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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 4.1906

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Voll, Karl: Die Sammlung v. Pannwitz in München
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https://doi.org/10.11588/diglit.4390#0037

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unbemerkt hätte bleiben können. Ein angesehener
münchener Rechtsanwalt, Herr von Pannwitz, lässt
bei Hugo Helbing seine ausgewählte Sammlung von
Erzeugnissen des alten Kunstgewerbes unter den
Hammer bringen, von der ein Teil, das meissener
Porzellan seit der Ausstellung von 1904 im ber-
liner Kunstgewerbemuseum auch ausserhalb Mün-
chens wohlbekannt ist.

Der Umfang der Kollektion Pannwitz ist nicht
gross. Sie zählt wenig mehr als 500 Nummern;
aber da fast alles von ausgesuchter Schönheit und
Erhaltung und da gar manches Stück ein Unikum
ist, so wird die Auktion ein Ereignis im deutschen
Kunsthandel, hoffentlich auch in der Geschichte
unserer kunstgewerblichen Museen bilden.

Interessant war die Probe auf die Verwendbar-

TÄNZERIN, FRANKENTHAL

keit dieser alten Gegenstände im Dienst der heu-
tigen Wohnungseinrichtung. Pannwitz hat die gol-
denen und silbernen Becher, auch die bunten Por-
zellanfiguren in grossen Massen frei in den Zimmern
aufgestellt. Sie wurden nicht in Glaskästen einge-
sperrt, sondern genau so verwertet wie das in
früheren Zeiten üblich gewesen war. Diese Geräte
waren ja trotz ihrer minutiösen Ausführung nicht
bestimmt, vereinzelt und auf exponiertem Platz zu
stehen, sondern sie sollten, wie man das auf den

Abbildungen der fürstlichen Büffets und Tresors
oder in den japanischen Zimmern der Rokoko-
schlösser sieht, durch zahlreiche Vereinigung ein
blitzendes, kräftiges Leben in die stolzen Räume
bringen. Die Wirksamkeit lag in der Menge und
wurde dadurch doch nicht unfein. Wie das nun
vor alters der Fall war, so haben die edlen Formen
und die feinen Farbenspiele auch in der neuzeit-
lichen Wohnung sich als interessanter und gar nicht
schwerlastender Schmuck erwiesen; freilich hat es
auch etwas Missliches, unter Kostbarkeiten zu leben,
die nicht minder zerbrechlich als wertvoll sind.

Viele Sparten sind in der Sammlung vertreten.
Wir finden prachtvolle alte Stoffe und Gobelins,
schöne gotische Holzskulpturen, manch feine Elfen-
beinschnitzerei und überaus edel gebaute Uhren aus
dem 17. und 1 8. Jahrhundert, farbenreiche Glas-
gemälde und zierlichste Schmucksachen, die einst den
Stolz hoher fürstlicher Personen gebildet haben
mögen, sind in einzelnenPrachtstücken vertreten; aber
in ihnen ruht nicht der eigentliche Wert des Ganzen.
Diesen machen vor allem die Goldschmiedearbeiten
und das äusserst umsichtig gesammelte vieux saxe
aus.

Ein wundervoll gebautes silbernes Vortrags-
kreuz aus dem 1 5. Jahrhundert sei hier an erster
Stelle genannt. Der Katalog bezeichnet es als floren-
tiner Arbeit, doch wird es wohl in Frankreich ent-
standen sein; wenigstens weisen die Typen der
durchsichtigen Emails auf französischen Ursprung.
Erstaunlich ist die Leichtigkeit und das Raffinement,
mit dem die, wie üblich, an den zwei Armen und am
Oberteil angebrachten Vierpässe in die dreigeteilten
Lilien übergeführt sind, die den Abschluss der Arme
bilden. Unter den Bechern aber ragt hervor ein sehr
grosser Pokal von dem nürnberger Goldschmiede
Straub, um das Jalur 1580 angefertigt. Die Feinheit
der Ornamente und der Spiegelglanz der Buckeln
weisen noch auf die Blütezeit des deutschen Kunst-
gewerbes. Eine grosse Rarität, die allerdings rein
künstlerisch nicht ganz so hoch steht, ist das Prunk-
gefäss in Form eines springenden Hirsches aus Silber
mit Emailverzierung.

Ueberraschend gut ist die fliessende spiegelnde
Farbenwirkung zweier Majolikateller von Deruta-
fabrikat, die aus der Sammlung Somzee stammen.
Aber wichtiger als all das, was hier nur so kurz er-
wähnt werden konnte, ist die Porzellanabteilung.
Sie umfasst fast ausschliesslich die früheste Periode
der meissener Blütezeit und enthält besonders viele
Arbeiten von Meissens bestem Modelleur Johann

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