternehmungslustigen Kaufleute
nöthig, welche die so mannichfaltigen erfinderischen und ausführen-
den Kräfte, welche in München zur Verfügung stehen, zu beschäf-
tigen wissen und welche auch für die hervorgerufene Massenpro-
duction kleinerer Gegenstände den großen Weltmarkt aufsuchen.
Dann wird München, wie es eine Hauptstadt der Kunst ist, auch
eine Hauptstadt des Kunstgewerbes wieder sein können.

Notiz über die Londoner Ausstellungen im Jahr
1871 und im Jahr 1870.

Da es sicherlich vielen Lesern dieser Zeitschrift von Interesse
sein wird, etwas über die in der Ueberschrift erwähnten Ausstel-
lungen zu erfahren, an welchen sie sich vielleicht betheiligen werden,
seien vorerst die betreffenden Punkte aus dem Programm für das
Jahr 1871 mitgetheilt, wie es in den Mittheilungcn des öster-
reichischen Museums für Kunst und Industrie enthalten ist.

Die erste einer Reihe von jährlichen internationalen Ausstel-
lungen ausgewählter Werke der feinen und industriellen Künste
wird am Montag den 1. Mai 1871 in South Kensington,
London, eröffnet und am Samstag den 30. September 1871 ge-
schlossen werden. Zu diesen Ausstellungen, welche in eigens zu
diesem Behufs zu errichtenden Gebäuden abgehalten werden, sollen
Erzeugnisse aller Nationen zugelassen werden, wofern sie das Cer-
tifikat competenter Richter erlangen, daß sie sich in genügendem
Maaße auszeichnen, um ausgestellt zu werden. Die erste dieser
Ausstellungen umfaßt folgende Classen, für deren jede ein eigener
Berichterstatter und ein besonderes Comite ernannt tvird.

I. Schöne Künste: 1. Malereien in aller Art in Oel- und
 
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