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Zeitschrift des Kunst-Gewerbe-Vereins zu München — 26.1877

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Kuhn, ...: Ueber die Kunstweberei der Alten [2]
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68 ►f-

4 Heber Me KunstwebereL der %\tcn.

von Professor Dr. Rn Hit.

(Schluß.)

n der ersten Periode vom 6. bis \2. Jahrhundert, welche wir auch die orientalisch-
byzantinische nennen können, wo die Anwendung von Seidenzeugen allgemeiner wird,
herrscht der neubabylonische Einfluß vor, der unter den Sassaniden sich gebildet hatte.
Die Stoße dieser Periode waren sehr schwer und dicht gewebt und im Anfänge derselben
meist ungemustert. Das Bildwerk wird durch Stickerei (opus cypricum, anglicanum) auf-
getragen. ~Sft Musterung da, so besteht dieselbe, aber erst von der Karolingischen Periode abwärts,
aus den persischen Thierdessins, gewöhnlich zweifarbig, später mit Gold brochirt, verbunden mit
quadratischen, Polygonen, kreisförmigen, gekreuzten, gestreiften und sonstigen geometrischen Mustern.
Diese Thiere, oft in der bizarrsten Form, waren, wie wir aus dem Tiber bestiarius des Engländers
Philipp von Than (XII. Jahrhundert) wissen, Löwe, Elephant, Adler, psan, Greif, Hirsch, Einhorn,
Pferd, Vögel, Eulen, Tiger, Leoparden an Ketten, umgeben von kleineren Waldthieren, die ihnen
entfliehen oder als Beute zulaufen, dann kleineres Federwild (dieses nie einzeln, sondern immer
paarweise), Fasanen, Eulen, Schwäne, Schwalben, dann eine Menge wilder und zahmer Vögel,
die aber weder in der Luft, noch auf dem Lande, sondern nur in der Phantasie des orientalischen
Komponisten ihre Existenz haben.

Nach diesen Ornamenten benannte man sogar die Stoße und so lesen wir von vestes
cum rotis, circumrotatae, scutelatae (schildförmige), vestes elefantinae, leoninae etc.

Die üblichen Farben sind Gelb, Roth, Purpur und Grau in allen Nuancen.

Hauptfabrikorte dieser Stoffe sind die Städte des Orients, namentlich Persiens, Alexandrien,
später Konstantinopel, dann Stctliett und Spanten unter der Herrschaft der Araber. Bei den in
Konstantinopel gefertigten Geweben kommen oft auch Kreuze in den kleinen Kreisen als Muster
vor, später auch ganze Scenen aus der heiligen Geschichte, namentlich dem neuen Testament,
dem Leben und Leiden des Herrn entnommen.

Daß der verbrauch dieser Stoffe eilt ziemlich umfangreicher war, geht schon daraus hervor,
daß nicht blos die Prunkgewänder der Fürsten, Ritter uitd hohen Herren und deren Frauen solche
Gewebe bildeten, wie wir ans dem Trachtenwerke von Hefner-Alteneck sehen, der zu einer Zeit
schon auf diese Gewebe und Stoße aufmerksam machte, wo noch Niemand an dereit außerordentliche
Wichtigkeit uitd Bedeutung für Kunst ttitd Kunstgewerbe dachte; mehr aber noch wird dieser
starke verbrauch erhärtet, daß die Kirche für ihre Bedürfnisse zur Feier der Liturgie, zu Behängen
an den wänden der Kirchen, zu Baldachinen uitd Vorhängen sür den freistehenden Altar (Ciborium),
als Frontalia und Antipendia diese Stoffe vorzugsweise für die höheren Feste benutzte.

Die chimärischen Thiergestalten, mit welchen der heidnische oder muhamedanische Orientale
das Gewebe geziert hatte, hinderten nicht im mindesten, da matt denselben symbolische Deutungen
uitd allegorische Beziehungen zu geben gewußt hat uitd dies auch heutzutage noch versteht. Wir
finden sogar auf Kaisermänteln und auf kirchlichen Gewändern iit kufischer Schrift Sprüche des
Koran, Namen der Kalifen u. f. w., wovon wir uns bei unserer Ausstellung im Glaspalaste
überzeugen konnten.

Die zweite Periode beginnt etwas früher als die Zeit der Hohenstaufen mit der
Einführung der Seidenwurmzncht in Sizilien durch die normannischen Könige und der Errichtung
einer königlichen Seidenmanufaktnr in Palermo und dauert bis iit die Zeiten Karls IV. ((317).
Es war die Zeit, wo die Kunst des webens deffinirter kostbarer Zeuge bei den Arabern, Mauren
ihren Höhepunkt erreicht hatte. Die hervorragendste Rolle spielt hier die mit dem Palast der
normännischeu Köitige verbundene königliche Mannfaktnr, Notel de Tiraz genannt, in
 
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